Sportlich, sportlich

Heute machen wir es andersrum: Das Boot wird in Roding abgelegt, wir fahren nach Nittenau und setzen uns dort auf die Räder, um zum Boot zurück zu strampeln. Doch oh weh, der Weg ist weiter, die Wadeln schwächer und der Hintern wunder als gedacht. Eigentlich hatten wir vom RegenTALweg erwartet, dass dieser im Tal, also mehr oder weniger eben verlaufen würde. Doch weit gefehlt. Bei heftigem Gegenwind schwitzen wir an knackigen Steigungen, besonders kurz vor Roding fordern uns über hundertdreißig Höhenmeter.

Kaputt

Für die etwa 24 Kilometer brauchen wir schließlich zweieinhalb Stunden. Jetzt noch 23,5 Kilometer zurück paddeln! Uns wird etwas schwummrig.

Roding vom Wasser aus
Mühle

Anfangs hilft uns noch der Rückenwind, doch die Strömung ist sehr schwach und die Wehre zahlreich. Als wir das dritte umtragen sagt mein Schatz: „Oh weh, noch vier!“ Ich sage nur, „Jetzt genieße doch erstmal dieses hier.“

Lilie

Libellen und Azurjungfern umschwirren unser Boot, am Ufer stehen Schwertlilien und Sumpfdotterblumen. Trotz wunderbarer Landschaft kommen wir nur langsam voran.

Klosteranlage

Das letzte Wehr bei Tiefenbach scheint zwar befahrbar, aber wir haben keine Kraft mehr und entscheiden uns zu umtragen. Die letzten fünf Kilometer dreht sich auch noch der Wind gegen uns. Sieben Stunden brauchen wir schließlich für die Etappe. Pausen haben wir keine gemacht, weil wir vor der Dämmerung ausbooten müssen. Jetzt noch die Räder in Roding holen…

Unter Strom

Heute gibt’s nicht viel zu berichten. Ein großer Bogen durch den Böhmerwald, Bad im Regen, Besuch in Bad Kötzting.

Abends kehren wir in Roding ein und bereiten die nächste Paddeletappe vor. Mein Schatz sagt: „Schau mal, da gibt es einen Stellplatz mit Strom!“, und ich rangiere das Auto rückwärts an den Verteiler. Während ich das Kabel suche, verkündet meine Liebste, dass auf Steckplatz 4 noch 600 Wattstunden Restguthaben vorhanden seien. Allerdings müsste man da vorne anstecken. Prima, sage ich und wundere mich, dass die Steckplätze keine Nummern tragen. Egal. Wir gehen essen und prüfen zwei Stunden später, ob der Kühlschrank kühlt. Und wie! Ein kleiner Gletscher ist in der Kühlbox entstanden. Bloß komisch, immer noch 600 Wh Rest???

Sonderbarer Stromkasten

Offensichtlich haben wir uns am Wochenmarkt-Verteiler angesteckt. Sorry!

Nationalpark und Urwald

Nachdem ich mich gestern auf die Brille meiner Frau gesetzt habe, ist heute unser erstes Ziel ein Optiker in Zwiesel. Der Mann versteht sein Fach und baut einen Ersatzbügel statt des zerstörten ein.

Weiter geht’s zum Nationalparkzentrum Falkenstein. In einem weitläufigen Areal befinden sich Freigehege für Auerochsen, Przewalkskipferde, Wölfe und Luchse.

Ur
Urpferde

Letztere bekommen wir leider nicht zu sehen, sie halten wohl gerade Siesta. Dafür gelingt es uns, einen Teller Lewanzen zu ergattern: Eine böhmische Mehlspeisenspezialität mit Sahne und Powidl.

Das gesamte Nationalparkzentrum ist sehr interessant und ansprechend gestaltet, besonders im „Haus zur Wildnis“ werden Informationen zur Ökologie und den Zusammenhängen im Wald hervorragend aufbereitet und vermittelt. Wir kommen wieder, spätestens wenn wir Enkel haben!

Waldboden

Uns reicht es noch nicht vom Wandern, wir gehen noch zwei urtümliche Waldgebiete bei Bayerisch Eisenstein ab. Nahe Zwieselwaldhäuser und im Hans-Watzlik-Hain gibt es noch Relikte der einstigen europäischen Urwälder.

Urwald
Stehendes Totholz

Hier dürfen tote Bäume stehen bleiben, bis sie von selbst umfallen und dann vergehen. Wir bewundern eine etwa 600 Jahre alte, riesige Tanne und viel Totholz. Sogar Auerhahn und -henne sind hier noch zu Hause. Interessant: Da das Auerwild überwiegend von Tannennadeln lebt und diese in der Verdauung schwer auszuschließen sind, fressen die Tiere ab und zu kleine Steinchen. Diese helfen, die Nahrung im Magen zu zerreißen. Doch was macht der Auerhahn im Winter, wenn der Waldboden tief verschneit ist? Dann hält er sich an die Wurzelteller umgestürzter Bäume. Hier findet er auch noch bei Tiefschnee seine Verdauungshilfe.

Wurzelteller
Ca. 600jährige Tanne

Im Schwellhäusl gibt es eine zünftige Brotzeit.

Schwellhäusl Trifterklause
Lecker!

Schließlich übernachten wir wieder bei Heiner. Der entspannteste Campingwirt und -platz weit und breit.

Bei Heiner

Am Arber

Die Rieslochfälle sind von Bodenmais aus leicht erreichbar. Das haben nicht nur wir uns gedacht. Überhaupt wird es jetzt zunehmend touristischer. Gemeinsam mit etwa 150 anderen Wanderern marschieren wir zuerst zu den oberen, dann zu den unteren Wasserfällen.

Rieslochfälle

Am Zusammfluss von drei Bächen ist ein wunderbares Naturspektakel zu sehen. Trotz der vielen Menschen sollen sich hier einige besonders seltene Tier- und Pflanzenarten erhalten haben. Leider bekommen wir weder den Dreizehenspecht noch die Langohrfledermaus zu sehen, aber immerhin entdecke ich in den Ritzen und Klüften ein außergewöhnlich helles Moos. Das muss das Leuchtmoos sein. Es kommt mit dem 600ten Teil des Tageslicht aus, der Rest wird reflektiert.

Leuchtmoos?
Die kleine Fichte wächst rundum

Auch am Arbersee sind wir leider nicht allein. Zum Glück verlaufen sich die Massen weiter hinten auf dem Rundweg.

Schwingrasen
Moorlandschaft
Schön!

Dort bewundern wir den einzigartigen Schwingrasen: Schwimmende Inseln aus torfbildenden Pflänzchen und Seggen. Die hübschen Saiblinge springen aus dem glasklaren Wasser nach unvorsichtigen Insekten. Das Wasser war übrigens bis in die 70er Jahre dunkel, wie es sich für einen Moorsee gehört. Schwermetalle aus der Luft haben in der Zeit des sauren Regens die Huminstoffe im Wasser gebunden. Das wirkt bis heute nach.

Durchs Bärnloch

Es ist angeblich eine der reizvollsten Kanutouren ganz Deutschlands: der Schwarze Regen im Abschnitt Oleumühle nach Teisnach, durch das berühmt – berüchtigte Bärnloch.

Beim Einbooten in Oleumühle
Los geht’s.

Langweilig wird es uns nicht in den nächsten fünf Stunden. Wildwasser Stufe I-III bedeutet abwechslungsreiche Schwallstrecken garniert mit verblockten Passagen. Tückische Steine lauern überall knapp unter der Oberfläche, man erkennt sie oft nur im letzten Moment an der stehenden Welle – oder auch gar nicht. Mindestens ein Dutzend mal fahren wir uns fest. Aber eine kleine Pause schadet nicht! Anschließend geht’s mit Wackeln und Schieben weiter. Die Natur rundum scheint unberührt, wir sehen viele Wasservögel und springende Fische. Zum Schluß wartet kurz vor Teisnach eine sportliche Überraschung auf uns. Dass wir ein Wehr über etwa 600 Meter umtragen müssen, hatten wir gewusst.

Von oben
Von

Nicht aber dass es beim Einsetzen derart steil die Böschung runter und über teils wackelige Felsbrocken geht. Die Rückfahrt nach Regen geht dann ganz bequem, aber auch gemächlich per ÖPNV und dauert nochmal ganz gut: Bis Regen Bhf zwei Stunden, zum Auto zweieinhalb, zurück zum Boot drei.

Der große Pfahl

Was könnte das sein? Man denkt an einen Baumstamm, einen Marterpfahl, irgendwie blitzt die Vokabel „pfählen“ im Hinterkopf auf.

An der Quarzlore

Tatsächlich bezeichnet der große Pfahl einen 150 Kilometer langen Quarzgang, also eine Gesteinsader, die durch Verwitterung und Erosion aus dem umgebenden weicheren Gestein quasi herausgewaschen wurde. Bei Viechtach findet sich am Pfahl ein früherer Steinbruch und gleichzeitig eines der schönsten Geotope Bayerns. In Form einer riesigen Felsmauer bricht die unterirdische Quarzlagerstätte zu Tage. Bis in die 60er Jahre wurde der Quarz hier vorwiegend in Handarbeit abgebaut – eine echte Plackerei. Der Steinbruch hat sich nach der Stilllegung zu einem sehr wertvollen Biotop für seltene Arten wie die Schlingnatter, diverse Eidechsen, die Bartfledermaus sowie diverse Pflanzenarten entwickelt. In einem schönen Spaziergang umrunden wir das Gebiet.

Doch der Pfahl verfolgt uns weiter… Die Burgruine Weißenstein bei Regen ist nämlich auch auf demselben Quarzgang beziehungsweise Höhenzug gebaut.

Weißenstein
Oder doch lieber pfählen?

Eigentlich wollten wir nur den Ein- und Ausstieg sowie die Transportmöglichkeiten für unsere morgige Kanutour recherchieren, aber wir stellen fest: Regen ist ein nettes Städtchen mit einem schönen Park am Fluss.

Am Regen in Regen 😏

Wo Bayern kanadisch wird

Wir schlafen lang, fast zehn Stunden. Das brauchen wir!

Flott ist alles aufgebaut und um 10 Uhr geht es in Gumpenried los. Der Schwarze Regen trägt uns durch traumhaft wildwüchsige Landschaften. Spannende Schwallstrecken und spritzige Stromschnellen geben diesem Flussabschnitt einen kleinen sportlichen Pfiff. Vorsichtshalber haben wir Schwimmwesten und Helme angelegt. Für die rund 8 Kilometer brauchen wir heute nur gut zwei Stunden, halb so lang wie vorgestern von Blaibach bis Cham. Eichelhäher, Bachstelzen und eine Wasseramsel kommen vorbei, es fehlt nur noch ein Elch oder ein Bär am Ufer.

Wandern am Schwarzen Regen

Am Morgen sind wir ungelenk und steif. So ziemlich jeder Muskel ist hart, jedes Gelenk starr. Mühsam kriechen wir aus dem Bett. Wie die Zombies wanken wir ins Waschhaus – zumindest gibt’s beim Kanuklub warme Duschen. Danach machen wir ausgiebig unsere Morgengymnastik und beschließen, dass es uns jetzt schon viel besser geht.
Nächstes Ziel ist Böbrach. Mein Schatz hat eine wunderschöne vierstündige Wanderung herausgesucht, für die wir dann sechseinhalb brauchen. Echte Genießer eben. Ob wir uns zu lange in die Ausblicke ins Oberpfälzer Land verliebt haben? Die kleinen Pausen, um Blümchen am Wegesrand zu bewundern und zu bestimmen, sie können es doch nicht gewesen sein.

Bildstock bei Böbrach
Ein Männlein steht im Walde…

Jedenfalls: Böbrach- Aspach und retour, mal im Wald, mal am Schwarzen Regen, über Wiesen und Felder, und abends sind wir wieder platt. Anschließend informieren wir uns noch über Ein- und Ausstiege für die morgige Kanutour. Diesmal soll es etwas kurzweiliger und mit mehr Strömung auf dem Schwarzen Regen von Gumpenried nach Schnitzmühle gehen.

Paddeln auf dem Regen

Am nächsten Morgen geht es weiter nach Cham. Beim Kanuclub stellen wir unsere Räder ab und prägen uns den Ausstieg gut ein. „Zwischen den zwei Weiden müssen wir ausbooten“, sage ich.

Wir fahren den Regen stromaufwärts bis nach Blaibach, wo wir unseren Bus abstellen und das Kanu aufbauen. Hier lernen wir ein nettes Paar aus Karlsruhe kennen, die das gleiche Hobby haben. Gemeinsam paddeln wir los, auf dem Fluss treffen wir uns noch mehrfach.

Die Fahrt von Blaibach bis Chamerau ist ein purer Genuss. Grünes Nixenhaar prallvoller weißer Blüten streichelt von unter dem Rumpf unseres Kanus.

Blühende Wasserpest

Wie Schildkrötenbuckel ragen große Felsen aus dem Fluss, rechts und links wechseln sich Wiesen und Wälder ab: Wir entschleunigen. Einige Schwellen, verblockte Passagen und Schwallstrecken machen die Tour interessant.

Kurz vor Chamerau kommt noch ein Highlight: Die Bootsrutsche.

Im Biergarten daneben stärken wir uns und treffen unsere Bekanntschaft wieder. Der Fluss bestimmt ab hier mit seiner Langsamkeit das Tempo. Stellenweise wird es uns direkt ein wenig langweilig, dann wieder verlangt der kräftige Gegenwind auf dem Wasser körperlichen Volleinsatz. Kurz vor Cham versperrt ein Wehr den Weg: Befahren oder Umtragen?

Wehr Cham

Wir entscheiden uns fürs Umtragen. Insgesamt brauchen wir für die 22 Kilometer mit Esspause sechseinhalb Stunden. Doch der sportliche Teil kommt jetzt erst: Wir lassen unser Boot liegen und steigen auf die Räder, um zum Startpunkt zurück zu radeln. Dafür brauchen wir nochmals eineinhalb Stunden.

Urkirche Chammünster

Als wir endlich mit dem Bus wieder am Kanuclub ankommen, sind wir ziemlich müde und entscheiden uns, die Nacht gleich hier zu verbringen.

Unser Bus ist wie fast immer das älteste Fahrzeug am Platz. Und zwischen all diesen Rentnershuttles sind wir die einzigen Paddler. Jedenfalls fallen wir totmüde in die Falle.

Endlich Sommer

Spät sind wir los gekommen, denn es war noch einiges zu richten im Garten und im Haushalt. Hastig werfen wir die letzten Ausrüstungsgegenstände in den Bus binden das Boot auf dem Dach fest und die Fahrräder an der Heckklappe. So fahren wir in den Abend hinein Richtung Niederbayern.

Geheimplatz😁

Wir finden einen Schlafplatz, der schöner nicht sein könnte. Der Bus steht direkt an einem kleinen See, romantischer geht es kaum. Nein, der genaue Ort wird nicht verraten. Es gibt ohnehin nur noch allzu wenige vergleichbare Plätze, wo das Freistehen noch nicht verboten ist.

Zunächst hören wir noch das Gegröle von ein paar Jugendlichen, die weiter vorne feiern. Pubertät und Brunftschrei gehören einfach zusammen. Später kommen noch ein paar Männer vorbei, die einem jungen Jagdhund mithilfe einer naturgetreuen Gummiente das Schwimmen schmackhaft machen wollen. Lustigerweise direkt bei dem Schild: „Benutzen der Wasserfläche durch Hunde oder Pferde strengstens verboten“.

Die Frösche quaken und die Sonne geht hinter dem Scherenschnitt einer Allee am Horizont unter.

Am Morgen erfrischt uns ein Bad im klaren Wasser, besser kann der Tag nicht beginnen!