Ipoh, abseits der Touripfade

Ewig ziehen die Palmölplantagen sich an den Gleisen entlang. Malaysia bedient zusammen mit Indonesien 80 Prozent des Weltbedarfes. Ipoh heißt unser nächstes Ziel, eine kleine Großstadt, überwiegend bewohnt von chinesisch-stämmiger Bevölkerung mit nettem Flair, kolonialer Altstadt und Streetart-Kunstszene.

Hier findet man noch das ursprüngliche Malaysia, heißt es. Tatsächlich ist die Stadt irgendwo zwischen Verfall und Aufbruch. Ein koloniales Erbe der Engländer sind die kleinen Reihenhäuser: Vorn ist stets ein Laden oder ein Lokal, hinten raus gibt es Zugang zu den „lanes“, Hinterhofgassen, wo die Mauern oft mit zeitgenössischen kunstvollen Graffitis verziert sind. Wir streifen stundenlang durch die Stadt und suchen die verschiedenen Kunstwerke auf, zwischendrin erfrischen wir uns mit Kaffee oder einer Pause im Stadtpark am Fluss. Die Wirtschaft wird überwiegend von Chinesen beherrscht, aber viele der Geschäfte stehen leer, einige Häuser sind verfallen. In einer oder zwei Straßen macht sich Aufschwung bemerkbar mit hippen Lokalen, Cafés und Designergeschäften.

Im indischen Viertel gibt es das beste Essen für einen Spottpreis: Zwei Portionen des Tagesmenüs, dazu zwei Lassi, das klassische Joghurtgetränk kosten 23 Ringgit (~unter 5€). Hier hat es uns immer geschmeckt. Achtung allerdings, nicht überall gibt es Besteck, denn die meisten Kunden essen mit den Fingern vom Bananenblatt. Am Nightmarket direkt bei uns um die Ecke konkurriert mindestens ein Dutzend chinesischer Schnellrestaurants um die Kundschaft; jedes scheint eine besondere Spezialität anzubieten: Salted Chicken, grilled Pork und steamed Chickenlegs – unser Geschmack ist es nicht. Gestern folgten wir nichtsahnend der Empfehlung des Kellners und bekamen zwei Teller Glibberzeug in unterschiedlichen Farben und marginal unterscheidbaren Konsistenzen, einmal eher schlabbrig wie Gelatine und einmal eher wabbelig wie Wackelpudding. Der Geschmack war nicht einzuordnen, die zerkleinerten knusprigen Schweinekrustenteile am Grunde des Tellers haben wir allerdings mit leichtem Ekel herausgeschmeckt. Wir reden uns ein, dass dies das echte unverfälschte Essen wie in China ist, eine Erfahrung allemal.

In jedem Fall muss ich mein Bild vom Menschen aus dem Reich der Mitte differenzieren. Der geneigte Leser sei erinnert an meine frühere Polemik über Selfie-Stick schwingende Volksgenossen, die bar jeden Feingefühls auf anderer Leute Intimsphäre und Zehen herumtrampeln. Zwar hat der Chinese auch in Ipoh im Allgemeinen weder Tischmanieren noch Esskultur (über Nasenziehen, Spucken und andere Körpergeräusche will ich an dieser Stelle beredt schweigen), nichtsdestoweniger haben wir hier durchaus nette Chinesen kennengelernt. Unsere Wirte beispielsweise bemühen sich wirklich um unser Wohl und kochen auch sehr gut; in der Stadt haben wir verschiedentlich von freundlichen Chinamenschen Auskunft erhalten, die übrigens auch gestimmt hat. Das ist, nebenbei bemerkt, in Asien durchaus nicht selbstverständlich: Oft fragt man irgendwelche Leute nach dem Weg und erhält irgendeine falsche Auskunft – nicht aus bösem Willen; sondern weil der Befragte die rechte Antwort nicht wusste, dies aber nicht zugeben konnte. Die Kunst ist es in so einem Fall, an der eher klaren oder eher unbestimmten Art der Antwort zu erkennen, woran man ist.