Phnom Penh

Die Hauptstadt Kambodschas hat immerhin knapp zwei Millionen Einwohner. Phnom Penh stinkt, ist dreckig, voller Ungeziefer und Krimineller. Überall wird man gewarnt vor dieser Stadt. Man soll keinesfalls seinen Rucksack mit den Wertsachen locker über die Schulter hängen, auch von den beliebten Bauchtäschchen wird abgeraten. Im TukTuk ist der richtige Platz für das Gepäck am Boden fest zwischen den Beinen eingeklemmt. Spezialisierte Rollerbanditen brausen heran und reißen Unvorsichtigen das Gepäck vom Leib, ohne Rücksicht, ob die Person zu Boden oder aus dem Fahrzeug stürzt. Manche TukTuks sind mittlerweile deshalb mit Eisengittern ausgestattet worden. Man fährt also zum eigenen Schutz in einer Art Käfig. Toll!

Uns ist nichts dergleichen passiert, im Gegenteil, wir fühlten uns immer recht sicher. Trotzdem war unsere erste Begegnung mit der Stadt unangenehm. Da wir so spät abends ankommen sind, hatten wir ganz gegen unsere Gewohnheit ein Zimmer gebucht; im Happy House Zone. Der Name ist überhaupt nicht Programm. Die Zimmer dieser miesen Absteige sind übel verwohnt, die Bettlaken fleckig und speckig, die Klospülung funktioniert ebenso wenig wie die Klimaanlage und außerdem wimmelt es vor Kakerlaken. Es schmerzt, dass ich dafür 16 Dollar bezahlt habe. Wir trinken uns in der Bar gegenüber Mut an, schlafen kurz, aber schlecht und sind am nächsten Morgen vor halb acht wieder raus. Ein paar Meter weiter im Rachani Hostel gibt es für wenig mehr Geld schöne, helle, saubere und moderne Zimmer. Bis wir einziehen können, stellen wir unser Gepäck ab und besichtigen das berüchtigte Sicherheitsgefängnis S21, Tuol Sieng.

Mir fällt es schwer, die Eindrücke zu beschreiben. Nach etwa drei Stunden sind wir durch, im wahrsten Sinne das Wortes. Es ist verstörend, am Originalschauplatz zu erleben was Menschen anderen Menschen anzutun in der Lage sind. Wir fühlen uns wie nach dem Besuch einer KZ-Gedenkstätte. Allein in diesem Gefängnis, der ehemaligen Schule Tuol Sieng wurden in den Jahren der Schreckensherrschaft der Roten Khmer zwischen 17.000 und 20.000 Menschen eingesperrt und gefoltert, die genaue Zahl der Opfer ist nicht bekannt. Man weiß nur von fünf Überlebenden. Dies war eines von mehreren Hundert solcher Gefängnisse landesweit. Bis heute werden noch neue Massengräber entdeckt. Die Opfer wurden grundlos oder aus nichtigsten Anlässen verhaftet und solange gefoltert, bis sie irgenein Vergehen gestanden. Dann wurden sie auf die sogenannten Killing Fields weggebracht, wo sie erstochen oder erschlagen wurden. Erschossen wurden die wenigsten – um Munition zu sparen. Vorher mussten die Unglücklichen oftmals noch ihre eigenen Massengräber ausheben. Die Regierung Pol Pots hat in den Jahren 1975 – 1979 ein Viertel der Bevölkerung Kambodschas umgebracht, durch unmittelbare Gewalt oder durch Hunger. Sie wollten das Land komplett in eine Art Steinzeitkommunismus zurückversetzen und haben deshalb systematisch Intellektuelle, Mönche, Künstler, Lehrer, Ärzte verfolgt. Wer eine Brille trug, war verdächtig, wer lesen und schreiben konnte oder gar eine Fremdsprache beherrschte, sowieso.

Abends gehen wir noch zum Tempel Wat Phnom. Dort werden vier Buddha-Statuen aufbewahrt, die der Mekong im Jahre 1372 angespült hatte. Eine Frau namens Penh hatte sie entdeckt – und wurde zur Namensgeberin der späteren Stadt. Jede Buddhastatue dort ist mit mindestens einem Geldschein bestückt. Das Opfern von Geld ist hier sehr beliebt! Ein Mann sitzt im Eingangsbereich und zählt dicke Bündel Geldscheine. Ein wenig deplatziert wirken auf uns die grellen Lichtorgeln im Tempel.

Auf dem Heimweg hören wir es in den Müllhaufen auf den Bürgersteigen rascheln. Ratten! Die Müllsammler, die nach Büchsen und Flaschen suchen sind aus gutem Grund mit langen Stecken bewaffnet.

Flussfahrt nach Battambang

Über den Tonle Sap und den Tonle Siem Reap nach Battambang

Diese Bootsfahrt werden wir nicht vergessen! Die Eindrücke lassen uns staunen, die Begegnungen mit den Menschen auf dem Fluss mindestens genauso. Die rund zwanzigköpfige Reisegruppe besteht zu gleichen Teilen aus Touristen und Einheimischen. Unsere Fahrt führt uns über den Tonle Sap, Kambodschas größten Süßwassersee. Seine Fläche ist mit 2700km2 fünfmal der Bodensee und damit schon normalerweise gigantisch. Durch die anhaltenden Regenfälle ist er momentan auf das Doppelte angewachsen. Wir fahren also erstmal durch einen überfluteten Wald, rechts und links des Bootes gleiten die Baumkronen vorbei. Später wird das Gebüsch so dicht, dass nur noch eine schmale Fahrrinne bleibt.

Unser Kapitän macht sich einen Spaß daraus, mit unverminderter Geschwindigkeit durch die Büsche zu knattern, die Äste peitschen durch die offenen Fenster herein. Wir sind aber schon gewarnt: Der Schiffsjunge kann sich mit seiner Gestik und Mimik sehr beredt ausdrücken. Später unterhält er das halbe Boot mit Fingerspielen. Besonderen Gefallen findet er an den Tricks, die Matthieu, Felix und ich mit ihm austauschen. Nach jedem Kunststück werden reihum die Hände geschüttelt, klassisch, im Gangsterstil, oben, unten, mit und ohne Abklatschen. Wir überlegen, wie alt der Junge sein mag? Er ist sehr schwer zu schätzen, zumal sein Gesicht durch das Downsyndrom gezeichnet ist. Wir haben jede Menge Spaß und es bleibt kaum Zeit, um die schwimmenden Dörfer zu bewundern, die wir immer wieder passieren. Eigentlich sind es schon eher Städte, die hier im Wasser treiben. Jedes Haus steht auf Pontons oder alten Fässern und überall sind die typischen Langboote unterwegs. Immer wieder legen wir an, damit jemand aussteigen kann oder es kommt eins der langgestreckten Motorboote zu uns herüber, damit wir Waren oder Menschen übernehmen können. Gerade halten wir an einem großen Hausboot neben einem schwimmenden Tempel. Neben unserem Kahn sind zwei kleine Mädchen beschäftigt, die Wassertanks in ihrem Motorboot mit Frischwasser zu füllen. So wie man bei uns Fahrrad fahren lernt, können die beiden mit ihren geschätzten acht oder zehn Jahren das Motorboot bedienen.

Mittags halten wir in einem schwimmenden Dorf an. Jeder ist froh, die Toilette des Floßrestaurants benutzen zu können, auch wenn diese nicht mehr Komfort bietet als der kleine Verschlag neben dem Motor. Eine Frau brät kleine Fische auf einem Gaskocher, dazu gibt’s Reis und Wasserspinat. Für ein Spiegelei verlangt sie einen Dollar, was mir angemessen erscheint. Schließlich gibt es hier jede Menge Wasser, aber keine Hühner! Ein paar Mutige aus der Reisegruppe bestellen das Menü. Bei der Weiterfahrt wird es richtig abenteuerlich. Nun ist die Fahrrinne nicht nur extrem eng, sondern auch gewunden und kurvig. Außerdem scheinen uns die entgegen kommenden Boote stets an den engsten Stellen zu begegnen. Mehrfach müssen wir halten, damit die Schraube von Treibgut befreit werden kann, oder weil wir uns in den herabhängenden Bäumen verfangen haben. Die Äste der Uferpflanzen peitschen so heftig durch die Fenster herein, dass wir in der Mitte Schutz suchen und überall die Regenschutzplanen herunterrollen. Der Boden des Bootes ist bedeckt mit abgerissenen Blättern und Ästchen. Ein paar achtbeinige Passagiere steigen auch für kurze Zeit mit ein. Einmal wischt ein Baum so heftig über das Dach und unser Gepäck, dass wir die darüber liegende Plane und einen Koffer beinahe verlieren.

Ich unterhalte mich mit einem Kambodschaner, der für die Gemeinde seines Wasserdorfes arbeitet, mit Franzosen, Schweizern und Briten. Die Nester von Webervögeln hängen an den Bäumen. Im Wasser überall der unvermeidliche Plastikmüll, durch die Überschwemmungen hängt der Mist sogar zwei Meter über dem Wasserspiegel. Unser Steuermann sitzt auf einem Plastiksessel hinter einem alten Autolenkrad. Wenn er das Steuerrad bewegt, wickelt sich unter seinen Füßen ein Strick auf ein Stück Holz, das mit der Lenksäule verbunden ist. Der Strick läuft zu beiden Seiten die fünfzehn Meter nach hinten und bewegt das Ruder. Einfach, aber funktional! Wozu die Handbremse bei diesem Kutter dient, habe ich allerdings nicht herausgefunden.

Natürlich gibt es bei der Ankunft in Battambang die übliche Überraschung: Wir sind gar nicht in Battambang, sondern zwölf Kilometer außerhalb. Ein halbes Dutzend TukTukfahrer redet auf die westlichen Passagiere ein, jeder möchte gerne eine Fahrt abgreifen. Sie haben da eine wirkungsvolle Masche: Total aufgeregt schreien sie durcheinander und verbreiten eine furchtbare Hektik, um die Neuankömmlinge zu verunsichern. Ich bleibe erstmal eisern sitzen, bis alle anderen raus sind, dann überzeuge ich mich bei den Locals, dass es stimmt, was die Taxler behaupten. Leider ist es so: Eine schlaue Verabredung der verschiedenen Interessengruppen (Bootsleute, Taxifahrer, TukTukfahrer) verbietet es, das Revier der Konkurrenz zu verletzen. Jeder soll seinen Teil verdienen. Unser Fahrer entpuppt sich als fairer Partner. Gern würde er uns auch morgen noch chauffieren. Mal sehen!

Mit ca. 200.000 Einwohnern ist Battambang die zweitgrößte Stadt des Landes. Sie wird auch als „Reiskorb“ von Kambodscha bezeichnet, da das Umland sehr fruchtbaren Boden für den Reisanbau aufweist. Damit lassen sich rund in der Region sogar zwei Ernten im Jahr realisieren. Ansonsten ist die Stadt noch relativ wenig vom Tourismus berührt.

Ein Mann läuft die Straße entlang, an einem Fuß trägt er eine Sandale, am anderen einen Gummistiefel, er geht an einer Krücke. Woanders würde man sich denken: Komisch. Hier ist es sofort klar, dass er eine wackelige Prothese trägt. Ein Kind winkt uns aus einem ärmlichen Verschlag heraus. „Hello! Hello!“ Es ist nackt. Wir radeln noch durch Battambang, auf der Suche nach etwas zu Essen, landen auf Empfehlung unseres Zimmerwirts in einem sehr guten vegetarischen Restaurant – eine andere Welt. Das Essen ist ausgezeichnet, außerdem kommt der Erlös hier dem Wohl notleidender Kinder zu. An Wohlfahrtsunternehmungen fehlt es in Kambodscha nicht, und das ist auch gut so.

Angkor Wat

Die historischen Bauten sind atemberaubend! Allein schon die Dimensionen sind riesig. Am ersten Tag haben wir uns die äußeren Bereiche der Roluos Gruppe mit dem Bakong Tempel ausgesucht und besuchen zum Schluss noch den Prasat Banteay Kdai. Gigantische Mauern umschließen riesige Areale, inmitten weitflächiger künstlich angelegter Seen liegen Inseln, auf denen raumgreifende Tempelanlagen stehen. Wir treten durch dunkle Torgänge in weitläufige Flure. Überall zweigen seitlich weitere Gänge ab, teils wandeln wir durch lichte Galerien, teils bücken wir uns durch finstere, enge Durchlässe. Unendlich scheinen die sich ergebenden Blickachsen über mehrere Gebäude hinweg. Die Baumeister wussten genau, wie sie mit Raum, Proportion und Symmetrie den größtmöglichen Effekt erreichen, um die Herrlichkeit der heiligen Stätten zu unterstreichen. Hoch aufragende Türme wechseln sich mit weitläufigen Seitenflügeln ab. Wo es Stufen zu erklimmen gibt, sind diese sehr schmal und extrem hoch: Wie um vom Besucher Demut einzufordern. Einen besonderen morbiden Charme verströmen große Teile der Anlage, die am Verfallen sind. Überall nagt der sprießende Dschungel an den uralten Sandsteinmauern. Wurzeln sprengen Mauern, Dächer drohen zusammenzubrechen.

Wieder andere Gebäude wirken, als wären sie erst gestern errichtet. Tatsächlich sind manche der Tempel seit über tausend Jahren ununterbrochen in Gebrauch und immer wieder in Stand gesetzt worden. Vom Hinduismus zum Buddhismus und zurück umgewidmet wurden sie auch von Bilderstürmern angegriffen: Die vielen kopflosen Buddhas sprechen Bände darüber. Andere Teile sind in Vergessenheit geraten und verfallen, manche bis heute noch im Wald versteckt. Die altehrwürdigen Stätten sind für Buddhisten immer noch heilige Orte. In einer schummrigen Kapelle hockt eine Frau vor einer sitzenden Buddhastatue. Sie drückt uns ein paar Räucherstäbchen in die Hand und vollzieht einen Ritus, den wir nicht verstehen. Zum Schluss, nachdem wir uns dreimal verbeugt haben, erhalten wir jeweils zwei Stoffbändchen ums Handgelenk. Natürlich wird eine kleine Spende nicht abgelehnt.

Allerdings sind die Tempelreste leider stellenweise von chinesischen Touristengruppen eng umstellt. Ohne jede Rücksicht besetzen sie jede freiwerdende Lücke um die besten Fotomotive herum. Da wir schon spät dran sind, bleibt uns nichts anderes als die Horden zu umgehen und in ruhigeren, weniger bekannten Bereichen unser Glück zu versuchen. Das Areal des Tempels ist ja groß genug.

Die Wurzeln riesiger Urwaldbäume haben vielfach Dächer, Mauern, Pflaster durchdrungen und gesprengt. Im Laufe der Jahrhunderte sind dann die Wurzeln verrottet und die Steine kollabiert.

Am beeindruckendsten waren für mich der Bayon (Gesichtertempel) und der kleine, von Urwaldriesen gesprengte Turm Prasat Prey, wo wir ganz alleine durch den Urwald gewandert sind. Angkor Wat selbst ist riesig und wohlerhalten, aber extrem von Touristen überlaufen. Es war eine gute Entscheidung, dass wir uns für die historischen Stätten drei Tage Zeit genommen haben. So konnten wir auch ein paar vergessene Flecken erkunden, wo wir uns als Entdecker gefühlt haben.

Zum Abschluss des gelungenen Besuchs gab es noch ein kleines Leckerli vom Kambodscha-Grill.

Siem Reap, Kambodscha

Was verbindet man mit Kambodscha? Schöne und schreckliche Superlative. Angkor Wat und die roten Khmer.

Die roten Khmer errichteten in den 1970er Jahren in Kambodscha eine unglaublich brutale Terrorherrschaft. Der Sicherheitsdienst von Pol Pot ließ unzählige Menschen foltern und rund zwei Millionen umbringen. Das Land wurde in ein riesiges Arbeitslager verwandelt, Menschen aus den Städten in Todesmärschen aufs Land gezwungen, wo sie bei Hungerrationen auf den Feldern arbeiten mussten. Intellektuelle wurden systematisch verfolgt, wobei das Tragen einer Brille als Indiz für den höheren Bildungsgrad genügte. Bis Ende der 1990er Jahre hielten sich noch Verbände der Roten Khmer im Norden. Weite Teile des Landes sind bis heute von Landminen übersät, die Menschen leiden bis heute unter den Hinterlassenschaften des Terrorregimes.

Das Land ist arm, die Lebenserwartung beträgt rund 64 Jahre, der Mindestlohn 125 Dollar monatlich. Die Natur ist (noch) weitgehend unberührt, Umweltprobleme entstehen insbesondere in den letzten Jahren, wo die wirtschaftliche Entwicklung langsam in Gang kommt.

Angkor Wat, die Hauptstadt des alten Khmerreiches ist das größte religiöse Gebäude weltweit, eines der wichtigsten Kulturerbe der Menschheit und wird auch als das achte Weltwunder bezeichnet. Errichtet wurde es unter Suryavarman II im 12. Jahrhundert. Zu seiner Glanzzeit hatte die über 15 Quadratkilometer große Stadt rund eine Million Einwohner – doppelt so viele wie London seinerzeit. Wir sparen uns die Besichtigung auf, denn bald treffen wir hier unsere Kinder, mit denen wir uns das ansehen wollen.

Wir reisen zu Fuß von Chom Chong (Thailand) nach O Smatch (Kambodscha) ein. Inzwischen sind wir es schon fast gewöhnt, die einzigen Westler weit und breit zu sein. Mit rund 150 Thais und Kambodschanern reihen wir uns in die Schlange für die Grenzformalitäten ein. Doch, halt, da sind noch zwei Amerikanerinnen mit thailändischer Abstammung, die hier Thailand für einen Tag verlassen, um morgen die Aufenthaltserlaubnis um weitere 30 Tage zu verlängern. Auf der anderen Seite wartet bereits ein Taxianweiser, der sich an unsere Fersen klebt. Wir werden ins Visabüro gewunken, wo eine Überraschung auf uns wartet: Der Beamte verlangt pro Visum 1300 Baht – wir hatten uns auf 30 Dollar eingestellt, aber die wollte er nicht. Wir kratzen unser letztes thailändisches Geld zusammen, es reicht gerade eben so. In Kambodscha werden nämlich alle größeren Geschäfte in Dollar oder eben in Baht getätigt. Die Landeswährung Riel dient eher als Wechselgeld für Kleinstbeträge und ist nicht besonders beliebt. Unsere Baht hatten wir eigentlich für die Taxifahrt nach Siem Reap vorgesehen, einen Bus gibt es hier nämlich nur zweimal täglich. Die Preisverhandlung mit dem Obertaxler ist kurz. Wie immer bin ich der böse Geizkragen, der die unverschämten Preisvorstellungen ein klein wenig zu drücken versucht. Ich finde jedenfalls 70 Dollar sind absolut ausreichend für eine dreistündige Taxifahrt über 170 Kilometer.

Die Gegend, die vor den Autofenstern vorbeizieht, ähnelt den thailändischen Provinzen, die wir zuletzt durchquert hatten: flach und weit. Überflutete Reisfelder, immer wieder Flüsse, die über die Ufer gegangen sind. Die Straße ist beinah so schlecht wie zuletzt in Laos. Zum Glück gibt es nicht besonders viel Verkehr. Die meisten anderen Fahrzeuge sind Roller, aber auch sehr viele der einäugigen, zweirädrigen Traktoren sind unterwegs. Diese Zugmaschinen haben nur eine Achse, meist mit zwei dicken Gummireifen, manchmal auch mit einer Art Gitterreifen aus Eisen. Ein überlanger Lenker mit zwei Handgriffen wird vom Fahrer gehalten, der entweder hinterläuft oder auf der ebenfalls überlangen Deichsel eines Anhängers sitzt. Ich entdecke auch einige spartanische Traktoren, die zwar vier Räder, aber dafür keinerlei Motorabdeckung, Sitze oder anderen Schnickschnack besitzen. So gut wie jedes Fahrzeug ist abenteuerlich schwer und hoch beladen mit Holz, Stroh, Früchten, Möbeln, Menschen.

Siem Reap empfängt uns mit Regen. Zu unserer Überraschung hält unser Fahrer etwa fünf Kilometer vor dem Ziel. Wir sollen in ein Tuktuk umsteigen, vermuten irgendeine Abzocke. Aber es läuft so, wie der TukTukmann in brüchigem Englisch erklärt hat. Scheinbar gibt es eine Art Gebietsschutz für die Innenstadt. Irgendeine Vereinbarung bindet die beiden Fahrer, wir müssen jedenfalls nicht nochmals zahlen, sondern nur noch den sehr anhänglichen TukTukfahrer loswerden. Durchgeschwitzt, dann fast tiefgefroren von der Klimaanlage, zuletzt im Regen abgeduscht torkeln wir in das anvisierte Guesthouse, welches sich als stinkige Bude erweist. Wir danken und ziehen weiter, zunächst noch den Fahrer im Schlepptau. Bald scheint die Sonne wieder. Das nächste Hotel ist das 7candles – hier sind die Zimmer schön und sauber, außerdem werden mit den Einnahmen Bildungsprojekte in den ländlichen Gebieten unterstützt, ähnlich wie bei BigBrotherMouse in Laos. Das gefällt uns!

19.09.2019 Kunst und Krieg

Was für ein Glück, unser Guesthouse hält für die Gäste Fahrräder bereit. Wir radeln zu Artisans Angkor – Les Chantiers Ecoles in der Nähe der Pub Street. Diese Schule und Werkstatt für Kunsthandwerk hat es sich zum Ziel gesetzt, vergessene handwerkliche und künstlerische Traditionen neu zu beleben, darüber hinaus bietet das Projekt Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen. Die roten Khmer hatten in ihrer wahnsinnigen Bemühung, alle Kultur auf Null zu reduzieren auch sämtliche Künstler mit Repression belegt oder getötet, folglich war es nicht einfach, die Jahrtausende alten Techniken wieder zu entwickeln. Für mich als Werklehrer ist es faszinierend zu erleben, wie die Künstler in ihren Werkstätten Holz, Sandstein, Kupfer, Speckstein, Lack und Seide bearbeiten. Lange schaue ich zu und probiere die Werkzeuge auch selbst aus. Zu schade, dass ich mich mit den Leuten nicht unterhalten kann, aber dann wäre Andreas Geduld sicher noch mehr überstrapaziert. Im Shop liebäugeln wir mit den qualitativ hervorragenden und sehr hochpreisigen Waren. Aber wie sollen wir denn einen Sandsteinbuddha mitnehmen? Im Übrigen haben wir uns vorgenommen, keine Staubfänger anzuschaffen – wir haben ja keine Wohnung mehr und wissen auch nicht, ob wir wieder einen Garten haben werden. Also bleibt uns die Erinnerung.

So schön dieses erste Erlebnis des Tages war, so furchtbar und verstörend ist das zweite, das War Museum. Dorthin gelangen wir auf unseren klapprigen Drahteseln über einen kleinen Umweg, zunächst durch den örtlichen Slum, dann durch den Schlamm. Die Straßen sind außerhalb nämlich nicht mehr asphaltiert, sondern  vielmehr abenteuerliche Schlammpisten mit Schlaglöchern wie Badewannen.

Es ist sehr traurig, auf Bildern und Tafeln Einzelheiten über die Geschichte des kambodschanischen Bürgerkrieges zu erfahren. Um Munition zu sparen, töteten die Steinzeitkommunisten viele ihrer Opfer mit Hämmern, Spaten, Bambusspitzen. Zwischen 1975 und 1979 wurde ein Viertel der Bevölkerung Kambodschas umgebracht. Die Exponate sind Geschütze, Maschinengewehre und Granaten sowie Hunderte von Landminen. Was ist mit den Minenopfern? Es gibt heute noch neue Opfer, auch wenn der Krieg nun schon zwanzig Jahre beendet ist. Der Erlös dieses Museums, so heißt es, dient zu ihrer Unterstützung sowie zur Hilfe von traumatisierten ehemaligen Kämpfern.

Überschwemmung 2. Tag

Ubon Ratchathani liegt am Mun oder Moon River. Als wir gestern ankamen, mussten wir feststellen, dass die südliche Hälfte der Stadt unter Wasser steht. Seit zwei Wochen hatten wir auf unserem Weg durch Laos versucht, Genaueres zu erfahren – vergeblich. Wir wollten unbedingt die überfluteten Gebiete meiden, sind nun aber doch mitten hinein geraten.

Das thailändische Fernsehen berichtet nun laufend von der Katastrophe. Im Internet haben wir gelesen, dass es die schlimmste Flut in der Region seit 41 Jahren sein soll. Heute konnten wir beim Hotelmanager Fahrräder leihen. Wir kamen in mehreren tiefer gelegenen Stadtteilen ans Wasser, vielerorts liegen Sandsäcke vor Eingängen. Am schlimmsten sieht es in der Nähe des Flusses aus. Auf den angrenzenden Straßen sind überall große Zelte errichtet worden. Tausende Menschen campieren hier.

Morgen versuchen wir, nach Chong Chom weiterzukommen, um die Grenze nach Kambodscha zu passieren. Angeblich soll dort die Situation besser sein.

Ubon Ratchathani, 17.09.2019, 19:00 Uhr

Überschwemmungen

16.09.2019 Ubon Ratchathani

Heute schon der dritte Artikel – liebe treue Leser, bitte blättert runter um auch die letzten Tage zu lesen.
An der Promenade des Mun-Flusses stellen wir fest, dass es keine Promenade mehr gibt. Überall in Flussnähe provisorische Pavillons und Zelte.

Hier stehen Armeelaster, Suppenküchen, Stapel von Hilfsgütern. Wir fragen nach und erfahren, dass Hilfe für die Flutopfer organisiert wird. Wir spenden natürlich spontan. Wandern weiter Richtung Fluss, sind überrascht, nicht aufgehalten zu werden. Auf der Brücke erkennen wir das Ausmaß der Katastrophe. Wir hatten von der Überschwemmung geahnt und gerade deshalb diesen Umweg über Ubon gewählt – dass wir mitten drin landen würden, wollten wir doch gerade vermeiden! Beim Überqueren der Brücke wird uns immer mulmiger, wir schämen uns fast, zu fotografieren. Dennoch, ich denke: Vielleicht spendet ja einer oder zwei, die davon lesen. Das Verrückte daran ist, dass in den für uns zugänglichen Medien von dieser Katastrophe in den letzten Tagen nicht berichtet wurde. Wir hatten tagelang Google und Bing sowohl auf Deutsch wie auf Englisch ergebnislos befragt – eben um das Überschwemmungsgebiet zu vermeiden. Wir hatten bei Tourist Information Centers und Reisebüros gefragt, aber keine konkrete Antwort erhalten.

So ähnlich hatten wir es ja bereits in Laos erlebt. Ob es am Desinteresse der westlichen Medien liegt oder eine gezielte Vertuschung – wer mag das beurteilen? Jedenfalls campieren hier unglückliche Flutopfer direkt auf der vierspurigen Brücke. Sie haben sich behelfsmäßige Zelte aus Planen usw. errichtet.
Falls ihr eine aktuelle Spendennummer wisst, bitte lasst es mich wissen (Kommentarfunktion unten)
Hier zwei relativ aktuelle Links zur Nachrichtenlage:

Worst yet to come for hard hit Ubon Ratchathani…two districts expecting major flooding Friday, September 13th. – The Pattaya News

http://thailandtip.info/2019/09/13/ubon-ratchathani-erlebt-die-schlimmsten-ueberschwemmungen-seit-41-jahren/

P.S. Es lesen wöchentlich rund 2-5000 Leute diesen Blog. Es würde mich freuen, wenn der eine oder andere zu diesem Artikel etwas kommentieren würde. Auch wenn es nicht im deutschen Fernsehen kommt.
16.09.2019 Ubon Ratchathani 22:00 Uhr
17.09.2019 erweitert 8:00 Uhr

Nationalpark Phu Pha Thoep

Sonntag, 15.08.2019

Vom Gestikulieren und Pantomimen habe ich bald schon Muskelkater. Wir haben es geschafft. Mit ein paar Screenshots auf dem Handy (von der Thai Schreibweise unseres Zieles) und mit Hilfe einer freundlichen Optikerin, die bei unseren Verhandlungen mit dem TukTuk-Mann gedolmetscht hat. Sie sprach zwar auch kein Englisch, aber scheinbar hat sie ungefähr verstanden, was wir wollten. Die Fahrt ist halsbrecherisch, das Fahrzeug verfügt nämlich leider über keine Bremsen, was der Fahrer durch SEHR vorausschauende Fahrweise auszugleichen versucht.

Der Nationalpark ist mit knapp 50 Quadratkilometern einer der kleinsten Thailands, dennoch sehr sehenswert. Beruhigend, dass der Ranger am Parkeingang gleich mal ein Foto von jedem Besucher macht. Wohl, damit er später besser weiß, wie die verloren gegengenen Personen aussehen. Anhand der Karte, die er mir gibt, erklärt er mit Gesten, wo wir lieber nicht hingehen sollten. Zuletzt werden wir noch gefragt, ob wir auch Wasser dabei haben. Ja, ja, haben wir, denken wir zumindest.

Ein riesiger Sandsteinfelsen von mehreren Kilometern Ausdehnung bildet die Hauptattraktion und Kernzone des Nationalparks. Jahrtausende der Erosion durch Wind und Wasser haben tiefe Canyons, steile Klippen und sehr skurrile Felsformationen herausgeschliffen. Wie riesige Pilze oder Tische stehen Felsblöcke auf einem glühend heißen Felsplateau. Andere Formen erinnern an Tiere; es gibt ein Kamel, einen Elefanten und alles mögliche andere. Der Park ist zur Zeit sehr mäßig besucht. Vielleicht liegt es daran, dass es knapp 40°C heiß ist? Jedenfalls begegnen uns auf unserer etwa dreistündigen Wanderung nur drei andere Personen. Trotz der Hitze gibt es immer wieder kleinere Rinnsale auf dem Fels. Offenbar hat es noch in der letzten Nacht geregnet und die spärliche Vegetation hat sich genauso vollgesogen wie die Inseln aus Erde und dürrem Gras. Wir entdecken sogar einen kleinen Wasserfall, doch die Moskitos motivieren uns nicht zu bleiben. Als unsere drei Liter Wasser zur Neige gehen, drehen wir um und trotten Richtung Ausgang. Ein beeindruckendes Erlebnis!

16.09.2019, Ubon Ratchathani, 18:34

Zurück nach Thailand

Von Thaketh nach Muktahan

Endlich wieder Busfahren! Frühstück, auschecken, ein Tuktuk organisieren und ab zum Fernbusbahnhof. Gerade als wir einbiegen, kommt uns der internationale Bus entgegen. Das beschert uns eine ersprießliche Stunde Wartezeit. Ich erkunde das Angebot der Läden. Erstaunlich: Etwa zehn Shops gibt es hier, jeder hat exakt das gleiche Zeug zu verkaufen wie die anderen. Neben Schuhen und Taschen gibt es Getränke und Reiseproviant. Für den kleinen Hunger zwischendurch kunterbunt eingefärbte Reiswaffeln, Trockenfleisch und – besonders ansprechend – Streifen von Büffelhaut, mit Fell. Ich frage den freundlichen Mann, ob das Hundefutter sei? Er missversteht mich zunächst und erklärt mir mit Hilfe einer Dose Energy-Drink aus dem Kühlschrank (mit Büffelemblem), dass es sich nicht um Hunde- sondern um Büffelhaut handelt. Als ich pantomimisch nochmals „Essen für Wauwau?“ spiele, verneint er und erklärt, das sei für Menschen und besonders lecker, man muss die Hautstreifen nur zerhacken und lange genug kochen. Warum auch nicht, andere Länder, andere Sitten.

Der Grenzübertritt nach Nakon Phanom gelingt rasch und reibungslos. Entgegen den Reiseberichten, die wir gelesen haben, müssen wir nicht einmal die Ausreisegebühr von zwei US-Dollar bezahlen. Der Service ist sehr zuvorkommend: Ein freundlicher Beamter fragt mich, ob ich schreiben könne? Tatsächlich stehen hier einige Uniformierte bereit, um den Leuten beim Ausfüllen der Visaantrage zu helfen. Wir kommen alleine zurecht. Der Bus ist wirklich international, er bringt uns tatsächlich nicht nur zur Grenze, sondern bis in die Stadt auf der anderen Seite des Mekong. Ich verschenke noch die letzten KIP an meinen Sitznachbarn, wir werden sie nicht mehr brauchen. Kurios: Am Zoll steht ein Glaskasten mit den abgenommenen Gegenständen. Da drin liegen doch tatsächlich drei Bongs und ein paar Schnapsflaschen. Darf ich fotografieren? Der Beamte schielt nach seinem Vorgesetzten und nickt.

Ab jetzt heißt es wieder Kop kuhn krab und Kop kuhn kaa, die Autos fahren links, die Steuer sind rechts. Uns kommt es fast so vor wie Europa, alles ist so aufgeräumt und sauber. Die Straßen erlauben ein Reisetempo von 60 und mehr Stundenkilometern! Beim Umsteigen am Fernbusbahnhof in Nakon Phanom haben wir Glück: Unser Minibus für die Weiterreise nach Muktahan steht schon parat, in fünf Minuten geht es los. Ich laufe zum Einsteigen erstmal auf die falsche Seite, was der Fahrer mit Lachen quittiert. Wir haben nicht mal Zeit für die Toilette und wieder bewährt es sich, dass wir an solchen Reisetagen möglichst wenig essen und trinken. Wie im Flug vergeht die zweistündige Fahrt zum Tagesziel, auf der laotischen Seite des Mekong hätten wir locker zwei- bis dreimal so lange gebraucht. Trotzdem sind wir ein wenig traurig, dass wir dieses wunderschöne Land schon so viel früher als geplant wieder verlassen mussten. Wegen der Überschwemmungen im Süden Laos sind wir von unserem ursprünglichen Plan abgewichen, die Four Thousand Islands zu besuchen, um von dort die Grenze zu Kambodscha zu überschreiten.

In Muktahan ist wirklich der tote Hund begraben. Endlich sind wir so weit ab vom Trampelpfad der Backpacker, dass es unterhaltsam wird. Die wenigsten Menschen hier sprechen Englisch, Schilder sind fast ausschließlich mit einem Würstlgulasch aus Thai-Buchstaben beschriftet. Die Stadt ist eine Servicewüste: Es gibt nur sehr wenige Guesthouses oder Hostels, auf der Suche nach einem verspäteten Mittagessen laufen wir einige Kilometer. Fahrrad- oder Rollerverleih: Fehlanzeige.

Immerhin ist es die erste Stadt Südostasiens, wo ansatzweise auf Barrierefreiheit geachtet wird. Die Gehsteige sind zwar zugeparkt wie überall, aber einige verfügen über gekennzeichnete Rampen. Vor dem Tempel gibt es sogar einen Rolliparkplatz. Neben dem Nationalpark in der Nähe sind für mich die größte Attraktion die Waschsalons auf dem Gehsteig.

Schließlich landen wir am hiesigen Night Market. Hier gibt es jede Menge Leckereien und eigentlich gar keine der typischen Touristenwaren. Ich probiere frittierte Reisbällchen und Frühlingsrollen (naja), Sticky Rice aus dem Bananenblatt (süß und lecker) sowie eine Art Leberkäsbratling mit viel scharfem Chili (kein Kommentar). In der Dunkelheit wird es spannend: Finden wir wieder in unser Hotel? Es liegt nämlich etwas abseits, zwischen einem größeren Brachland, einem wild zugewucherten Kanal und einer kleinen slumähnlichen Siedlung. Hoffentlich lassen uns die wilden Hunde in Ruhe. Tagsüber sind sie träge und faul, aber nachts werden sie munter und das Aggressionspotential steigt.

Zurück daheim verhandele ich noch ausgiebig mit der Wirtin. Mit Händen und Füßen gebe ich ihr zu verstehen, dass wir den Phu Pha Nationalpark besuchen wollen und dazu ein Songthaew, ein Moped oder Fahrräder brauchen. Leider kann sie mir nicht verständlich machen, wo man die Sammeltaxis findet. Fahrräder oder einen Roller kann sie erst am Montag besorgen, morgen ist Sonntag.

Ubong Ratchathani, 16.09.2019, 13:50

Thakek Loop

Wir haben einen Versuch gestartet, einen kleinen Teil des Loop zu fahren. Das ist ein Abschnitt des Banana Pancake Trail für die abenteuerlustigen Zweiradfahrer. Die Landschaft ist eine Augenweide. Kantige Karstberge ragen aus einem überfluteten Wald, manchmal auch aus Reisfeldern, jedenfalls ist alles neben der Straße (dem Damm) nass.
In Thakhek haben wir uns ein Moped geliehen – das beste bisher überhaupt, einen Yamaha Roller. MIT BREMSEN! Die helfen jedoch auch nicht gegen die allgegenwärtigen Überschwemmungen. Aber selbst diese haben Vorteile. Da, wo sonst Wald ist, gibt es jetzt einen See. Wir bleiben stehen und beobachten die Fischer mit ihren Netzen. Wir fragen, ob wir fotografieren dürfen – ich glaube, sie verstehen uns nicht, aber sie lachen, also fotografieren wir. Es ist unglaublich, wie die Männer und Frauen voll bekleidet im relativ kühlen Wasser so lange aushalten können. Manche stehen brusttief im Wasser und werfen immer wieder ihr Netz aus, um wenige Minuten später ein paar winzige Fische heraus zu klauben. Ich zeige fragend darauf und lasse mir zeigen, wie sie ihren Fang sammeln: In kleinen Körben aus Bambus zappeln ein paar Dutzend knapp fingerlange Fischlein. Wir überlegen, ob die zu Fischsauce zermatscht werden oder als Köderfische für größere dienen?

Beim nächsten Abzweig steht ein Schild, das auf eine schöne Höhle hinweist. Wir haben bereits darüber gelesen, die Tham Pha Seum. Am Parkplatz zahlen wir brav unsere Gebühr (~0,30Ct) und wandern los durchs Unterholz. Frösche, Moskitos, Spinnen und Würmer begleiten uns. Nach ein paar hundert Metern nehmen wir beißenden Gestank wahr. Ein kleiner alter Mann erschrickt, als wir von hinten heran kommen. Auf unseren Gruß „Sabaidee“ lächelt er. Sein rechtes Auge ist blind. Mit bloßen Händen gräbt er im Schlamm nach riesigen Regenwürmern. Auch er hat ein Bambuskörbchen dabei, wo er seine Beute hinein wirft. Ich versuche ihn zu fragen, ob er die Würmer zum Fischen braucht, oder… Aber er versteht mich nicht. Barfuß folgen wir dem überschwemmten Pfad zur Höhle weiter, bis uns das Wasser über die Knie reicht. Irgendwann drehen wir um. Inzwischen hat der Alte seinen Jagdplatz in den Schatten des Waldes verlegt. Er hat uns beobachtet und bedeutet mit Handzeichen, dass weiter vorn das Wasser noch viel tiefer wird. Auf dem Rückweg versuche ich noch ein paar Mal einen abzweigenden Pfad in das Dickicht, aber stets ist es bloß ein Wildwechsel, der nach ein paar Metern in hüfthohem Gestrüpp endet.

Wir hatten heute noch kein Frühstück und es ist inzwischen Mittag. Endlich kommen wir mit unserem Moped an einem schwimmenden Imbisstand vorbei: Ein Steg, ein paar Bambusstangen und Dächer aus Blättern, eine Reihe Eisboxen und eine kleine Garküche. Wir hängen unsere Wanderstiefel an ein Stück Bambus und wollen von der Karte bestellen, die uns gereicht wird, aber es stellt sich heraus, dass es heute nur gegrillten Fisch und Papayasalat gibt. Also dann das. Der Fisch ist extrem lecker, der Papayasalat extrem scharf.

Auch an der Tahm Sa Pha In Höhle haben wir Pech, bereits das Eingangstor steht im Wasser. Also weiter zur Liap Cave. Auf dem Landweg erreichen wir diese auch nicht. An der Brücke daneben winkt uns aber ein freundlicher Mann. Er bedeutet uns, dass er ein Boot hat, mit dem er uns in die Höhle bringen kann. Wir sind uns rasch handelseinig und genießen die kurze Fahrt über den Dschungelfluss.

Die Höhle selbst ist nicht sehr groß, aber uns gefällt es, so ganz ohne andere Touristen, Beleuchtung, Absperrungen. Als unser Fährmann an einem Fels anlegt, fragt er uns: „Swimming?“ Er beherrscht wirklich nur die paar Brocken, die er für sein Geschäft braucht: boat, cave, swimming. Wir folgen seinem Beispiel und lassen uns ins kühle Wasser des Höhlenflusses gleiten. Nachdem wir uns erfrischt haben, klettern wir vorsichtig zurück in den Kahn und tauschen ein paar Vokabeln aus. Wasser-noa, Boot-heu, Höhle-tham. Am Ausgang der Höhle bemerke ich hoch über unseren Köpfen ein feinmaschiges Netz. Drei unglückliche Fledermäuse hängen darin. Unser Guide erklärt per Pantomime, dass die Tiere hier zum Kochen gefangen werden.

Wir haben genug vom Loop gesehen. Zurück in Thakhek lassen wir uns noch ein wenig durch die Altstadt treiben. Mit dem Roller kommen wir gut voran, auch wenn die Stadt sehr flächengreifend ist. Deutlich sieht man besonders an der Mekongpromenade des französischen Einfluss, wenn auch alles sehr heruntergekommen und ärmlich wirkt. Die einst prächtigen Häuserfassaden sehen allesamt ein wenig schimmlig aus, überall läuft ein schwärzlicher Film herab.

Unterwegs

Seit sechs Wochen und einem Tag sind wir jetzt unterwegs. Länger als auf allen vorherigen Reisen. Wir haben kein Heimweh. Es gibt ja auch kein Daheim mehr. Außerdem haben wir ja uns. Komischerweise sagen wir zu unserer jeweiligen Bleibe „Daheim“, auch wenn wir dort nur eine Nacht verbringen. Angenehmer ist es, zwei oder drei Nächte an einem Ort zu sein. Dann bildet sich ganz schnell eine Zelle des Gewohnten, man ist dann nicht ständig auf der Suche nach der nächsten Toilette, Trinkwasser, WLAN. Sicher fehlen uns unsere Familie und unsere Freunde ein wenig. Aber heutzutage bleibt man ja auch am andern Ende des Globus in Kontakt. Und mit der Oma telefonieren wir regelmäßig, sobald wir eine gute Internetverbindung haben.

Butterweicher Lao-Pop umspült unsere Ohren. Zum Glück nur recht leise, unten beim Fahrer muss es viel lauter sein. Immer wenn wir eine besonders tückische Bodenwelle erwischen, kommen durchtrennte Kabelenden in Kontakt und es wird für ein paar Sekunden auch bei uns oben laut. Der Lokalbus sieht ein bisschen aus wie das feuerrote Spielmobil, er soll für die gut 300 Kilometer um die fünf Stunden brauchen, aber keiner weiß das so genau. Schlussendlich brauchen wir neun Stunden. Ich weiß nicht, wann ihr das letzte mal neun Stunden auf einer durchgesessenen Sitzbank in einem Bus ohne Klimaanlage bei knapp 40°C zugebracht habt.

Es ist ein riesiger roter Doppeldecker. In der unteren Etage verfügt er über große Frachträume, die selbstverständlich komplett voll gestopft sind, Kisten, Kartons, Bananenstauden, ein Moped, Bambusmatten und ich weiß nicht was sonst noch. Oben sind Sitzbänke montiert. Wir sitzen ganz vorn und haben einen perfekten Blick auf Landschaft, Straße, Schlaglöcher. Eben überqueren wir die gelbbraunen Fluten des Nham Nghun Flusses. Im seichten Uferwasser stehen Fischer. Sie halten lange Stäbe wie Angeln, an denen quadratische Netze hängen. Die Fische, die hier leben, dürften blind sein. Jedenfalls brauchen sie keine Augen.

In jedem dritten Dorf hält der Bus, fliegende Händler mit Obst, Sandwiches, Bilderbüchern, Toilettenartikeln wie Zahnpasta und Rasierwasser steigen zu. Die einheimischen Reisenden werden ziemlich aufdringlich bedrängt zu kaufen. Die Verkäufer legen ihnen teilweise die Waren einfach in den Schoß. Zum Glück lassen sie uns in Ruhe. Hier sind wir die einzigen Westler. Manchmal hält der Bus auch, weil ein Paket am Straßenrand liegt. Dieses wird dann mitgenommen, vom Schaffner beschriftet und vielleicht auch später beim Empfänger ausgeladen.

Die Landschaft ist zunächst recht eben: Wälder, Farmen, kleine Dörfer wechseln sich ab. Häufig kommen wir an Teichen vorbei, wo offenbar Fische gezüchtet werden. Reisfelder sehen wir wenige. Fern am Horizont wächst langsam ein Gebirge immer höher, je näher wir kommen. Hier oben im schwankenden Oberdeck des Fahrzeugs und bei dem erbärmlichen Zustand der Straße kommen wir uns vor wie beim Kamelreiten. Warum schreibe ich eigentlich so viel übers Busfahren? Na ja, neben Schlafen dürfte es die Tätigkeit sein, mit der wir am meisten Zeit verbringen. Gefolgt vom Suchen nach der nächsten Unterkunft. Ausflüge zu Sehenswürdigkeiten sind auch auf Reisen eher die Ausnahme. Besonders in Laos, wo die Busfahrten eben ein wenig länger dauern.

Eben ist die Schule aus: Viele Kinder sind mit Fahrrädern auf der Straße unterwegs. Alle Jungs tragen dunkle Hosen und weiße Hemden. Die Mädchen blaue Kleider und weiße Blusen. Schultaschen haben sie keine, vielleicht gibt es hier keine Hausaufgaben?

Eine Stunde später ist das Gebirge fast zum Greifen nah von links an die Straße herangerückt, rechts schimmert ab und zu der Mekong durch die Bäume. Hier ist der Grenzfluss zu Thailand drei- oder viermal so breit wie zuletzt in Vientiane. Er beschreibt einen riesigen Bogen, unser Weg folgt diesem. Der Himmel trägt ein blauweißes Gewand, die Schäfchenwolken bewegen sich nicht. Wir schwitzen.

Die Gegend wird immer einsamer, der Verkehr spärlicher. Je weiter wir uns von der Hauptstadt entfernen, desto weniger ist los. Noch eine lange Brücke über einen riesigen Fluss, den Nam Kading, der in Blickweite in den Mekong mündet. Die Straße verlässt jetzt den mächtigen Strom und biegt östlich in bergiges Gelände ab. Die Niederungen waren zuletzt sumpfig feucht, überall stehen Tümpel. Der Fluss hat Hochwasser, die Kronen überschwemmter Bäume ragen aus der schlammigen Brühe. Das Kamel unter uns bockt. Wir halten jetzt direkt auf die Berge zu. Eine kilometerbreite Schneise klafft im Regenwald: Hier wurde auf einer riesigen Fläche jede Vegetation abgeholzt und der bloße Fels freigelegt. Ein Steinbruch, ein Tagebergbau? Unterhalb im Berghang sind durch die Erosion Canyons ausgewaschen, die ich aus mehreren Kilometern Entfernung sehen kann. Ich versuche meinen Sitznachbarn zu fragen, was da geschieht, aber er versteht mich nicht oder er weiß es auch nicht. Wieder einmal hält der Fahrer, weil er irgendetwas an einem Stand am Straßenrand kauft; Räucherstäbchen vorhin, etwas Bier jetzt. Da biegt ein schwer beladener Truck auf unsere Straße ein. Beim Beschleunigen stößt er dicke, schwarze Rauchwolken aus. Für ein paar Sekunden ist die ganze Kreuzung vernebelt.

Was heißt Kerepek Kentang? Das errät keiner! Es ist fast lautmalerisch… Wir hatten vorgestern eine Rolle Pringles gekauft, aber nicht einfach normale, sondern die guten mit Salz und Algen – wie sich beim Verzehr und Studium der Packung herausstellte. Beim Busfahren hat man viel Zeit. Kerepek Kentang mit Garam und Rumpai Laut!
Ich kann schon laotisch. Wenn das Essen besonders gut geschmeckt hat, wie gestern Abend das Entenhack mit Minzsoße und Basilikum (sehr spicy!), dann sage ich „Sepp lai“, und die Köchin strahlt. Das habe ich beim Abendessen in der Thakhek Travellodge wieder ausprobiert: Der gleiche Effekt. Ein paar Brocken der Sprache und die Menschen merken, dass du Interesse an ihrem Land hast. Von Thakhek aus kann man sehr gut die umliegenden Berge und Höhlen erkunden. In der trockenen Jahreszeit bietet sich eine mehrtägige Rundfahrt durch die Berge an. Leider haben wir dafür nicht die richtige Jahreszeit erwischt. Mal sehen, wie weit wir morgen kommen.

Thakhet, 14.09.2019, 8.00 Uhr