28.09.2019 Per Taxi sind wir von Phnom Penh nach Kampot im Süden des Landes gefahren, Durchschnittstempo unter 40, ein Schlagloch geht ins nächste über. Vor lauter Staub ist die Sicht derart schlecht, dass man sowieso nicht schneller fahren könnte. Rechts und links der Straße immer wieder überflutete Landschaft.
Mama’s Family Guesthouse empfängt uns sehr herzlich. Wir chillen den Nachmittag in der Bar am Flussufer. Jamaika-Feeling am Beach, Rastas mit allem Zubehör, aber auch ganz normale Leute. Hier sind ein paar Aussteiger hängengeblieben: Der Sachse F. lebt mit seinem Hund seit zwei Jahren auf diesem Fleckchen Erde. Die Finnen B. und L. auch schon seit einigen Monaten. Nette Leute, offen und freundlich. Und anspruchslos. Aber viel herumgekommen sind sie alle nicht, weder in Kambodscha noch auf der Welt. Im Revierverhalten der Bambushütten-Langzeitmieter entdecken wir Parallelen zu deutschen Dauercampern: Sitzgarnituren, Blumenkübel, Zäunchen. Fehlt bloß noch der Gartenzwerg, Dreadlocks hin oder her. Nie hätte ich diesen Ort als Dauerwohnsitz gewählt. Trotz aller Schönheit der Natur und des Flusses wäre es mir hier auf Dauer zu schmutzig, zu schwül und zu heiß. Für den einen oder die andere ist aber wohl die Verfügbarkeit von Weed das wichtigste Argument für die Wahl des Wohnorts.
Mit den 125er Honda Leihroller düsen wir zum Krabbenmarkt nach Kep. Die kleine Stadt liegt direkt am Meer, von hier wäre es auch nur noch ein Katzensprung nach Vietnam. Das Angebot am Markt ist riesig, berühmt ist Kep auch für die vergorene Fischpaste „Cambodian Cheese“, die reinste biologische Waffe. Man muss aber nicht alles probieren. Vor allem Schalentiere wie Prawns in allen Größen und Krabben, aber auch Tintenfische und Makrelen werden direkt aus dem Meer in großen Körben auf die Mole gebracht. Man kann sich aussuchen, was man will, die Meeresfrüchte werden sofort an Ort und Stelle gekocht, gebraten oder gegrillt. Lecker!
Nach dem Speisen erkunden wir das Hinterland mit dem nicht ganz geheimen „Secret Lake“. Die Schlammpisten sind teilweise besser zu befahren als die Staubstraßen, zumindest brennt der Modder nicht in den Augen. Ein paarmal rutschen uns die kleinen Rollerreifen weg, mitten rein in die tiefsten Matschlöcher. Wir sind schon auf dem Heimweg, denn es dämmert und ein Gewitter zieht auf. Da bricht bei Felix‘ Roller zu allem Glück noch die Innenhülse vom Gasgriff. So geht es nicht mehr weiter. Wir fragen uns durch, aber auch im nächsten Weiler spricht niemand englisch. Stattdessen gesellen sich ein paar ältere Männer zu uns. Wir sind offenbar die Attraktion des Samstagabends: Der eine kauft gleich ein Dutzend Bierdosen bei dem Kramerladen, wo wir unter dem großen Blechdach Schutz vor den ersten dicken Tropfen suchen. „Plop, Zisssch!“, drückt er jedem von uns eine geöffnete Bierdose in die Hand. Natürlich müssen wir mittrinken, auch wenn uns gar nicht danach ist. Andrea und Tami fahren mit dem verbliebenen funktionierenden Roller heim ins Guesthouse, während Felix und ich auf den herbeigerufenen Mopedvermieter warten. Ein paar Biere später rutscht tatsächlich ein großer Sornthaew-Pickup mit Sitzbänken auf der Ladefläche durch den Matsch auf uns zu. Doch der Mann, der aussteigt, erklärt, noch bevor wir ihn begrüßen: „This is not my motobike!“ Wie sich später herausstellt, hat unsere Wirtin den Quittungsblock des falschen Vermieters verwendet, folglich haben wir dem Kramer die falsche Nummer zum Anrufen gegeben. Der Mann, der jetzt hier mit seinem Auto in die öde Matschwildnis herausgefahren ist, ist wenig begeistert – trotzdem ist er bereit, uns mit in die Stadt nehmen. Stellt euch mal vor, bringt Felix später den treffenden Vergleich: Der Papa kriegt einen Anruf, seine Vespa steht in Erlbach. Er spannt natürlich gleich den Hänger an den Mondeo und ab dahin. In Erlbach steht irgendein Roller, aber nicht seiner, daneben zwei Kambodschaner, die immer wieder sagen: Altötting, Altötting. Da tät der Papa die doch auch mitnehmen, oder?
Der Versuch, den Roller auf die Ladefläche zu heben, scheitert jedoch, auch wenn die halbe Dorfgemeinschaft mit hebt, zieht, drückt. Das Ding ist einfach zu groß. Doch zuvor gilt es noch, die beiden hartnäckigen Trinkväterchen loszuwerden. Wir setzen den einen bei sich zu Hause ab, doch er besteht darauf, dass wir noch sein Haus ansehen sollen. Nach langem hin und her entlässt er uns, nicht ohne uns die Tüte mit den restlichen Bieren mitzugeben. Es ist mittlerweile stockfinster, der Regen hat wieder nachgelassen.
Mal sehen, was aus dem Fahrzeug wird – momentan habe ich andere Sorgen. In der Nacht wird es mir schlecht und ich habe Fieber, den nächsten Tag werde ich im Schonmodus verbringen.
30.09.2019
Von wegen Schonmodus, wohl eher ausradiert. Zwei Nächte und den Tag dazwischen liege ich fiebrig in unserer Bambushütte. Leider ist es nicht gerade die komfortabelste Hütte, im Gegenteil. Es ist die primitivste, die wir bisher hatten. Ein Raum, nicht viel größer als das Bett, auf Stelzen zwei Meter über dem Erdboden, das Dach aus Palmblättern geflochten, keine Wände, sondern Flechtwerk, Bambusstangen und verblichene Tücher. Toilette und Dusche sind ein stinkiges Kämmerchen mit einem Wasserschlauch als Waschgelegenheit und Spülung. Einziger Vorteil dieser Sanitäranlage: Ein riesiger Gecko wohnt hier – was ich erst zwei Tage später mitbekomme. Zum Glück bekomme ich nicht viel mit, sondern dämmere vor mich hin.
Heute, am Montagmorgen ist das Fieber weg. Trotzdem möchte ich ausschließen, dass ich mir etwas von der üblen Sorte eingefangen habe… Malaria, Dengue etc. Also setzen wir uns auf den Roller – Andrea will unbedingt mit – und düsen ins Krankenhaus. Das Sonja Kill Memorial Hospital ist die modernste Klinik in der Gegend. Zum Glück sind wir noch nicht auf Koh Rong, da wäre der nächste Doktor viele Stunden entfernt.
Hier geht es ganz westlich und ordentlich zu: Aufnahme, Voruntersuchung mit Blutdruck- und Fiebermessen, Konsultation beim Doktor, Blutabnahme, Labor, Abschlussgespräch, Kasse. Nur dass es bei jeder Station ziemlich lange dauert. Ich bin natürlich nicht der Einzige, der hier heute Hilfe sucht. Viele Frauen mit ihren Kleinkindern und Babys warten auf die Sprechstunde. Das Hospital hat einen Schwerpunkt auf Geburtshilfe und Nachbetreuung der Neugeborenen. Wir schäkern mit den Kleinen und tauschen uns mit den Alten über unsere Beschwerden aus. Nach zwei ausgiebigen Regengüssen und fünf Stunden habe ich die Diagnose: Keine Malaria, kein Denguefieber. Nur eine ganz normale Virusinfektion. Wir sind erleichtert. An der Kasse dauert es nochmal eine halbe Stunde, unser letztes Geld geht drauf: 150 Dollar. Daheim wäre es mit dem Labor teurer gewesen. Wir rollern durch den Nieselregen nach Hause zu Mama’s.
Nachtrag: Der Gecko hat über 30 cm und heißt Catweazle. Auch er ist hier hängengeblieben, an den Gestank aus dem Abfluss hat er sich nicht nur längst gewöhnt: Er sagt, er kann gar nicht mehr ohne.