Bula ist unser erstes Wort auf Fidschi. Es bedeutet mehr als nur Hallo oder Willkommen. Wörtlich heißt es Leben. Bula wird überall als Gruß verwendet, aber auch wenn jemand niest. Der Gruß wünscht dem Gegrüßten besonders in der ausführlichen Formel Ni sa bula vinaka Glück und fortwährende Gesundheit. Jedenfalls stimmt uns der erste Eindruck schon mal sehr positiv ein: Am Flughafen Nadi begrüßt uns schon vor der Passkontrolle ein Trio bunt gekleideter Männer. Mit Ukulele, Gitarre und Perkussion bringen sie den frisch gelandeten Besuchern ein munteres Ständchen. Die Beamten beim Zoll tragen statt Uniformen bunte Hemden, alles wirkt sehr entspannt und angenehm. Auch unser Rum aus Singapur und die malaysischen Nüsse, die wir dabei haben, sind kein Problem.
Unser Ziel heißt Rakiraki am nördlichsten Kap der Insel, dort haben wir eine Bure (Bungalow, Hütte) für vier Tage gemietet, denn man soll da ganz hervorragend tauchen können. Zunächst hatten wir Bedenken gehabt wegen der Weiterreise dahin: Gut hundert Kilometer etwa, für die man drei bis vier Stunden rechnen muss. Wir hatten gelesen, dass es kaum öffentliche Verkehrsmittel gäbe und die Taxis extrem teuer seien. Die Rezeption unseres Hotels hatte leider auf unsere Emails wenig Sinnvolles geantwortet, also haben wir es einfach drauf ankommen lassen. Wieder mal bestätigt sich die alte Weisheit: Man darf nicht alles glauben, was man so liest. Auf Anraten von Michel, einer Reisebekanntschaft vom Flughafen Singapur, laufen wir einfach geradeaus bis zur Hauptstraße und steigen in den ersten Bus, der vorbeikommt. Jeder, den wir fragen, gibt freundlich Auskunft, Bula eben. Danach ergibt sich alles wie von selbst: Bis Lautoka kommen wir problemlos, dort steigen wir um. Weiter geht es auf der King’s Road entlang der Nordküste der Insel: Matawalu, Natawarau, Ba, Natanuku, Tavua, Korovou – klingt einfach schön. Einfache Bungalows mit Blechdächern säumen die Straße, die meist recht gepflegten Vorgärten sind mit weiß gestrichenen Steinen und alten Autoreifen dekoriert. Zuckerrohr und etwas Mais werden angebaut. Es fühlt sich an wie eine Mischung aus Sri Lanka und Karibik: Der Bus hat weder Klimaanlage noch Fensterscheiben, dafür laute Musik. Benutzt wird er von dunkelhäutigen Einheimischen, wir sind die einzigen Bleichgesichter. Die Landschaft ist grün und bergig. Die Leute sind freundlich, kraushaarig und ziemlich beleibt. Nach einiger Zeit merke ich: Da stimmt irgendetwas nicht – ich muss ein wenig überlegen und dann kommt es mir: Wir haben Asien verlassen! Hier starrt kein Mensch mit abgewinkeltem Genick in sein Wischlkastl. Wenn überhaupt jemand ein Mobiltelefon benutzt, dann telefoniert er damit! Die Straßen sind schlecht, je weiter wir kommen, umso schlechter werden sie und umso mehr leert sich der Bus. Wir rücken nach vorn zum Triumvirat Fahrer – Schaffner – Schaffnerlehrling. Die drei teilen sich einen Karton Traubensaft. Der Fahrer ist sehr entspannt: Mit der einen Hand führt er die Safttüte an den Mund, während er mit der anderen Hand sein altmodisches Tastenhandy hält; man fragt sich, wie er lenkt. Die anderen beiden turnen bei voller Fahrt an der offenen Bustür herum, dass es mir ganz anders wird. Wir kommen ins Gespräch, alle drei sind sehr interessiert an uns. So ergibt sich nebenbei eine Fahrgelegenheit für die letzte Strecke von der Busendstation zum Hotel: Der Bruder des Schaffners hat ein Taxi. So ist die Anreise viel schöner als per Hoteltransfer und billiger noch dazu. Ab Flughafen kommen wir auf insgesamt 36 F$ (~15€) statt 150 bis 250 F$ per Taxi oder über das Hotel.
Unser angeblich ganz einfaches Resort ist der reine Luxus, wir kommen uns vor wie Graf Koks und Gräfin Klunker. Die Strandhütte entpuppt sich als Riesenbungalow im Palmenhain. Wenn wir ein paarmal umfallen, landen wir direkt im Meer. Es gibt ein Restaurant mit riesiger Terrasse über dem Strand, freche Rußbülbüls – hübsche kleine Vögelchen – sitzen auf der Balustrade und manchmal auf unseren Tellern. Die Damen im Restaurant sind klassische Südseeschönheiten: Alle ziemlich stämmig, kurzes krauses Haar, sie sind superfreundlich und haben stets eine Blume hinterm Ohr, das gehört einfach dazu. Man liest uns alle Wünsche von den Augen ab und das Fidschibier erweist sich auch als durchaus trinkbar. Mit der traditionellen Kava-Zeremonie sind wir dann endgültig angekommen; die Mädels nennen mich Papa Jo. Zwar ist auf Viti Levu nichts billig, aber ich habe mir vorgenommen, hier nicht ständig zu rechnen. Sicher müssen wir auf unser Budget achten, denn ein Jahr unterwegs ist kein zweiwöchiger Strandurlaub. Aber in Südostasien haben wir die erste Zeit sehr sparsam gelebt, also wird uns die Woche auf Fidschi hoffentlich nicht ruinieren.
Das Tauchen hier ist sehr schön und aufgrund Strömung und Seegang ziemlich anspruchsvoll. Die passablen Sichtweiten um 10-20 Meter, die intakten Riffe mit zahllosen bunten Fischen und Korallen und die allgegenwärtigen Riffhaie lassen mich inzwischen kaum noch in Begeisterungsstürme ausbrechen, denn ich bin nach den Tauchgängen in Tulamben, Gili und vor allem Komodo total verwöhnt. Neulich sagte ich zu meiner Frau: Wenn jetzt noch ein Walhai daherkommt, kann ich mir ein anderes Hobby suchen. Die Padi-Basis hier beim Hotel verfügt über zwei schnelle Festrumpfboote und gutes Material. Jede Tarierweste ist mit einer Boje und Signalmitteln ausgerüstet. Ich schreibe mich für die nächste Ausfahrt ein; ein später Nachmittagstauchgang und ein Nachttauchgang sind geplant. Mit den einheimischen Guides und der kleinen Gruppe US-Amerikaner mache ich mich rasch bekannt, aber beim Bootsbriefing bin ich doch überrascht, als Annie, die Bootsfrau mir erklärt, auf welchen Frequenzen der Funknotruf läuft. Das habe ich so bisher nirgends erlebt – liegt aber wahrscheinlich daran, dass hier einfach weit rundum nichts kommt. Wer hier abtreibt, hat einen langen, einsamen Weg nach Australien vor sich. Beim Tauchen auf Sicherheit zu achten versteht sich von selbst, bei einem Dekounfall müsste der Verletzte im Tiefflug bis Neuseeland gebracht werden – keiner will das. Eigentlich tauchen dann auch alle recht vernünftig, abgesehen von einem der Amerikaner. Der dicke Dan aus Hawaii ist ein echter Unterwasserrambo, spielt mit allem herum, was er sieht, fängt die kleinen Krabben, ärgert Sepien und verschreckt die Weißspitzenriffhaie, indem er grapschend auf sie zu und mir vor die Kameralinse schwimmt. Am anderen Tauchtag ist er nicht dabei, alles ist entspannt. Hart- und Weichkorallen von wunderbarer Schönheit, gemusterte Nacktschnecken, Krebse, bunte Fische aller Größen und vor allem das riesige Riff mit vielen Tunnels die wir durchtauchen lassen die Grundzeit im Flug vergehen. Strömung und Seegang sind teilweise ziemlich heftig, besonders in der Oberflächenpause zwischen den Tauchgängen muss ich aufpassen, dass ich mein Frühstück bei mir behalte. Die Preise fürs Tauchen sind beachtlich: 350F$ (165€) für einen Doppeltankausflug, 400F$ (179€) für die Nachttauchgänge und dazu noch die Leihgebühr für die Ausrüstung 75$ (30€).