Abends kommt es noch zu einem blutigen Kampf. Er beginnt mit einem spitzen Schrei aus dem Badezimmer. Heldenhaft und todesverachtend stürze ich mich in den Zweikampf mit dem Untier, welches meine Frau bedroht. Eine stattliche, fast fingerlange Schabe nagt an unserer Bioseife aus dem Unverpackt-Laden. Das Tier weiß anscheinend Qualität zu schätzen. Wir aber wollen unsere Seife nicht mit jedem teilen. Mit ein, zwei gezielten Streichen eines plattgedrückten Chang-Bier-Dreiertragerls aus Pappe gelingt es, das Insekt vom Körperpflegemittel zu trennen. Da spreizt das Vieh doch tatsächlich die Flügel und fliegt davon! Aber schon in der Dusche kann ich den Eindringling stellen und endgültig liquidieren. Zum Glück tut der Kakerlak mir den Gefallen, mit letzter Kraft in die Toilette zu springen, so dass ein gnädiger Wasserstrudel das Kapitel Haustiere beschließt. Generell kann ich nur raten: NIE Speisen mit ins Zimmer nehmen! Nicht nur Schaben, sondern auch Ameisen, Termiten, Affen, Mäuse und Ratten können ausgezeichnet riechen und finden leicht einen Weg in die menschlichen Behausungen. Draußen gibt es meist irgendeinen Nagel, wo man sein Obst anhängen kann, im schlimmsten Fall endet dasselbe dann als Speise wilder Tiere, aber lieber das als die Viecher im Zimmer.
Überhaupt die Tiere: an das
nächtliche Konzert von allerlei Getier haben wir uns inzwischen schon gewöhnt.
Aber niemals habe ich derart laute Zikaden gehört wie hier. Von der Melodie her
scheinen sie am ehesten eine Kreuzung zwischen Kreissäge und Messerschleiferei,
bezüglich der Lautstärke übertreffen sie beides bei weitem.
Leichtfüßig und trittsicher wie
die Berchtesgadener Gämsen trippeln wir an den chinesischen jungen Damen vorbei.
Mit Kleidchen und Hütchen bekleidet sind sie gleich bei den ersten schroffen
Abbrüchen des Pai Canyon stehen geblieben. Während die Mädels geschätzte 1000
Selfies schießen, wandern wir die Schlucht hinunter. Ein riesiger Bergrücken
aus Lehm und Kiesel verwittert hier langsam aber sicher. In den von Wasser und Erosion
gebildeten Canyons wachsen spärliche Bäume und Stauden, wir balancieren über
schmale Grate und klettern rutschige Abhänge hinauf und hinunter. Man könnte
hier sicher länger wandern, wir aber bleiben nur eine gute Stunde, bis wir vollkommen
durchgeschwitzt zum Moped zurückkehren und Richtung Wasserfall Pam Bok fahren. Die
nasse Kleidung klebt uns am Leib, auch im Fahrtwind trocknet sie nicht so
schnell, dafür ist sie zu salzig.
Am Ziel wird gerade ein
kleines Kassenhäuschen gemauert. Überhaupt stellen wir fest, dass für viele
Sehenswürdigkeiten, die früher kostenlos waren, inzwischen Eintritt verlangt
wird. Wir haben hier noch Glück und steigen die paar hundert Meter kostenlos
hinauf. Oben treffen wir auf einen Einschnitt im Karstgebirge, wo das Wasser
frisch, aber leider nicht ganz klar herabschießt. Zum Baden reicht es nicht
ganz, aber ein wenig abspritzen können wir uns hier.
Eine alte Eisenbrücke aus
der Zeit des zweiten Weltkriegs steht ein paar Kilometer außerhalb von Pai
direkt neben der später errichteten modernen Brücke. Viel zu sehen gibt es hier
nicht, am interessantesten finde ich die kleinen, terrassierten Reisfelder und
die dazu gehörenden Bewässerungskanäle daneben. Die jungen Chinesinnen sind
schon wieder da! Oder sind es diesmal andere? Jedenfalls würden sie mit ihren Kameras
die arme alte Brücke totschießen, wenn sie es nicht schon wäre. Die Mädels
werfen sich mit geschürzten Lippen in Posen wie die Filmstars. Wir überlegen
schon, ob wir die beiden auch mal fotografieren sollen? Wahrscheinlich würde
ihnen das gefallen.
Mit dem Moped geht es flink
die rutschigen und kurvigen Bergstraßen hinauf (und hinunter) zur Bamboo
Bridge. Ein sehr lieblicher Fleck! Die Gemeinde des Dorfes hatte die schöne
Idee, ihre idyllisch gelegenen Reisterrassen und den Tempel besser zu
vermarkten. Auch hier war der Eintritt früher kostenlos, lediglich eine Spende
war erwünscht. Nun kostet das Beschreiten der Bambusbrücke 30 Baht (~90 Ct). Dafür
wandert man über einen handgeflochtenen kilometerlangen Steg aus Bambus zum
Tempel des Ortes. Die Ruhe und Beschaulichkeit der Gegend ist wunderbar! Wir
nennen es das Auenland von Thailand.
Weiter nördlich gibt es eine
geologische Besonderheit: Vor ein paar Jahren erst taten sich recht ansehnliche
Spalten in der Erde auf. Die bis zu etwa zehn Meter tiefen und mehrere Meter
breiten Spalten beeindrucken uns sehr. Wir fragen uns, was geschähe, wenn sie
gerade jetzt weiter aufbrechen würden, wo wir hindurch wandern. Das Land gehört
einem Biobauern, der uns anbietet, durch seine Obst- und Gemüsegärten zu spazieren.
Touristen, die den sogenannten Land Split (gespaltenes Land) anschauen, können
dies nach wie vor kostenlos tun. Der Mann lädt sogar jeden Besucher zu einem
kleinen Imbiss mit Produkten seiner biologischen Farm ein: Es gibt Kürbiscracker,
Bananenchips, Tamarindenmarmelade und getrocknete Tamarinden, Sternfrucht und
dazu Rosellasaft. Uns gefällt die unaufdringliche Geschäftsidee des netten
Mannes. Ich möchte mehr über die Biolandwirtschaft in Thailand erfahren, aber
das Gespräch kommt nicht so recht in Gang, weil er fast gar kein Englisch
spricht. Natürlich steht da auch es eine Spendenbox. Wir geben anscheinend so
reichlich, dass seine Frau uns noch ein kleines Fresspaket aus Kürbischips und
Bananen auf den Weg mitgibt.
Ayutthaya war von 1350 bis 1767 die zweite siamesische Hauptstadt. Sowohl die Kultur als auch insbesondere der Handel boomten damals hier. Kaufleute aus aller Welt – ob europäisch, asiatisch oder chinesisch – ließen sich nieder und gegen Ende des 17. Jahrhunderts zählte die Stadt rund eine Million Einwohner. Ayutthaya war zu dieser Zeit eine der glanzvollsten Städte der Welt. Mitte des 18. Jahrhunderts kam es zu verheerenden Konflikten mit Birma und die gesamte Stadt wurde von den angreifenden Armeen niedergerissen. Die Schätze wurden geplündert, die Mitglieder der königlichen Familien versklavt. Das war ein Tiefpunkt für die gerade im Aufschwung befindliche Thai-Nation. General Taksin ließ drei Jahre später eine neue Hauptstadt ganz in der Nähe des heutigen Bangkok erbauen. Das war der Gnadenstoß für Ayutthaya, es wurde zu einer provinziellen Handelsstadt degradiert, die prachtvollen Bauten von einst verfielen mit der Zeit immer mehr. Heute ist die Stadt Weltkulturerbe und ein Anziehungspunkt für kulturinteressierte Touristen.
Wir sind zwei davon. Heute leihen wir uns mit die miesesten Fahrräder aus, die wir bisher auf der Reise überhaupt hatten. Bei meinem eiert das Tretlager sehr. Bei jeder Umdrehung der Kurbel rutscht mein Fuß fast vom Pedal. Durch die Achter in den Reifen schlingern die Drahtesel arg hin und her. Ich habe das Gefühl, als ob je ein dicker Mitfahrer auf dem Gepäckträger und auf dem Lenker sitzen und hin und her schaukeln würde. Trotz der Hitze fahren wir in rund sieben Stunden den Großteil der Altstadt ab. Die Ruinen der alten Prachtbauten sind verteilt über ein großes Areal von etwa drei mal zehn Kilometern, dazwischen ist eine moderne Stadt gewachsen. Antike Bauten stehen teils mitten in einem Wohngebiet oder zwischen Geschäftsstraßen. Größere zusammenhängende Areale sind zu Geschichtsparks zusammengefasst, für die man auch Eintritt bezahlen muss. Die Wats (Tempel), Stupas, Klöster und königlichen Paläste waren allesamt aus Backsteinen errichtet. Vielfach stehen nur noch Grundmauern, doch einige Wats sind noch fast vollständig. Manchmal gibt es noch Reste von kunstvoll verziertem Putz und Stuck mit Ornamenten und Figuren. Allgegenwärtig sind die Bruchstücke hunderter, besser tausender Buddhastatuen. Meist sitzen bloß noch die Beine im Lotussitz auf einem Sockel, oft wurden Teile der Torsi wieder aufgerichtet, ganz selten sind noch Kopf und Arme vorhanden.
Berühmt ist der Sandsteinkopf eines Buddha, der von den Wurzeln einer Würgefeige umschlossen die Besucher nachsichtig anzublicken scheint. Leider ist die Wandmalerei im Wat Ratchaburana zur Zeit nicht zu besichtigen, da sie renoviert wird. Trotzdem sind wir nicht vergeblich die steilen Stufen auf den pyramidenartigen Turm hinaufgeklettert. Oben treten wir durch eine dunkle Öffnung und gelangen in einen hohen, sehr engen Gang, dessen Wände sich einander zuneigen. Der Raum verjüngt sich dadurch nach oben hin und es ist fast vollständig dunkel. Die schwül-feuchte Luft hier drin ist so dicht, dass wir sofort klatschnass sind. Im Licht meines Mobiltelefons erkenne ich über mir ziemlich stattliche Fledermäuse, die in Trauben an der Decke hängen, einige fliegen auf und flattern um unsere Köpfe.
Per Zug fahren wir weiter nach Chiang Mai: zehn Stunden Reisedauer, doch dies ist nur ein Zwischenstopp, wir suchen uns ein günstiges Zimmer und fahren am nächsten Morgen weiter nach Pai.
Per Minibus von Chiang Mai nach Pai – schon beim Einsteigen fragen wir uns, wie das funktionieren soll. Der Toyota hat 14 Sitzplätze inklusive Fahrer. Ein Kofferraum ist so gut wie nicht vorhanden. Am Bus sind wir mit die ersten, bald kommt eine Gruppe mit sechs Amerikanern, dann eine Japanerin und eine Thai, schließlich noch zwei Briten und zwei weitere Amis. Beim Einladen des Gepäcks beginnt das Hauen und Stechen. Jeder Passagier hat mindestens einen Rucksack dabei, die meisten davon liegen in der Klasse zwischen 70 und 80 Liter, also Riesengeräte. Keiner möchte gern, dass sein Gepäck zuunterst liegt. Wer kennt noch Tetris? Das Einschichten von Menschen und Material wird zu einer Art Drück- und Schiebespiel. Als endlich alle sitzen, machen wir noch Witze über die vier roten Nothämmer, die über unseren Köpfen am Dach befestigt sind. Kein Mensch möchte in einem derartig voll besetzten Fahrzeug in eine Notsituation kommen – wir sind ja so schon komplett eingeklemmt. Zum Glück fährt der Chauffeur ziemlich vernünftig. Zuerst geht es eine Stunde über recht gerade Fernstraßen, dann weitere zweieinhalb Stunden über Serpentinen bergauf, bergab, dann wieder bergauf, eine Kurve nach der anderen, ohne Unterbrechung. Ich bin froh, dass es niemandem schlecht wird. Auch wir haben auf ein Frühstück verzichtet und auch bisher nichts getrunken. Die Landschaft ist schön, wir sind im immergrünen tropischen Regenwald unterwegs und durch die steilen Berge gibt es immer wieder grandiose Ausblicke in die Täler, die wir bereits durchfahren haben. Ab und zu ist ein Stück Straße wegen Hangabbrüchen weggerutscht, aber alle Gefahrenstellen sind vorbildlich markiert: Jeweils genau an der Abbruchkante stehen ein paar kleine orange Warnhütchen herum. Ein Glück, dass sie noch nicht vom Wind in den Abgrund geweht wurden. Wir passieren eine Unfallstelle. Ein Pickup hat sich hier erst vor ein paar Minuten überschlagen und liegt auf dem plattgedrückten Dach eingeklemmt zwischen Felswand und Straßengraben. Eine aufgeregte Frau läuft auf der Straße herum, die Polizei ist vor Ort. Für die Insassen sehe ich wenig Überlebenschancen.
Wir kommen zum Glück gut in Pai an. Die überwiegend junge Reise- und Partygemeinde findet in der netten Kleinstadt die besten Gegebenheiten. Pai liegt in einem lieblichen Tal, man kann von hier aus sehr gut Ausflüge in die Natur rundherum unternehmen. Für heute begnügen wir uns aber damit, eine kleine Hütte in einem dschungelartigen Garten am Stadtrand zu mieten und von da in eins der besseren Hotels zu flanieren, wo eine Liveband exzellenten Jazz spielt sowie Reggae und Rock von Marley bis Santana interpretiert.
Gleich unterhalb unseres Gärtchens liegt der Fluss. Als wir über die Brücke spazieren wollen, stellen wir fest, dass das Wasser dieselbe anscheinend vor kurzem weggespült hat. Bei der nächsten Brücke, ein paar hundert Meter weiter ist es das selbe.
Am nächsten Tag erfahren wir, dass der Fluss in diesem Jahr bereits vier mal so starkes Hochwasser geführt hat. Zum Glück steht unsere Hütte auf Stelzen.
Liebe Freunde, liebe Leserinnen und Leser, vielleicht habt ihr es schon bemerkt, es gab technische Probleme mit dem Server unseres Blogs. Wir sind jetzt im Norden Thailands in Pai in einer netten kleinen Dschungelhütte. Der Internetzugang hier ist sehr gut, solange wir Strom haben. Ich hoffe, das Problem bald gelöst zu haben.
Der Park hat seinen Namen von den mythischen dreiköpfigen Elefanten. Berühmt ist er vor allem wegen des wunderbaren siebenstufigen Wasserfalles. Um dorthin zu kommen, steht wieder mal eine Busfahrt an, diesmal nur zwei Stunden. Das Fahrzeug ist schon ziemlich betagt. Ehrlich gesagt, habe ich noch nie zuvor einen Bus mit einem Fußboden aus Holzplanken gesehen.
Der Nationalpark gefällt uns sehr. Nach den doch relativ kultur- und tempellastigen letzten Tagen tut uns ein wenig Natur gut. Schön, dass hier sehr auf Müllvermeidung geachtet wird. Jeder Besucher muss an einer Kontrollstelle seine Wasserflaschen herzeigen und dafür ein Pfand hinterlegen. Dies bekommt man auf dem Rückweg nur zurück, wenn man die Flaschen wieder vorzeigt. Auch Essensvorräte sind nicht erlaubt und müssen hinterlegt werden. Wir wandern vom Besucherzentrum aus ein paar Kilometer bergauf, bergab an einem kleinen Flüsslein entlang. Hauptsächlich bergauf natürlich. Der Pfad führt uns durch den immergrünen Regenwald von Thailands Westen, wir sind schon ziemlich nahe der Grenze nach Myanmar (Birma).
Alle paar hundert Meter hat das kalkhaltige Wasser Sinterterrassen gebildet, teilweise badewannengroß, teilweise größer als ein Pool. Natürlich machen wir uns den Spaß, hinein zu hüpfen. Manchmal kann man sogar unter dem Vorhang des Wasserfalls hindurchtauchen und dahinter auf die Kalkfelsen klettern. Die Becken sind voller Fische aller Größen, die uns die strapazierte Hornhaut von den Füßen knabbern. Wir bewundern die grandiose Natur! Bunte, teils riesige Schmetterlinge umflattern uns auf dem Abstieg. Vor den diebischen Affen müssen wir uns in acht nehmen. Der Tag klingt aus auf unserer Floßhütte. In der Dämmerung beobachten wir hunderte Fledermäuse über dem Wasser bei der Jagd nach Insekten.
Unsere Terrasse schwebt einen
halben Meter über der Wasseroberfläche, ein dichter Gürtel Lotusblumen umgibt
uns. Unter dem Steg können wir bunte Fische mit roten Flossen beobachten und vorhin
ist ein großer Bindenwaran vorbei geschwommen. Wir sind hier Untermieter bei
einer Gruppe Geckos. In Kanchanaburi haben wir ein Zimmer auf einem Bambusfloß am Kwai River.
Die Todesbrücke
Die Brücke über den Kwai ist
berüchtigt. Der Bau der Bahnlinie von Kanchanaburi nach Myanmar kostete mehr
als 12.000 westliche Kriegsgefangene und über 80.000 asiatische Zwangsarbeiter
das Leben. Die Japaner wollten sich durch diese Bahn im zweiten Weltkrieg wichtige
Bodenschätze und Erdöl sichern sowie die Nachschublinien des Generals Chiang
Kai-shek in China unterbinden. Die armen Menschen mussten für den 415 Kilometer
langen Abschnitt der Thailand – Burma Railway nicht nur diese, sondern insgesamt
über 688 Brücken errichten, die meisten davon aus Holz. Über das erschütternde
Los der Bauarbeiter, die unter schrecklichen Bedingungen im bergigen Dschungel
des Grenzgebietes zum heutigen Myanmar schuften mussten, informiert ein Museum
direkt neben den Kriegsgräbern. Die Brücke selbst wurde von den Alliierten
zerbombt und später wiederaufgebaut. Heute ist sie ein touristischer Anziehungspunkt.
Die Souvenirläden verkaufen den selben Kram wie überall sonst: T-Shirts,
Käppis, Plastikbuddhas… Ein Selfie an diesem Ort finden wir völlig unangebracht,
aber die meisten Besucher teilen unsere Einstellung nicht. Mich wundert bloß,
dass auf den Massengräbern keine Selfies geknipst werden.
Die Reise nach Bangkok war anstrengend. Viel Schlaf gab es in dieser Nacht nicht für uns, doch endlich ist das Ziel erreicht: Nahe der Khao San Road steigen wir aus dem Transferbus vom Suvarnabhumi Airport und erreichen zu Fuß ein Guest House, das wir uns vorher im Lonely Planet ausgesucht hatten. Viele, besonders die jungen Reisenden schwören ja auf die elektronischen Helferlein wie booking.com und trip advisor. Wir halten es eher mit der klassischen Methode: Ankommen, schauen, vergleichen, einchecken. Nicht, dass wir unbedingt immer noch den letzten Cent heraus verhandeln wollen. Keineswegs. Aber die Fotos auf den Internetangeboten sind derart geschönt, dass man sich daraus eher kein Bild machen kann. Ob die Matratze durchgelegen oder das Moskitonetz löchrig ist, die Klospülung oder die Beleuchtung funktionieren, merkt man eigentlich nur vor Ort. Freilich sind die Ansprüche unterschiedlich. Wer möchte, kommt im Schlafsaal mit Gemeinschaftsklo sehr günstig unter. Das geht schon für 5€. Wir sind da doch ein wenig verwöhnt und nehmen gern ein klassisches Doppelzimmer mit Bad. In Bangkok ist das in guter Lage um die 600 Baht (~20€) zu haben, in Sri Lanka etwas günstiger. Beim ersten Spaziergang erwischt uns dann auch prompt wieder ein Monsunschauer, eine halbe Stunde harren wir unter der Markise eines Seidenladens aus. Eine Kneipe wäre uns lieber gewesen.
Im Vergleich zu Sri
Lanka ist es hier schon viel weiter entwickelt. Deutlich bessere Infrastruktur,
ein gut ausgebautes Straßensystem. Mehr Verkehr per Bus, Bahn, Taxi,
Threewheeler, Moped und Roller, mehr unterschiedliche Geschäfte für Bedürfnisse
jeder Art, mehr modischer Schnickschnack. Mehr Steckdosen im Hotelzimmer. Wir
haben jetzt sieben Stück auf zwölf Quadratmeter! So viele Elektrogeräte haben
wir gar nicht dabei. Obwohl auch hier recht sorglos mit Plastiktüten umgegangen
wird, so ist doch das Umweltbewusstsein etwas besser. Zumindest gibt es eine
Müllabfuhr und Ansätze zu Trennung und Recycling. Die Straßenränder sind zwar
auch hier, wie in Deutschland oder anderswo gelegentlich von Plastiktüten und
ähnlichem Unrat verunziert, aber es ist kein flächendeckender Teppich mehr.
Von unserer Unterkunft ist es nicht weit zur berühmt-berüchtigten Khao San Road. Doch der Glanz der früheren Zeiten hat nachgelassen, wie uns scheint. Zuletzt waren wir hier vor drei Jahren. Der heutige Touristenrummel schreckt uns eher ein wenig ab, wir brauchen weder einen Maßanzug (70€, bis morgen fertig) noch ein Tattoo (Preis verhandelbar, erhältlich sofort). Da sind die Verlockungen auf dem Weg entlang der Phra Sumen Road schon eher interessant. Jeder Meter Gehsteig ist vollgestellt mit kleinen Garküchen, wo es die leckersten Sachen zu essen gibt: Obst, süßer Klebereis, Spießchen mit Fisch, Huhn, Tintenfisch, Teigtaschen mit jeder erdenklichen Füllung, Pad Thai und alle möglichen anderen Nudelgerichte und Suppen, panierte Hühnerbeine und -brüste, ganze oder filetierte Fische, alle Sorten gegrilltes Fleisch inklusive Heuschrecken und Vogelspinnen. Man kann sich etwas aussuchen oder bestellen, die Dame vom Grill bereitet die Speise sofort frisch zu. Stilecht essen ist natürlich eine Frage des Standpunktes. Mit Glück bekommt man am Straßenstand einen Teller, manchmal auch nur eine kleine Plastiktüte. Zum Essen kann man sich dann auf ein kleines Schemelchen setzen, bis der nächste Kunde den Platz braucht. Die Alternative ist ein normales Lokal, was wir uns natürlich auch schon geleistet haben. Allerdings kostet dann die Speise ein Vielfaches und ist nicht unbedingt besser, eher schlechter, weil nie so frisch.
Eben beginnt wieder ein tropischer Regenschauer – es regnet nicht, es schüttet. Auf der Straße steht das Wasser teilweise so tief, dass die vorbei fahrenden Autos breite Fontänen hochspritzen. Manche Leute laufen mit Schirm, manche stellen sich unter, einige haben kapituliert und gehen einfach so weiter. Gerade hat eine Frau auf der Straßenseite gegenüber ihre Flipflops in einer wadentiefen Pfütze verloren. Zum Glück schwimmen die Dinger. Uns ist es zum ersten Mal gelungen, den Regen nicht voll von oben abzubekommen. Wir sitzen auf der überdachten Terrasse vor unserem Guest House und lassen den Tag Revue passieren.
Begeistert sind wir von
den Baudenkmälern des Wat Phra Kaew und des Königspalastes. Die Giebel der hohen
Hallen sind zwei, oder dreifach gestaffelt und erheben sich mit kühnem Schwung
gegen den Himmel. Die Fassaden sind mit abertausenden winzigen Kacheln verziert,
mit Gold und Glas belegt. Eine Wandmalerei aus der Zeit der Gründung bedeckt
eine hunderte Meter lange Wand und lässt mich lange staunend entlang gehen. Der
Tempel des Smaragdbuddhas wurde 1782 geweiht und ist heute die größte
Touristenattraktion und Pilgerstätte der Stadt. Seit die
alte Hauptstadt Ayutthaya aufgegeben wurde und die Regierung nach Bangkok
verlegt wurde, haben hier alle folgenden
Herrscher immer neue Pagoden, Tempel, Ratshallen, Bibliotheken und Stupas
errichtet. Die Pracht der Anlage gereicht dem sprichwörtlichen Reichtum der
Könige von Siam zu Ehren.
Und doch weckt der Besuch der altehrwürdigen Stätten bei uns Aggressionen. Der Mensch aus dem Land der aufgehenden Sonne hat uns heute das Kraut ausgeschüttet. Jeder, der uns kennt wird bestätigen, dass wir friedfertige und tolerante Leute sind, die keinerlei Vorbehalte gegenüber Menschen anderer Nationalität, Herkunft, Hautfarbe oder Orientierung haben. In ungeheuren Massen treten hier chinesische Touristen auf, sie machen bestimmt drei Viertel der Besucher aus. Jeder Reisegruppe läuft ein Fremdenführer vorneweg, einen Teleskopstab hochgereckt, an dem wahlweise ein Fähnchen, ein Plastiktier oder sonstwas hängt, damit auch keines der Schäfchen seine Herde verliert. Von diesem Vorbeter werden überlaut und verstärkt per Megaphon die Sehenswürdigkeiten in einer marktschreierischen Art erklärt, dass daneben alles andere im akustischen Abseits versinkt. Laut und besitzergreifend drängen die Leute sich überall nach vorn. Dabei verhalten sie sich rüpelhaft und ohne jede Rücksicht auf andere.
Mehrfach wurden wir heute von Regenschirmen (die tragen sie, um ja nicht zu viel Sonne abzubekommen) und Selfiesticks (wozu die gut sind, weiß ich nicht) aufs Übelste gerammt – auf eine Entschuldigung kann man da lange warten. Es fehlt ihnen offenbar völlig das Bewusstsein für die Bedürfnisse anderer. Stattdessen rotzen und spucken sie, wo es nur geht, dass es unsereinem übel wird. Pietätlos lassen sie sich in jedem erdenklichen Winkel, bevorzugt mit dem Rücken zu den allgegenwärtigen Buddhastatuen ablichten oder fotografieren sich permanent selbst. Freilich, ich nehme auch Fotos auf – aber zuvor schaue ich. Manche Leute dagegen, scheint mir, trampeln bloß unreflektiert durch die Welt und betrachten dieselbe nur als Hintergrund für ihre Selfies. So, genug abgelästert. Morgen fahren wir Richtung Westen nach Kanchanaburi. Die historischen Relikte um die Brücke am Kwai River und der Erawan Nationalpark locken.
Menschen mit
Beeinträchtigungen, Elend und Abschied
In Sri Lanka haben wir nur wenige Bettler und Obdachlose gesehen. Einmal sind wir an einem Heim für Kinder mit „special needs“ vorbei gekommen. Ob diese Menschen eher versteckt werden, kann ich nicht beurteilen. Ein einziges Kind im Rollstuhl fiel uns bei einem Tempelbesuch auf, einen Mann im E-Rolli sahen wir in einem Straßencafe. Die Situation von Menschen mit Behinderung in Sri Lanka ist scheinbar immer noch recht schwierig. Bürgerkriege, Völkerwanderungen, Rückführungen, Relokalisierung, gepaart mit Tsunamis, Zyklonen, Dürren und Überschwemmungen haben eine ohnehin fragile Gesellschaft weiter geschwächt. Menschen mit Behinderung zählen stets zu den meist betroffenen Opfern. Im Straßenbild bemerkt man immer wieder Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen, besonders im Norden, Jaffna und im Osten habe ich Männer mit nur einem Bein oder nur einem Arm gesehen. Landminen liegen immer noch in weiten Teilen der vormals im Bürgerkrieg umkämpften Gebiete und fordern bis heute Opfer. In Trincomalee fiel mir ein einarmiger Fischer auf. In Negombo lebt am Lewis Place, nahe unserer Unterkunft ein gelähmter Mann auf der Straße. Er bewegt sich mit einer Art Rollstuhl mit Reifen, wie ein Fahrrad sie hat. Im Vorbeigehen sehe ich, wie er sich von seinem Sitz herunter lässt zum Bordstein, um sich zu erleichtern. Wenige Schritte weiter liegt ein Paar in der Einfahrt eines Geschäfts. Offenbar stehen sie unter Drogen, ich kann mir nicht vorstellen, wie jemand sonst hier in der Gluthitze auf dem Gehsteig liegen und schlafen kann. Später laufen wir am Strand entlang. Da, wo gestern noch die Fischer in der kleinen Hütte schliefen, stehen heute drei Polizisten und vernehmen Zeugen. Wir erfahren, dass der Mann, der zu ihren Füßen liegt, in der Nacht verstorben sei. Ich erinnere mich genau, dass ich ihn gestern noch an dieser Stelle gesehen habe. Das Elend ist tatsächlich auch im Paradies zu Hause.
Traumstrand… aber…
… am Spülsaum…
… Mikro- und Makroplastik, kilometerweit.
Für uns enden nun drei
Wochen auf der Insel, das nächste Kapitel heißt Thailand. Auch dort waren wir
schon, nun nehmen wir uns ein paar andere Ecken vor, die wir noch nicht kennen.
Nach ein wenig Herumfragen finden wir den richtigen Bus, der Fahrer öffnet für unsere Rucksäcke eine Klappe auf der linken Außenseite des Fahrzeugs. Ich hoffe bloß, dass das Gepäck nicht total verdreckt und zerschlissen wieder heraus kommt. Werkzeug und Ersatzschläuche liegen auch in diesem staubigen Gelass. Ich frage noch vor dem Einsteigen, wann die Fahrt losgeht. Darauf blickt der Mann nachdenklich auf sein nacktes Handgelenk und meint nach ein paar Sekunden: twenty minutes. Also Zeit genug, etwas Obst und ein Gebäck zum Frühstück zu besorgen. Wieder kostet der Bus lächerliche 200 Lkr, (~1€) für 140 Kilometer, dafür sind wir abermals von 7:30 bis 12:00 unterwegs. Am Bus Stand in Pollonaruwa werden wir diesmal nur von einer kleinen Traube TukTukfahrern erwartet. Einer davon gewinnt unser Vertrauen.
Er bringt uns in sein Guesthouse am äußersten Rand der Siedlung zwischen einem Wäldchen aus Mango- und Papayabäumen, Kokospalmen, Bananenstauden und einem großen Reisfeld, das sich bis zum Damm des großen Stausees Bendiwewa erstreckt. Die Lodge hat nur vier Gästezimmer und wir sind die einzigen Gäste. Die Ruhe hier bietet eine angenehme Abwechslung zu der sonstigen lärmigen Betriebsamkeit überall. Der Familienbetrieb wird von Onkel und Neffe geführt, beide fahren TukTuk und sichern sich so ab und zu Gäste. Daneben gibt es noch den guten Hausgeist, trotz seiner eher mäßigen englischen Sprachkenntnisse ein sehr gesprächsfreudiger junger Mann, der hier putzt, kehrt und auf der Terrasse Bollywoodmovies anschaut. Er ist nicht der hellste Stern am Firmament, aber sehr freundlich und tierlieb. Schließlich gibt es noch Hinkebein, einen großen blonden Hund mit verkrüppelten Vorderbeinen, der stets mit einem Stupser seiner Schnauze Streicheleinheiten fordert.
Den Nachmittag verbringen wir mit einer längeren Radltour entlang des Sees und der Bewässerungskanäle, wo die Menschen Wäsche waschen und sich baden. Die Stadt ist so weitläufig, dass wir uns ein wenig verfahren und erst in der Dämmerung wieder nach Hause finden. Unser Hauswirt fragt uns schon auf der Fahrt, was wir essen möchten. Es gibt nämlich ein Restaurant, wo Fried Rice gemacht wird, eines wo es Rice Curry gibt und schließlich Pizza Hut. Letzteres kommt für uns nicht in Frage, obwohl wir mittlerweile die singalesische Speisekarte schon mehrfach rauf und runter gegessen haben. Generell kann man die hiesigen Restaurants nicht mit unseren vergleichen. Zumindest nicht die in unserer Preisklasse. Mit riesigen knallbunten Leuchtreklamen wird der zur Straße offene Laden beworben. Meist gibt seitlich einen (wegen der Fliegen) mit Glasscheiben abgetrennten Küchenbereich, wo man den armen Köchen bei der Arbeit zuschauen kann. Show Cooking in der Sauna, sozusagen. Der Gastraum ist wenig gastlich, man sitzt meist auf Plastikstühlen unter Leuchtstoffröhren. Wer will da schon länger sitzen bleiben? Bezahlt wird gleich nach dem Essen beim Chef, der wiederum abgesondert hinter seiner Kasse auf einem erhöhten Sessel thront. Mag sein, dass die Lokale in den exklusiven Hotels wohnlicher gestaltet sind. In Touristengegenden entlang der Hauptstraßen speisten wir auch schon in etwas gemütlicheren Kneipen; meist waren dies aber Ein-Frau-Betriebe und der Service entsprechend schleppend. Gestern erst hatte ich in so einem Laden ausgezeichneten Prawn Fried Rice, also gebratenen Reis mit Gemüse und Garnelen. Die Bedienung verschwand gleich nach Aufnahme der Bestellung nach hinten zum Kochen und tauchte auch nicht mehr auf, bevor das Essen fertig war. Andere Gäste hätten solange Pech gehabt. Bier gibt es übrigens nur auf Nachfrage; auf der Karte steht es nie. In überwiegend christlich bewohnten Gegenden hat man gute Chancen auf ein Lion Lager, an touristisch entwickelten Stränden ist es sowieso kein Problem, da gibt es sogar Cocktails. Als ich in Jaffna nach einem Bier zum Abendessen fragte, meinte der Kellner das sei kein Problem, er würde schnell eines besorgen. Ich weiß nicht, ob er sich wirklich auf sein Moped gesetzt hat und zum nächsten Wine & Liquor Shop gedüst ist oder vielleicht doch irgendwo einen kleinen Vorrat im Kühlschrank hatte. Das Bier kam jedenfalls nach ein paar Minuten und war gut gekühlt recht genießbar.
Polonnaruwa ist die letzte wichtige Stätte im kulturellen
Dreieck. Hier war im 11. Und 12. Jahrhundert
der Königshof, nachdem Anaradhapura von den Herrschern aufgegeben wurde.
Ähnlich wie dort erstrecken sich die Ausgrabungsstätten über etliche Kilometer,
am besten lassen sie sich per Fahrrad erkunden. Schon früh radeln wir los und
versorgen uns noch mit eisgekühltem Wasser. Der Eintritt ist mit 4000 LKR (~20€)
ziemlich gesalzen, doch die Ruinen sind wirklich sehenswert. Königspaläste,
Bäder, Ratshallen, Mönchskloster, Stupas, sitzende, stehende und liegende
Buddhas sowie Hinduschreine verteilen sich auf einer großen lichten Waldfläche.
Der Tag ist flirrend heiß und wir sind dankbar, die meiste Zeit im Schatten gehen
oder radeln zu können. An jeder Sehenswürdigkeit lauern lästige
Andenkenverkäufer und diebische Affen – einer klaut mir tatsächlich eine Tüte
mit Rotis (kleine Fladenbrote) aus der Außentasche meines Rucksacks.
Am besten gefallen mir die kunstvollen Steinreliefs an den Ruinen: Löwen,
Elefanten, Büffel und Mataras, das sind krokodilartige Fabelwesen mit
Stoßzähnen und Rüsseln, die oftmals Treppenläufe säumen und aus deren
weitaufgerissenem Maul eine riesige, aufgerollte Zunge quillt, die als
Balustrade für die Treppe dient.
Die historischen Stätten
waren jahrhundertelang in Vergessenheit geraten und vom Dschungel überwuchert.
Erst im 19. Jahrhundert stolperte ein britischer Offizier über die Relikte, später
wurden die Stätten vom Bewuchs freigelegt, später archäologisch gesichert und
restauriert. Ständig müssen Arbeiterinnen die Flächen mit Besen kehren und
junge Pflanzen entfernen, sonst würde die Vegetation binnen Monaten die historischen
Reste wieder verschlingen. Wir beobachten, wie die Wurzeln der Würgefeige Mauern
sprengen, Termitenbaue wachsen in Bäume, Terassen, Treppen hinein.
Generell ist die alte Königsstadt und jetzige Hauptstadt der Zentralprovinz sehr sehenswert, denn im hiesigen Zahntempel wird die wichtigste Reliquie des Buddhismus aufbewahrt: Ein Eckzahn Buddhas. Einmal im Jahr feiert man hier das größte buddhistische Fest ganz Asiens: Esala Perahera. In der Festwoche, so haben wir gehört, steigert sich das Ausmaß und der Prunk der allabendlichen Prozession von Tag zu Tag.
Zum Festival strömen zigtausende Gläubige nach Kandy. Die Unterkünfte sind normalerweise ausgebucht bis zum letzten. In diesem Jahr scheinbar nicht ganz so. Die Anschläge haben viele Gäste, besonders die ausländischen abgeschreckt. Nichtsdestoweniger sitzen schon Stunden vor Beginn des feierlichen Umzugs tausende Leute, junge Menschen, Kinder, Greise, ganze Großfamilien auf den Gehsteigen entlang des kilometerlangen Prozessionsweges, um sich einen guten Platz zu reservieren. Polizei und Militär sind sehr präsent, ab Mittag kann sich keiner mehr dem Zentrum nähern, ohne gründlich abgetastet und durchsucht zu werden. Das ist zwar beruhigend, aber ein leichtes Unwohlsein bleibt dennoch im dichten Menschengedränge.
Am Vortag hatten wir bereits versucht, uns etwa zwei Stunden vor Beginn einen passablen Stehplatz zu sichern – nach einer Stunde aber aufgegeben, weil uns das Geschiebe und Geschubse zu viel wurde. Heute, am vorletzten Prozessionstag gehen wir erst los, als wir vom Balkon unseres Guesthouse aus die ersten Tänzergruppen gegenüber am anderen Ufer des Sees beim Zahntempel aufbrechen sehen und hören. Der Plan geht auf: Zwar ist es auch hier eng, jedoch finden wir ein Plätzchen mit gutem Blick. Festlich herausgeputzte Tänzer, Trommler, Zimbler, Sänger, Flötenspieler und Fackelträger bewegen sich im Takt der Musik langsam die Straße entlang, in perfekter Präzision und synchron, oftmals drei Schritte voran, zwei zurück. Fast jede Tänzergruppe wird gefolgt von einem nicht weniger feierlich geschmückten Elefanten, der eine prachtvolle bunte, gold- und silberbestickte Decke trägt, einen oder mehrere Reiter und Lichterketten um den Kopf. Ob die Elefanten das Ganze gut finden, wage ich zu bezweifeln. Sie nehmen jedenfalls oftmals den Rhythmus auf und schwingen die Köpfe im Takt oder tänzeln zur Musik. Tempelelefanten haben angeblich ein angenehmes Leben, verglichen mit Arbeitselefanten oder den armen Tieren, die schwere Gondeln mit Touristen schleppen müssen. Insgesamt sind es bestimmt 30 bis 40 Tiere, offenbar sind sämtliche Tempelelefanten Sri lankas hier versammelt. Nach zwei Stunden etwa haben wir den Großteil des Zuges gesehen, mein rechter Arm ist taub vom Hochrecken der Kamera, der linke vom Umklammern der Tasche mit Pass und Geld. Zufrieden wandern wir zurück ins Hotel, als wieder sintflutartiger Regen einsetzt. Der Zauber des Peraherafestes, der angeblich jedes Jahr für eine Prozession ohne Regen sorgt, hat fast bis zum Ende gehalten.