Schwitzen

Die Nacht verbringen wir im verschlafenen Pak Beng, hier ist so gut wie gar nichts los. Abends auf dem Heimweg vom indischen Lokal entdecke ich einen Blechschuppen, in dem ein paar Männer an zwei riesigen Tischen Poolbillard spielen. Das scheint der einzige Freizeitspaß zu sein. Abends schieben die Einwohner ihre Mopeds und Roller in die Hausflure, wir sehen sogar Pickups im Wohnzimmer geparkt.  

Am nächsten Tag geht es mit einem anderen, etwas rustikaleren Boot weiter. Die Bordtoilette verfügt über eine manuelle Kellenspülung mit Flusswasser. Auf dem Boden schwappt es. Spa anders. Die Landschaft ist ähnlich wie gestern, vielleicht noch etwas wilder. Die Mannschaft lädt das Gepäck vom vorderen in den hinteren Teil des Bootes um, damit der Kahn stabiler im Wasser liegt. Kurz darauf wissen wir, warum: Stromschnellen und Untiefen wechseln sich ab, sie machen die Fahrt kurzweilig und interessant. Ab und zu kommt ein kleiner Schwall Wasser herein und tauft den einen oder andern Passagier. Auf vielen der Felsen im Wasser sind drei- oder vierstufige Betonsockel errichtet, die bei Hochwasser vor dem Hindernis warnen. Jetzt ist wenig Wasser im Fluss. Bambusstangen stecken überall und warnen vor tückischen Untiefen. An einem der Zwischenstopps stehen Wasserbüffel am Ufer und kratzen sich an einem eisernen Pfahl. Kleine Kinder kommen an die Bordwand und verkaufen bunte Armbändchen.

Mit Paola und Timo, zwei Travellern aus der Nähe von Frankfurt, unterhalten wir uns gut. Die jungen Leute sind auch schon ziemlich weit herumgekommen. In Luang Prabang legt das Slow Boat außerhalb der Stadt an. Ich bin ein wenig verärgert, denn es gibt natürlich auch im Ort Anleger. So aber müssen wir erstmal das Gepäck über eine sehr steile, lange Treppe hinaufschleppen. Oben wartet eine Traube junger, kraftstrotzender Tuktukfahrer auf die schwitzenden Westler. Pro Nase kostet die Fahrt ins Zentrum 20000 Kip (~2€). Wir lotsen den Fahrer mit MapsMe, einer sehr  empfehlenswerten Handyapp zu dem Hotel, das wir uns ausgesucht haben. Das Zimmer ist das modernste, das wir bisher hatten: Ein ultramodernes Bad, Kühlschrank, jede Menge Steckdosen, die zur Abwechslung mal keine funkensprühenden Wackelkontakte produzieren, drei helle Lampen – wir sind inzwischen an schummrige Funzeln gewöhnt. Leider ist es ein Dreibettzimmer und deshalb ein wenig eng. Morgen werden wir umziehen.

Eine schweißtreibende Nacht liegt hinter uns. Wir fühlen uns wie Sticky Rice, der Klebreis, der hier überall gegessen wird. Und das trotz Klimaanlage. Wenn diese nämlich zu stark kühlt, bekommt man trockene Schleimhäute und leicht eine Erkältung. Wenn sie zu wenig kühlt, schwitzt man selbst im Schlaf. Sobald wir unser klimatisiertes Zimmer verlassen, ist es, wie wenn wir gegen eine Wand laufen würden. Doch der Tag wird noch viel schlimmer, zumindest klimatisch. Ich leide. Normalerweise neige ich nicht besonders zum Schwitzen, aber hier läuft ein beständiger Strom von meiner Stirn in die Augen. Keine Chance, das noch irgendwie abzuwischen. Vom restlichen Körper zu schweigen. Um neun Uhr morgens sind wir komplett nass geschwitzt, obwohl wir auf Leihfahrrädern die nette Stadt Luang Prabang erkunden und so immer wieder ein wenig Fahrtwind genießen.

Die Stadt ist charmant. Hier stehen noch alte Villen aus der französischen Kolonialzeit. Zusammen mit dem tropischen Ambiente, den Palmen und Kletterpflanzen gibt das eine schöne Mischung. Zufällig geraten wir auf mehrere lokale Märkte, wo alles mögliche angeboten wird: Unter anderem riesige Frösche am Spieß und gekochte Hühnerköpfe und -füße. Wir besuchen eine Art FairTrade-Laden für Produkte lokaler Weberinnen und ein Museum über die vielfältigen Völkergruppen in Laos. Bei Big Brother Mouse kaufen wir ein Bücherpaket für mittellose Kinder in den Bergregionen. Die Organisation hat sich der Alphabetisierung der armen Landbevölkerung verschrieben. Eine sehr schöne Sache!

Abends bekommen wir unsere Wäsche vom Laundry-Service zurück. Es ist fast wie Weihnachten. Wenn man, so wie ich, nur zwei T-Shirts und zwei Hemden dabei hat, muss man täglich per Handwäsche das Nötigste reinigen. Aber nach ein paar Malen gelingt das nicht mehr so überzeugend. Zum Glück gibt es auf der Backpacker-Route überall günstige und gute Angebote, die unsere Schmutzwäsche innerhalb von zwölf Stunden reinigen und trocknen.

Wir sind Millionäre!

Die Busfahrt von Chiang Rai zur Grenze nach Laos ist relativ kurz, der altersschwache Bus braucht für die gut 100 Kilometer etwa zweieinhalb Stunden. Die thailändische Grenzstadt heißt Chiang Kong, ihr gegenüber in Laos liegt Houai Xai.
Von der Schnellstraße ein paar Kilometer außerhalb Chiang Kong bis zur Grenze müssen wir zunächst in ein Tuktuk umsteigen, anschließend die thailändischen Grenzformalitäten über uns ergehen lassen (zeitraubend, aber problemlos), ein Ticket kaufen, Geld wechseln (für 4000 Baht gibt es 1.140.000 Kip!), dann in einen Reisebus steigen, der uns über die Mekongbrücke bringt, das Visum für Laos beantragen, wiederum die Passkontrolle passieren, dreißig Dollar Einreisegebühr bezahlen (nur neuwertige Scheine!), nochmal ein Ticket kaufen und schließlich per Taxi in die Stadt Houai Xai fahren.
Die Gebäude der Grenze sind auf beiden Seiten riesig und pompös, es fehlt eigentlich bloß noch der echte Marmorfußboden. Die Straßen sind besser ausgebaut als so manche deutsche Autobahnen, aber nur auf den ersten paar hundert Metern ins Landesinnere. Auf laotischer Seite verwandelt sich der Weg dann flugs in einen kariösen Feldweg, der uns über löchrige, einspurige Brücken in die Grenzstadt führt.

Große Überraschung: Auf einmal sind die Lenkräder wieder auf der richtigen Seite und alles fährt rechts! Für uns ist das eine echte Umstellung. Wir suchen uns eine Unterkunft, was dank Nebensaison überhaupt kein Problem ist, essen etwas verspätet zu Mittag und laufen dann ein wenig durch den verschlafenen Ort. Das Preisniveau ist deutlich niedriger als in Thailand, das noble Hotelzimmer kostet ~10€, zwei Espressi und ein Stück Kuchen ~2,50€, ein Bier ~1,00€. Um halb acht Uhr abends werden dann hier auch die Bordsteine hochgeklappt und es ist nichts mehr los.

Uns ist es recht, denn morgen früh geht’s per Slow Boat auf den Mekong. Wir werden das Goldene Dreieck hinter uns lassen und uns wieder Richtung Südosten bewegen. Mit etwa 20°N haben wir den nördlichsten Punkt unserer Reise erreicht, es wären jetzt noch 220 Kilometer Straße bis China, Luftlinie 130 Kilometer.