Auf unserem Weg liegt noch eine wunderschöne Stadt, die wir natürlich besichtigen müssen.
Am Fluss Risle gelegen, der sich hier in viele Arme auffächert, war der Ort früher bekannt für die vielen Gerber, die hier ansässig waren. Auch hier gibt es jede Menge Fachwerk und ein lebendiges Stadtzentrum. Wir lassen uns Café Creme, Crêpe und Sandwich schmecken.
Leider hat sich meine Bandage am Auspuff nach ein paar hundert Kilometern beim 639ten Speedbump wieder gelöst. Wir suchen einige Werkstätten auf, aber am Samstagnachmittag hat natürlich keiner Zeit und Lust, und zu helfen, obwohl alle Menschen sehr freundlich sind und Anteil nehmen. Der Bus röhrt jetzt wie ein startender Jet. Also nochmals rein in einen der recht gut sortierten Supermärkte, eine Eisensäge, Aluteller und Folie gekauft, ein Stück Blech hatte ich mir schon gestern im Autozubehörladen mitgenommen. Mit meinen Auffahrrampen kann ich das Auto prima ein wenig aufbocken und ein paar Stunden später ist das Malheur wieder provisorisch behoben. Ich hoffe, die Blechbandage hält etwas länger als der letzte Versuch.
Leider mussten wir wegen eines Trauerfalles unsere Reise überstürzt abbrechen. Der Auspuff hat noch knapp 1100 Kilometer gehalten.
Beuvron-en-Age wird als das schönste Dorf Frankreichs bezeichnet. Über enge, holprige Sträßchen gelangen wir hin. Oft sind diese von den Bäumen auf beiden Seiten überspannt, sodass wir den Eindruck haben, durch einen grünen Tunnel zu fahren. Das Dorf wirkt wie eine Filmkulisse für die drei Musketiere. Gut erhaltene und schön restaurierte Fachwerkhäuser sammeln sich um einen kleinen Marktplatz. Wein, Karamellbonbons und lokale Spezialitäten werden überall angeboten. Zum Glück neigen sich in Frankreich die Ferien ihrem Ende entgegen, also hält sich der Ansturm der Besucher ein wenig in Grenzen.
Heute haben wir noch ein zweites Ziel: Die Gärten von Cambremer. Von Privatleuten angelegt, aber öffentlich für ein Entgeld zugänglich: Ein wunderschönes Beispiel perfekter Gartenbaukunst im Stil eines englischen Landschaftsgartens und zugleich eine reiche Sammlung einheimischer und exotischer Pflanzen.
In Arromanches erbauten die Alliierten einen provisorischen Hafen, um all ihr Kriegsmaterial anzulanden. Heute ist das 500-Seelen-Dorf noch immer ein wenig im Taumel der kurz zurückliegenden Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Landung.
Wir schlendern durch den Ort, spazieren über den Strand und besichtigen die Flöße aus Stahl und Zement, die auf dem Sand liegen und langsam verrotten. Diese Dinger zerfallen nun in ihre Bestandteile und bedingt durch die vielen Hohlräume geschieht dies nicht ganz ohne bestimmte Gerüche zu entwickeln.
Im Dorf liegen auch noch ein paar der Stahlbrücken, die einst auf diesen Flößen lagen. Schwere Fahrzeuge und Panzer konnten so aus den Transportschiffen entladen werden.
Für mich völlig unverständlich ist, dass in den Devotionalienläden überall Fahnen, Camouflage-Kleidung, D-Day-Tassen und allerlei sonstige Geschmacklosigkeiten erhältlich sind. Wer braucht sowas?, frage ich mich.
Der weltberühmte Teppich von Bayeux erzählt die Geschichte eines anderen Krieges. Vor fast 1000 Jahren setzte der normannische Herzog William mit seinen Rittern über den Ärmelkanal nach England, um die Angelsachsen bei der Schlacht von Hastings zu schlagen und die Krone Englands zu erringen.
Überaus kunstvoll wurde der fast 70 Meter lange Teppich vor knapp 1000 Jahren wahrscheinlich von englischen oder normannischen Nonnen auf Leinentücher mit Wollfäden gestickt. An Festtagen wurde dieses Prachtstück der Kunstfertigkeit dann in der Kathedrale von Bayeux aufgehängt, um die meist nicht des Lesens kundige Bevölkerung über die geschichtlichen Ereignisse zu informieren. Ein Stück Propaganda, könnte man auch sagen.
Das Inneren der Kathedrale von Bayeux. Hier wurde der Teppich entlang der Säulen aufgehängt.Die Kathedrale von Bayeux von außen
Im Kurzen spielte sich die Geschichte folgendermaßen ab: Edward, der alte König von England spürte seine Kräfte schwinden. Also sandte er seinen Schwager Harald in die Normandie, um William (Guillaume), genannt der Bastard, zu bestellen, dass er die Krone England erben solle. Harald machte sich brav auf den Weg, wurde jedoch auf der Überfahrt westwärts abgetrieben und geriet in die Gefangenschaft des verfeindeten Grafen Guido. Nach einigem Hin und Her gelang es ihm, zu William zu gelangen. Dieser jedoch war gerade mit einem Zwist mit Abtrünnigen Untertanen in der Bretagne beschäftigt, also musste Harald bei einem Kriegszug dorthin mitziehen. Dabei half er den Normannen so geschickt, dass William ihm anschließend die Ritterwürde verlieh und mit Waffen ausstattete. Dabei ließ er ihn in weiser Voraussicht die Treue schwören. Harald kehrte nach England zurück, inzwischen war aber Edward verstorben. Der treulose Harald brach seinen Eid und ließ sich selbst zum König Englands krönen. William aber blieb dies nicht verborgen; deshalb ließ er eine Streitmacht aufstellen und eine Flotte bauen.
Mit solchen Booten setzten die Normannen über den Kanal
Bei Hastings kam es zur Schlacht, einen ganzen Tag kämpften die normannischen Invasoren gegen angelsächsische Verbände. Harald fiel, ein Pfeil traf ihn ins Auge. William siegte, soweit die Bildsprache des Teppichs von Bayeux. Die englische Krone hat er dann in Westminster bekommen, aber er musste sich schwer behaupten, denn er war nicht beliebt bei den Engländern. Schließlich zogen seine Truppen nach der gewonnenen Schlacht marodierend und plündernd durchs Land. Näheres hierzu unter Teppich von Bayeux – Wikipedia.
Wie man sieht, ist es immer schon dasselbe gewesen. Die großen Herrschaften trachten nach Reichtum, Ruhm und Ehre, die jungen Krieger müssen mit, um etwas zu werden und zu gelten. Frauen und Kinder werden dabei zu Witwen und Waisen, davon ist aber selten die Rede. Die kleinen Leute verlieren dabei bestenfalls Hab und Gut, meist jedoch ihr Leben. Trotz allem ist der Teppich von Bayeux ein kunsthistorisches Meisterwerk ersten Ranges, nicht umsonst wurde es in die Liste der UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen.
Wenn man heute über diesen Traumstrand wandert, fällt es schwer, sich vorzustellen, welche grauenvollen Szenen sich hier vor gut 80 Jahren abgespielt haben. Dutzende Soldatenfriedhöfe mit zigtausenden Gräbern haben wir auf dem Weg hierher passiert. Sie zeugen bis heute davon. Am 6. Juni 1944 landeten die alliierten Truppen in der Normandie, um zunächst Frankreich und später Europa von der Geißel des Nationalsozialismus zu befreien.
Die Denkmäler und Museen kann und sollte man besuchen, um sich ein Bild zu machen. Panzersperren und Bunker sind fast alle verschwunden, aber bei Ebbe sollen gelegentlich noch Wrackteile der Landungsboote und des improvisierten Hafen Mulberry B zu sehen sein. Wir besichtigen das Memorial in Saint Laurent. Fahrzeuge, Waffen, Munition – lauter Maschinen, ersonnen um zu töten. Sehr betroffen lassen mich vor allem die Fotos der vielen jungen Leute zurück, die hier ihr Leben lassen mussten. Könnte man nicht die Despoten und Kriegsherren unserer Zeit einfach mal ein paar Tage hier bei Wasser und Brot einsperren? Vielleicht würden sie sich eines Besseren besinnen, vielleicht würden sie sich auch gegenseitig die Köpfe einschlagen. Immerhin besser, als das, was bis heute täglich in der Ukraine, in Palästina, im Jemen und an hunderten anderen Orten geschieht. Sterben müssen immer die kleinen Leute, oft die ganz jungen.
Reste eine deutschen Bunkers mit einem Kind oben draufFoto vom LandungsbootDenkmal am Strand Saint LaurentSandstrukturenLecker Käse
Heute ist ein Fahrtag. Und zum Glück hält der Auspuff. Von Sotteville-sur-mer über Fecamp (sehr viele Menschen) und Etretat (noch mehr Menschen) fahren wir Richtung Westen.
Wir streifen die beiden Orte nur kurz. Es ist sehr touristisch und viel zu voll. Das gefällt uns nicht, auch wenn die normannischen Küstendörfer malerisch aussehen.
Weiter geht’s an Le Havre vorbei und zur Pont du Normandie. Die riesige Brücke überspannt in einem hohen, weiten Bogen die Seine und die umliegenden Feuchtgebiete.
Honfleur heißt der noble Ort gegenüber, ebenso im typisch normannischen Stil und sehr gut erhalten. Hier ist der schönste Hafen des Nordens: Die Altstadt schmiegt sich mit vielen engen Gassen drum herum. Sehr schön, sehr gut erhalten, sehr voll mit Menschen.
Die Kirche St. Katharina aus dem 15. Jahrhundert ist die größte Holzkirche Frankreichs, errichtet von Schiffsbauern – was man ihr auch irgendwie ansieht.
Nachdem sich die Stellplätze im Ort als schrecklich erweisen, fahren wir weiter nach Bayeux an der Côte de Nacre. Bei rund 30 Grad und ohne Klimaanlage erweist sich das als ziemlich anstrengend. Nach acht Stunden unterwegs würde man gern mal wo ankommen, aber der riesige Camping Municipal von Bayeux ist voll belegt.
Zum Glück! Kurz drauf finden wir einen kleinen, gemütlichen Platz auf einem Bauernhof etwas außerhalb. Besser geht es nicht.
Man kann auch mal einen Tag am Strand vertrödeln. Und man sollte. Denn das ist auch schön. Gestern schlängelten wir uns über schmale Feldwege zwischen staubigen, abgeernteten Äckern durch. Links brannte uns die Sonne ins Gesicht, rechts war ein Landwirt auf seinem Fahrzeug unterwegs, um das trockene Stroh zu wenden. Wir konnten es gar nicht glauben, welch ein entzückendes kleines Dorf uns in Sotteville-sur-Mer erwartete. Die typischen Fachwerk- und Steinhäuser mit den steilen Schieferdächern, enge Gassen und ein schöner Dorfplatz rufen im Chor: Hier ist es gemütlich und jeder ist willkommen. Ein Bäcker, ein kleiner Markt und freundliche Einheimische, die stets lächeln und zu einem kleinen Gespräch aufgelegt sind. Das Meer ist ziemlich wild, besonders bei Flut und Westwind. Da muss man schon aufpassen, dass die Wellen einem nicht die Kiesel unter den Füßen wegspült. Bei Ebbe dagegen gibt es einen weiten Sandstrand, bis das Wasser tief genug zum Schwimmen ist, muss man einige Meter weit hinein waten. So jedenfalls haben wir es im Nachbardorf Veules-les-Roses erlebt, hier in Sotteville gibt es zwar eine Treppe zwischen den Kreidefelsen hinunter in die Brandung, der Zugang zum Kiesstrand jedoch ist gesperrt – zu gefährlich.
Veules-les-Roses ist genauso hübsch wie unser Dörfchen. aber etwas größer und es hat vor allem eine richtige Strandpromenade mit Cafés und Läden. Außerdem mündet hier der kürzeste Fluss Frankreichs ins Meer: Die Veule ist gerade mal einen Kilometer lang, kristallklar und sehr kühl. Das Flüsschen wird an mehreren Stellen in Becken aufgestaut, um darin Brunnenkresse zu ziehen. Ein kleines Naturparadies!
In Beauvais sollte eigentlich mal die größte christliche Kirche der Welt entstehen. Der damalige Bischof, der zugleich Graf der Landschaft war, muss ein wenig größenwahnsinnig gewesen sein, denn er ließ ein wahres Monstrum von einer Kirche planen. Errichtet wurde nur der Chor des Gotteshauses. Mit 48,50 Meter Höhe ist es dennoch bis heute das höchste Kirchengewölbe der Welt. Zum Glück ging den Leuten in Beauvais ziemlich bald das Geld für den Bau aus und so blieb das Ganze ein Torso. Nichtsdestoweniger ein sehr beindruckender Torso.
Wir haben noch nicht genug von der Gotik und fahren weiter nach Norden. Leider gibt unser treuer alter VW T4 seit einiger Zeit zunehmend lautere Geräusche von sich, der leiseste war er ja noch nie. Aber auf den letzten paar Hundert Kilometern röhrt er wie ein alter Traktor.
Unser nächstes Ziel ist Rouen, zur Zeit seiner Blüte nach Paris zweitgrößte Stadt Frankreichs und durch die Wollweberei eine mittelalterliche Boomtown. Natürlich gibt es auch hier eine Kathedrale, man hielt ja etwas auf sich seinerzeit. Außerdem steht da noch die Uhr le Gros Horloge im gleichnamigen Tor: Sie wurde im 14. Jahrhundert gebaut und lief bis 1928 ohne Störung. 5 Millionen Stunden! Das soll mal eine Apple watch oder ein Laptop unserer Tage nachmachen.
Notre Dame de RouenEnge GassenFachwerk RouenNotre Dame de RouenHorloge Altstadt
Die Umweltzonen von Rouen haben wir mit viel Mühe umschifft, aber unser Grüner Blitz tönt mittlerweile wie ein heiserer alter Troll mit Bronchitis. Besonders bergauf im ersten Gang klingt es ein wenig nach startendem Starfighter. Abhilfe bringt hoffentlich ein Pflaster aus dem Kaufhaus – hoffentlich hält es möglichst lange. Schwierig genug war es, das Reparaturmaterial zu finden.
Immerhin haben wir es heute bis zum Ärmelkanal geschafft: Sotteville-sur-mer ist ein wunderschönes kleines Dorf und das Wetter spielt auch mit. Ab ins Meer!
Unser Wunschcamping ist leider voll, die Nacht verbringen wir auf einem kleinen Parkplatz neben einer Schleuse am Kanal La Vesle. Frankreich ist übrigens fast komplett durchzogen durch ein Netz von Kanälen. Um die Höhenunterschiede auszugleichen, gibt es immer wieder Schleusen, mit denen Fracht- und Personenschiffe angehoben bzw. abgesenkt werden. Auf unserem Abendspaziergang schauen wir bei solch einer Schleusung zu.
Unser Weg führt uns am nächsten Morgen weiter nach Reims in der Champagne. Die Stadt hat seit Neuestem eine Umweltzone; also darf unser grüner Blitz nicht hinein in die Innenstadt. Der VW T4 ist nämlich schon 30 Jahre alt und hat keinerlei Umweltplakette oder sonstigen Schnickschnack wie Kat oder Klima, nur ehrliches, rostiges Blech. Wir stellen ihn also in einem Industriegebiet außerhalb des Autobahnringes ab und steigen auf unsere Fahrräder um. Sicherheitshalber mache ich sogar noch ein Bildschirmfoto von meiner Navigations-App am Handy, damit ja nichts schief geht. Kaum fünf Kilometer westwärts und schon stehen wir vor der berühmten Kathedrale Notre Dame.
Das Bild oben ist von es.dreamtime.com – leider war das Hauptportal gerade komplett eingerüstet und verhüllt.
Die Kirche stammt im Wesentlichen aus dem 13. Jahrhundert, Vorläuferbauten aus dem 4. Jahrhundert. Außen hat der Stein der Fassade und der Skulpturen stark unter den Einflüssen unserer modernen Industriegesellschaft gelitten, innen jedoch ist die Atmosphäre besonders in den Kapellen rund um den Altarraum unbeschreiblich: Seit der Zerstörung im ersten Weltkrieg und dem Wiederaufbau danach wurden einige der riesigen Glasfenster von Künstlern neu entworfen worden, unter anderem auch von Marc Chagall.
Auf dem Rückweg freuen wir uns aufs Frühstück, denn heute sind wir schon sehr zeitig unterwegs. Also flink die Adresse unseres Startpunktes eingegeben, und schon geht es dahin. Komisch, sagt mein Schatz, der Weg führt ja gar nicht bergauf hier. Wir sind doch vorher einen Berg runter geradelt? Nach ewigen Irrwegen stellt sich heraus: Es gibt tatsächlich zwei Straßen des gleichen Namens in Reims, ich habe leider die falsche als Ziel gewählt und bin im blinden Vertrauen auf die Technik immer nach der App geradelt, meine brave Frau hinterher. Also nochmal eine halbe Stunde andersrum durch die Hitze, inzwischen geht es auf Mittag zu und wir hatten immer noch kein Frühstück. Verzweifelt verschlingen wir die zwei Croissants, die uns zum Glück noch in der City unterkamen.
Aber als wir bei unserem Bus ankommen, hat das Drama noch kein Ende. Alle unsere Navigations-Apps wollen partout über die Stadtautobahn durch die Umweltzone und lassen sich mit keinem Trick davon abhalten. Letztlich fahren wir einen Bogen von 30 oder 40 Kilometer bewusst in die falsche Richtung, biegen immer wieder genau anders ab als die App es will und landen dann unvermeidlich genau auf der falschen Straße. Also nochmal ein paar zig Kilometer Umweg… Hauptsache irgendwann irgendwo ankommen und duschen – es hat mindestens 35 Grad im Cockpit unseres Reisemobils.
Die Schrecken des ersten Weltkrieges sollten uns ermahnen, damit es nie wieder zu solchen Grauen kommt. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Überall auf der Welt, sogar in Europa toben auch heute schreckliche Kriege.
Verdun hat sich den Titel „Ville de la paix“ (Stadt des Friedens) gegeben. Ich wünsche mir, dass sich alle verantwortlichen Politiker und Despoten unserer Zeit die Gedenkstätten und Soldatenfriedhöfe mal in einer ruhigen Stunde genau betrachten mögen. Tatsächlich informieren die Texttafeln im Memorial und im Wald um Fleury devant Douaumont unparteiisch und ohne jeden nationalistischen Pathos über das grauenhafte Blutbad des Stellungskrieges im ersten Weltkrieg 1914 bis 1918.
Seltsam bucklig scheint der Boden hier im lichten Wald. Die Vertiefungen im Boden sind Granatentrichter und die Vertiefungen der Keller von Häusern des zerstörten Dorfes, das hier einst war. Kleine Pfosten mit Schildern erinnern an die Höfe und Handwerkerhäuser, die einst hier standen. Insgesamt sechzehn Mal wurde der Ort abwechselnd von den deutschen und den französischen Truppen erobert und zurückerobert, bis schließlich kein Stein mehr auf dem andern ruhte, kein Baum und kein Strauch, geschweige denn kein sonstiges lebendes Wesen mehr hier existierte.
In den Bunkern und Schützengräben um Verdun starben an die 800.000 überwiegend junge Männer auf beiden Seiten. Im Wald bei Fleury stehen noch heute die Lüftungskamine der französischen Befestigungsanlage Les quatre cheminees. Wir spazieren durch den friedlichen Wald zum Bunkereingang, der tiefer im Geländeeinschnitt liegt. Das Betreten ist verboten, das Gitter aber offen und so kann man einfach hinuntersteigen in die blutgetränkte Erde.
Die von Munition und Blei vergiftete Erde hat sich zu einem Biotop seltener Orchideen entwickelt. Das Dorf Fleury wurde nicht wieder aufgebaut, eine moderne Gedenkstätte ein paar Hundert Meter weiter errichtet. Etwas über zwei Stunden brauchen wir, die Ausstellung zu besichtigen, dann sind wir völlig geschafft. Natürlich ist dies nur ein Ort von vielen, ein Hügel unter Dutzenden, die im Krieg komplett zerschunden wurden. Man könnte noch die beiden Forts und das Beinhaus besichtigen, doch das ist uns heute nicht mehr möglich. Wir sind geschafft von den Eindrücken.