Chao Bom

Auf der paradiesischen Insel Santiago gab es ein Konzentrationslager. Portugals Diktator Salazar hat es 1936 errichten lassen, um hier Regimekritiker wegzusperren. Später wurden auch Kolonialgegner und Aufständische aus Angola, Guinea-Bissau und den Kapverden hierher deportiert.

„O campo da morte lenta“ – Das Lager des langsamen Todes wurde Chao Bom genannt. Viele der unglücklichen Inhaftierten überlebten die schweren Haftbedingungen nicht lang und starben an Zwangsarbeit, Tropenkrankheiten und Mangelernährung. Erst 1974, nach der Nelkenrevolution in Portugal wurde das Lager geschlossen und die Insassen befreit. Viele von ihnen trugen schwere physische und psychische Schäden davon.

Tauchen in Tarrafal

Das Tauchen in Tarrafal ist bequem und macht Spaß. Georg von Santiago Diving ist sehr freundlich und die Jungs kümmern sich um alles. Thunfische sieht man am Hausriff Thuna point zwar keine mehr, aber reichlich Kleingetier, wunderschöne Flavonellas und einige Muränen

Frei schwimmender Schlangenaal

Besonders die Schlangenaale gefallen mir!

Tauchen in Tarrafal

Fischsuppe am Dropoff

Muräne
Flötenfisch
Zwei Muränen
Igelfisch

Aluguer nach Tarrafal

Vier Leute sitzen schon drin. Ob wir auch nach Tarafel wollen, fragt der Mann mit dem Basecap. Ja, klar. Ich frage, wieviel es kostet, bin aber nicht sicher, ob ich ihn verstanden habe. 300? Er packt unsere Rucksäcke irgendwie in den Kofferraum, den der Toyota eigentlich gar nicht hat.

Aluguer Toyota Hiace

Wir steigen ein. Die Sonne brennt aufs Dach. Eine Viertelstunde. Eine alte Frau wird von ihrer Begleiterin zu unserem Aluguer geführt. Mit Hilfe schafft sie es, einzusteigen. Ein junger Mann schlendert daher. Außer uns jetzt sieben oder acht Fahrgäste.

Warten

Der Mann, der draußen die ganze Zeit hingebungsvoll mit einem kleinen Pinsel die Scharniere eines Rollstuhls putzt – fährt er auch mit? Ja, offenbar, denn er kauft jetzt panierte Hühnerstücke von einer Händlerin und teilt den Proviant mit der Frau und dem Kind in der zweiten Reihe. Es stinkt. Der Bus wird erst losfahren, wenn er bis zum letzten Platz besetzt ist. Die Sonne brennt immer heißer. Zum Glück schält jemand eine Orange, das riecht gut.

Noch lachen wir

Noch immer zwei Plätze frei. Eine halbe Stunde, eine dreiviertel Stunde. Auf Santiago hat man Zeit. Plötzlich geht es schnell: Ein mittelaltes Paar zwängt sich zu uns. Ob da noch frei ist? Natürlich. Es geht los. Doch halt, da kommen noch zwei Mädels von siebzehn, achtzehn Jahren. Zum Glück sind sie schlank. Der Fahrer schiebt ein Brett in den winzigen Zwischenraum zwischen mir und dem Notsitz neben mir. Nun sitzen wir alle derart dicht eingezwängt, dass sich nichts mehr rührt. Wir fahren. Doch stop, der Junge da mit dem Afro möchte auch noch mit. Den Protest eines Mitreisenden lässt der Fahrer nicht gelten: Für die nächsten eineinhalb Stunden sitzt der etwa fünfzehnjährige halb auf dem Schoß des Protestierers, halb steht er auf dem Trittbrett der Schiebetür.

Siebzehn großteils erwachsene Leute, die meisten groß gewachsene Menschen, drei davon dünne Teenager und ein Mädchen von etwa zehn Jahren, ein klappbarer Rollstuhl, zwei große Travellerrucksäcke und einiges an Kleingepäck passen in den Hiace. Zum Glück ist heute Sonntag, der Markt ist geschlossen. Sonst wären sicher auch noch Hühner und Schweine sowie Kinderbadewannen voller Fisch mit den obligatorischen Fliegen an Bord.

https://youtube.com/shorts/RgSwzzB76Yk?feature=shared

Der Fahrer ist völlig durchgedreht, wir fürchten um unser Leben. Er kennt nur Gas oder Bremse. Zum Glück muss er bei den Speedbumps fast auf Schrittgeschwindigkeit abbremsen. Aber dann geht’s sofort mit Vollgas weiter. Die Straße ist kurvig, meist eng und es führt steil auf und ab. Der Motor heult auf, wenn der Chauffeur herunterschaltet. Keine 500 Meter vor dem Ziel reißt der Mann von der Sitzbank hinter uns das Schiebefenster auf und erbricht sich bei voller Fahrt nach draußen.

900 CVE, etwa 8€ kostet der Höllenritt. Nächstes Mal fahren wir Taxi, auch wenn es zehnmal so viel kostet.

Nach Assomada – das afrikanische Herz

Blick zurück auf die Orgaos
Auf dem Weg nach Assomada

Heute tauchen wir nochmals ein in afrikanische Märkte. Uns scheint, dass die Wirtschaft vor allem von den Frauen getragen wird, sie arbeiten in Geschäften, auf Marktständen, in den Unterkünften. Die Männer sind eher als Taxifahrer, Fischer oder am Bau tätig. Und sehr viele sind untätig. Schon vormittags torkeln Betrunkene auf der Straße herum.

Am Mercado Assomada bekommt man alles vom lebenden Ferkel bis zum kompletten Schlafzimmer. Die Berge mit gebrauchter Kleidung stimmen uns nachdenklich: Stammen die Sachen vielleicht aus unseren Altkleidercontainern daheim?

Sammelsurium an Kleidung

Man hört ja immer wieder, dass unsere Spenden nach Afrika exportiert werden und damit das Geschäft für lokale Hersteller kaputt machen.

Schon einmal von Norberto Tavares gehört? Der Künstler war und ist eine nationale Ikone der Kapverden, seine Musik prägend. Zufällig kommen wir an einem kleinen Museum zu seinem Andenken vorbei.

Zwei Straßen weiter liegt das SOS Kinderdorf der Insel Santiago. Die Mauer sieht einschüchternd aus, immerhin ist sie mit Streetart bemalt.

Streetart

Stillstand oder Aufbruch

Je weiter wir ins Landesinnere kommen, umso grüner wird die Landschaft, umso steiler und schroffer die Berge. Entlang der fruchtbaren Täler ziehen sich unzählige Terrassen. Hier werden Mais, Papayas. Süßkartoffeln, Zuckerrohr und andere Feldfrüchte angebaut. Die Bewässerung erfolgt durch Llevadas, offene Kanäle.

Unser Ziel ist das Bergdorf Sao Jorge dos Orgaos, St. Georg mit den Orgeln: Die steilen Bergklippen in der Umgebung erinnern an Orgelpfeifen. So starr wie die Berge, beinahe verlassen ist der Ort.

Ruine?
Kleiderangebot

Ein Haufen Klamotten liegt auf dem Gehsteig. Es ist keine Altkleidersammlung, sondern das hiesige Modeangebot.

Wir suchen einen Laden, um Wasser zu kaufen. Überall nur Hitze und Fliegen. Vor dem Quiosque gegenüber der Kirche sitzt eine junge Frau im Schatten. Sie lutscht einen Lolli und hört den kapverdischen Fado von Lldo Lobo auf dem Handy. Wir schleichen weiter. Da! Ein kleiner Laden. Gleich am Eingang steht das Schnapsregal, ganz hinten gibt es auch Wasser. Auf dem Rückweg bestellen wir Cola am Kiosk. Die Frau lutscht noch immer. Sie hat leider nur noch eine Flasche Cola, aber der Mangosaft schmeckt auch gut.

Bauernhof
Papaya

Abgesehen von der Hitze denke ich mir: Was für ein wunderschönes Land! Welch riesige Entwicklungsmöglichkeiten! Nicht umsonst investieren chinesische Geschäftsleute vielerorts.

Mittelständische Ladenbesitzer aus China lassen sich weltweit gerne nieder, so auch in Praia. Die chinesische Regierung hat dem Land vor wenigen Jahren eine neue Universität für über 50 Mio. Euro spendiert. Ganz zufällig liegt die chinesische Botschaft direkt gegenüber der kapverdischen Nationalversammlung.

Macaus Glücksspiel-Milliardär David Chaw lässt gerade ein Casino mit Vergnügungspark, Hotels und Marina am besten Platz in Praias Zentrum und auf der Insel vor der Stadt errichten. Bleibt nur zu hoffen, dass mit allem Fortschritt nicht die wunderbare Natur der Insel zerstört wird.

Baobab – Affenbrotbaum

Wir besuchen den botanischen Garten und sind begeistert von Baobab, Palisander, Trompetenblume und anderen tropischen Gewächsen.

Kletterkaktus Distelbirne
Flammenbaum

So weit kann die Zivilisation nicht sein: Ein Aluguer im BvB-Look!

Sammeltaxi vom BvB?

Geschichte

Älteste Kolonialkirche

Die Igreja nossa Senhora de Rosario ist die älteste Kolonialkirche der Welt, erbaut 1495 von den Portugiesen. Eine gotische Taufkapelle ist erhalten, mich beeindrucken die Schmuckfliesen am meisten, siehe Beitragsbild oben.

Ziegen

Die Ziegen kümmert es nicht, sie fressen unbekümmert an den Ficusbüschen.

Alte Kolonialhäuschen
Hier wären noch Immobilien frei…

Wir wandern weiter in der glühenden Hitze durch das trockene Flussbett, um das verfallene Franziskanerkloster zu besuchen. Das Highlight für uns sind hier die frischen Mangos, die wir von einer netten älteren Frau bekommen.

Mobilfunkmast auf kapverdisch

Am Strand ist es viel kühler. Wir sitzen und schauen lange. Die Fischer hatten Glück, die beiden Thunfische dagegen Pech.

Frisch gefangen

Immerhin wird hier der Fisch noch ganz traditionell von einem kleinen Ruderboot aus gefangen.

Cidade velha

Cidade Velha auch genannt Ribeira Grande de Santiago, ist die ehemalige Hauptstadt Kap Verdes auf der Insel Santiago. Sie liegt auf Meereshöhe direkt an der bewegten Atlantikküste, die Brandung ist praktisch überall in dem kleinen Ort zu hören.

Tatsächlich ist es die erste Siedlung auf den Inseln und zugleich die allererste Kolonialstadt, gegründet von portugiesischen Seeleuten 1492. Kurz darauf erhielt die Siedlung das königliche Monopol auf den Sklavenhandel und gewann danach rasch große Bedeutung in der unrühmlichen Geschichte. Geraubte Menschen aus Westafrika wurden von hier aus nach Brasilien und in die Karibik verschifft. Das große Tal von Ribeira Grande diente dabei als natürliches Gefängnis. In der Kirche wurden die Sklaven getauft und erzielten so höhere Preise.

Der Pelourinho (Pranger) aus dem Jahre 1512 erinnert an die Geschichte des Sklavenmarktes in Ribeira Grande.

Historischer Pranger

Christoph Kolumbus und Vasco da Gama machten hier Zwischenstopp auf ihren Reisen.

Ältere Herren beim Kartenspiel

Heute ist Cidade Velha ein kleines Fischerdorf, das ehemalige Tal der Sklaven wird landwirtschaftlich genutzt (Zuckerrohr, Kokosnüsse, Mangos).

Auf dem Weg zur Unterkunft
Im Garten

Stadt und Markt

Heute habe ich mich entschlossen, auf die Hose zu verzichten. Badehose genügt. Man ist ja eh immer naß. Ob vom Regen, vom Schwitzen oder von beidem.

Es gelingt uns, ein paar der Rätsel des hiesigen öffentlichen Nahverkehrs zu lüften: Mit Hilfe einer freundlichen Fischverkäuferin und einer Öffi-App kommen wir per Bus in wenigen Minuten ins Zentrum, wo wir gestern stundenlang gewandert und gewatet sind.

Straßenhandel mit Fisch

Die Pfützen stehen übrigens heute noch halbmetertief.

Wir stürzen uns ins Getümmel der städtischen Märkte: Der Sucupira Market bietet so ziemlich alle Gegenstände des täglichen Bedarfs; der Mercado Municipal führt Gemüse, Obst und Fisch. Alles wird frisch angeboten, die Buden sind allerdings sehr rustikal konstruiert. Weil die Dächer die Witterung nur recht lückenhaft abhalten besitzen die meisten Händler eine große Tonne, wo die Waren bei Abwesenheit verstaut werden.

Nach dem Einkauf dürfen wir die Marktfrau fotografieren. Ein bisschen steif ist das Model allerdings.

Autowäsche: Ein Aluguer sollte sauber sein.
Zentrale der Sammeltaxis

Gleich neben dem Mercado ist der Haupttreffpunkt der Sammeltaxis, Aluguers genannt. Die Fahrer kreisen hier um den Platz, während die Werber das Fahrtziel aus dem Beifahrerfenster schreien.

Schneemann – entsorgt

Tropische Sturzregen

Der Vormittag ist wichtigen Besorgungen vorbehalten: Wasser kaufen und SIM-Karten besorgen. Am Steilufer des Atlantik bestaunen wir die Brandung: Definitiv kein Badeplatz.

Nachmittags schlendern wir durch die Hauptstadt. Großteils wirken die Häuser ziemlich abgetakelt, Müll liegt fast überall herum und Straßenhunde stöbern darin nach Nahrung.

Im historischen Zentrum erwischt uns ein tropischer Starkregen. Dieser dauert zu lange, um ihn im nächsten Café auszusitzen.

Auf dem Rückweg bleibt kein Faden trocken. Auf der Straße spritzt das matschige Wasser meterhoch. Nahe der Favela, wo wir vorbei müssen, begegnen uns fröhliche Horden lachender Kinder und Jugendlicher. Sie feiern den Regen mit einem spontanen Fußballmatch im Matsch.

Nach Einbruch der Dunkelheit sollte man nicht mehr unbedingt auf der Straße unterwegs sein. Also trocknen wir uns und machen wir uns schon bald auf in eins der kleinen Lokale in der Nähe.

„Bauch sah Meer“ oder „Hasenlätzchen“? übersetzt uns Google. Egal, es schüttet schon wieder. Bald haben wir keine trockenen Sachen mehr.

Flug nach Kapverden

Die kapverdischen Inseln waren schon lange eines unserer Traumziele. Vor der Westküste Afrikas auf Höhe von Dakar, Senegal liegen die „Inseln über und unter dem Winde“. Die ehemalige Kolonie Portugals ist seit 1975 unabhängig. Ihre wechselvolle Geschichte und vielschichtige Kultur sowie die vom Massentourismus noch unentdeckte Natur ziehen uns an.

Atlantik bei Praia

Unsere Flugscham allerdings wird mit jeder Woche größer, die der Abflugtermin näher rückt. Gebucht haben wir vor einem dreiviertel Jahr, als der Nebel und die feuchte Winterkälte uns die bayerische Heimat so richtig unsympathisch machte. Nun sind wir unterwegs. Erster Zwischenstopp ist Lissabon, 32° C und schwüle Hitze. Große Waldgebiete in Kanada und anderen Ländern brennen seit Wochen. Und wir fliegen, genau wie tausende andere.

Streetart in Praia

Die Fliegerei passt uns gar nicht mehr, abgesehen von CO2 und Klimakatastrophe. Zudem sind wir wohl nicht mehr ausreichend leidensbereit. Schon der ganze Zirkus mit online Check-In, online Boarding und online Wasnochimmer nervt uns. Leider konnten wir unser Gepäck nicht online abgeben, das gibt’s noch nicht, aber immerhin drucken wir mit Bravour die obligatorischen Strichcode- Gepäckanhänger am entsprechenden Automaten im Terminal aus, weit und breit ist kein Mensch den man fragen könnte, aber wir schaffen auch das schon im zweiten Anlauf. Doch wohin jetzt mit den Rucksäcken? Wir stellen uns an der längsten Schlange an, irgendwo ganz weit vorn steht auch Baggage Drop. Als wir endlich nach einer knappen Stunde dran sind, erfahren wir, dass dies der Schalter für den Flug nach Bangkok ist. Zum Glück sind wir sehr zeitig dran, so schaffen wir es noch. Eine gute Stunde Verspätung verbringen wir dann – eingezwängt in der Economy Klasse.

Eingezwängt

Oh, hätte ich doch das Upgrade auf die Plätze am Notausstieg genommen, online natürlich. Zum Glück haben wir uns gut mit Brotzeit versorgt und die Trinkflasche gleich nach dem Security-Check wieder aufgefüllt. An Bord der TAP gibt es nur mikroskopisch kleine Speisen und Getränke zu exorbitanten Preisen.
Der Anschlussflug Lissabon-Praia hebt einigermaßen pünktlich ab, die Sitze sind aber noch enger als zuvor. Immerhin gibt’s nun doch noch einen kleinen Imbiss. Wir fliegen durch die Nacht. In Praia kommen wir kurz vor Mitternacht an, es ist ein sehr kleiner Flugplatz wo man noch zu Fuß durch die laue Nacht übers Rollfeld geht.

Nach 22 Stunden unterwegs geben wir uns hoffnungsvoll in die Hände des vorbestellten Fahrers, der uns tatsächlich zum gebuchten Guesthouse chauffiert.

Blick vom Fenster