Centro Storico Napoli und Ercolano

Allerbesten Espresso und dazu süße Teilchen gibt es morgens in jedem Straßencafé.

Dennoch: Überall in Neapel ist der Lack beziehungsweise der Putz schon ziemlich am Bröckeln, Müll liegt auf jedem freien Stückchen Platz. Zwischen dem Müll leben Obdachlose, viele davon Migranten aus Afrika und dem Nahen Osten. Ein paar Kartons, eine schmutzige Decke oder ein schmuddeliger Schlafsack, dazu eine Plastiktüte für die Habseligkeiten: So sieht die Schlafstätte aus, wenn man auf der Straße lebt.

Die Altstadt ist ein Gewirr aus kleinen Gassen, größeren Gassen, überraschend sich öffnenden Piazzas und ganz engen Gässchen, in die niemals ein Strahl Sonnenlicht dringen dürfte, so verschachtelt sind diese. Es gelingt uns ohne jede Mühe, uns mehrfach zu verlaufen.

Trotzdem stehen wir zwischenzeitlich auch mal vor dem Dom, dem Nationalmuseum sowie diversen Kirchen, von denen es überraschend viele gibt. Wo kein Platz für eine Kirche ist, haben die frommen Einwohner kurzerhand kleine oder größere Altäre an die Häuserwände geklebt. Dieser Tradition folgend wird wohl auch der Fußballer Diego Maradona wie ein Heiliger verehrt.

Unter der Stadt verbirgt sich ein weit verzweigtes Netz von Grotten aus griechischer und römischer Zeit. Unter anderem unter dem Kloster Complesso Monumentale di San Lorenzo Maggiore kann man etwa zehn bis zwanzig Meter tief in die Katakomben hinabsteigen und die antiken Überreste besichtigen.

Bei uns gegenüber ist ein Begräbnisinstitut. Man hat hier auch diverse Urnen in Fußballform im Angebot!

Eindrücke aus der Altstadt

Mit der S-Bahn Circumvesuvio gelangt man preiswert und schnell nach Herkulaneum oder zum Vesuv. Dass die Leute hier Fußball lieben, sieht man auch am abgesperrten Gleisbett entlang der Schienen. Zwischen zwei Stationen liegen etliche Dutzend Fußbälle. Arme Kinder!

Da das Wetter sehr dunstig ist, entscheiden wir uns für die Ausgrabungsstätte. Im Jahre 79 nach Christus wurde das römische Städtchen von einem Vulkanausbruch verschüttetet. Häuser, Straßen und sogar Einrichtungsgegenstände sind sehr gut erhalten.

Erst 1980 wurden bei den Ausgrabungen die Überreste zahlreicher Unglücklicher gefunden, die damals noch vor dem Ascheregen und dem pyroklastischen Strom fliehen wollten. Vergebens duckten sie sich in die Nischen der Kaimauer am Strand. Auch sie wurden etwa achtzehn Meter tief vom Auswurf des Vulkans begraben.

Nach Neapel

Problemlos begeben wir uns auf die Weiterreise nach Süden. Der Zug verlässt Bologna Centrale pünktlich und rauscht zunächst durch eine bergige Landschaft. Viele Tunnels gilt es zu durchfahren; in der ersten Zeit sogar überwiegend Tunnels. Nur gelegentlich, in den offenen Passagen öffnet sich der Blick durch die schmutzigen Zugfenster. Obwohl das Tageslicht trüb und das Wetter regnerisch ist, beschließen wir: Die wilde, schöne Landschaften der Emilia Romagna und der Toskana verdienen es, bei einem späteren Besuch genauer in Augenschein genommen zu werden. Es regnet, ich freue mich. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch. Dieser Ausspruch wird Karl Valentin nachgesagt, der bestimmt weder von Klimawandel noch von Wasserknappheit etwas gewusst haben dürfte.

Nach einem Stopp in Florenz füllt sich der Zug bis fast zum letzten Platz. Ich kann meine langen Beine halbwegs ausstrecken, wenn ich meinen Hintern ganz tief in die harte Sitzschale hinein presse. Nur Fliegen ist schlimmer! So hat jede Art des Reisens etwas für sich. Der Blick aus dem Zugfenster ist vielleicht nicht so spektakulär wie der aus dem Bullauge eines Düsenjets. Was ist schöner: Eine wackelnde Tragfläche und gelegentlich ein paar Wolken oder Berge, Wälder, Felder, Höfe, Wein- und Olivengärten und immer wieder Tunnels? Dass der Streckenverlauf immer noch beträchtliche Steigungen und Gefälle aufweist, merkt man vor allem am Druck auf den Ohren.

Die Landschaft wird weiter, die Hügel strecken sich und zu den typischen Zypressen kommen immer mehr Pinien und Schirmkiefern. Wir streifen Umbrien und kommen nach Latium. Nächster Halt ist Rom. Zwischen den Gleisen blüht hier schon der Mohn!

Wenig später rollen wir ein in Napoli Centrale. Unser Quartier liegt mitten in der historischen Altstadt, der Weg dorthin führt an meterhohen Müllhaufen und Straßenverkäufern mit undefinierbarem Angebot vorbei. Neapel zeigt sich wie im altbekannten Klischee: Balkone voller Wäscheleinen über engen Gassen, verfallende Prachtbauten mit vernagelten Eingängen und enge, volle Straßen – die Gehsteige benutzt hier niemand, denn sie sind vollgestellt mit Gerüsten, Paketen und Mopeds. Rasch finden wir unsere Adresse. Bei Ansicht des leicht ramponierten Altbaus weht uns der marode Charme des Verfalls entgegen. Durch eine kleine Türluke gelangen wir in ein renovierungsbedürftiges Treppenhaus. Von oben blättert der Putz, unter unseren Sohlen knirschen die losen Fliesen. Mutig besteigen wir den beinahe frei an gusseisernen Konsolen pendelnden Aufzug und entschweben in den vierten Stock. Letzter TÜV war so ungefähr 1907.

Das Zimmer ist komplett modern renoviert und eingerichtet, leider funktionieren weder der Router noch der Kühlschrank. Wir beschließen, uns nicht die Laune verderben zu lassen und begeben uns nach kurzer Rast auf einen Streifzug durch die Rione Forcella. Etwas abseits des Touristenrummels wird es leiser und man kann sehr gut und für wenig Geld einkehren. Bis wir beim Espresso angekommen sind, hat sich das Lokal mit Einheimischen gefüllt, die aus der sonntäglichen Abendmesse kommen.

Auf dem Heimweg schwimmen wir durch die Menschenmenge im Kielwasser einer Gruppe junger Damen beim Junggesellinnenabschied, sie tragen rosa Herzchenbrillen und wirken bereits etwas erschöpft und desorientiert. Leider ist auf meinem Foto der meterlange aufblasbare Plastikpenis nicht zu sehen, den eine von ihnen vorne weg schwenkt.

La Grassa

La Grassa oder die Fette wurde die Stadt wegen ihres Reichtums und ihrer kulinarischen Besonderheiten wie zum Beispiel ragu alla bolognese genannt. Die Ursprünge der Stadt gehen auf die Etrusker im 1. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung zurück. Im Palazzo Pepoli informieren wir uns umfassend über die Geschichte der Stadt von der Epoche vor den Römern bis heute.

Doch der Reihe nach: Am Morgen stürzen wir uns in Abenteuer Leihfahrrad. Man braucht – wie könnte es anders sein – eine App. Und mobiles Internet. Anfangs funktioniert noch alles, wir besteigen unsere zwei Klapperkisten und radeln ins historische Zentrum. Doch später soll es anders kommen.

Zunächst besichtigen wir das Universitätsviertel. In Bologna steht nämlich die älteste Uni der Welt, gegründet 1088. Die Arkaden und die rote Farbe der großteils noch mittelalterlichen Häuser sind weltberühmt.

Die Studentenschaft scheint ziemlich links, jedenfalls gibt es jede Menge politischer Graffitis und Parolen an den Wänden der altehrwürdigen Mauern zu lesen.

Wir erkunden die wunderschöne und sehr gut erhaltene Altstadt, deren Wahrzeichen unter anderen die Basilika de San Petronio, übrigens die sechstgrößte Kirche Europas und bis heute unvollendet, sowie die Due Torri, zwei stark geneigte mittelalterliche Türme sind.

Ein weiteres Highlight sind die Sette Chiese, ein romanisch-gotischer Komplex von sieben ineinander verschachtelten Kirchen sowie der quirlige Flohmarkt davor.

Es wird immer belebter in der Innenstadt, offenbar ist ganz Bologna auf den Beinen. Die Straßencafés und Bars sind alle gut besucht, ein Markt lädt zum Flanieren ein, doch wir wollen weder Blumen noch Antiqitäten herumschleppen.

Auf dem Heimweg sammeln wir weitere Eindrücke: Zum Beispiel wie man hier parkt, ein Canale fast wie in Venedig, ein Markt für Kleidung.
Wir sind nun viele Kilometer gelaufen und müde – aber die Leihräder können wir nicht entsperren. Kein Internet! Also laufen wir noch ein paar Kilometer zur Unterkunft.

Auf nach Bologna

Wir sind wieder unterwegs, diesmal ohne Bus und ohne Boot, sondern klimafreundlich per Eisenbahn. Der erste Reiseabschnitt führt uns nach Rosenheim, wider Erwarten ohne Zwischenfälle oder größere Verspätungen der DB. Ab hier reisen wir mit der ÖBB, jetzt kann eigentlich nichts mehr passieren. Bei strahlendem Sonnenschein überqueren wir die Alpen: Kufstein, Innsbruck, Brenner, Bozen, Trento, Verona und schließlich die Emilia Romana ziehen an den Zugfenstern vorbei.

Wir sind überrascht, wie schnell das Reisen im Zug geht. Normalerweise sind wir ja meist mit unserem alten Bus unterwegs, zockeln mit Tempo 80 über die Landstraßen und lassen kaum eine Gelegenheit aus, die Fahrt zu unterbrechen: Hier ein Kaffee, dort ein Bad im See oder eine unerwartete Sehenswürdigkeit, die man spontan in den Reiseplan aufnimmt.

Südtirol – Berge und Obstplantagen

und Wein

und noch mehr davon.

In Bologna angekommen sind wir letztendlich mit 20 Minuten Verspätung, aber das macht überhaupt nichts aus. Unsere Unterkunft liegt fußläufig in Bahnhofsnähe, wir spazieren noch ein wenig durch die Stadt und genießen das warme, schöne Wetter und die schöne Atmosphäre.