Die Alz fließt bei Seebruck aus dem Chiemsee und schlängelt sich teils beschaulich, teils auch ein wenig abenteuerlich durchs hügelige Voralpenland. Ab 1. Juli darf man die Strecke bis Altenmarkt mit einem Boot befahren; in der ersten Jahreshälfte ist der Fluss aus Umweltschutzgründen gesperrt, denn viele Wasservögel brüten in den Schilfgürteln an den Ufern. Besonders ruhig geht es auf der ersten Teilstrecke bis Truchtlaching zu, der zweite Teil ab der Bootsrutsche beim Cambabräu reizt uns da schon mehr. Hier gibt es ein paar Stellen mit Wildwassercharakter – berüchtigt ist der linke Flussarm an der Offlinger Insel.
Heute führt die Alz sehr viel Wasser, denn es hat in der letzten Woche recht viel geregnet, während wir auf unserer Deutschlandtour waren. Sowohl Fließgeschwindigkeit als auch Wasserstand sind so hoch, wie ich es bisher hier noch nicht erlebt habe. Wir durchfahren die ganze Strecke von etwa 16 Kilometern bis zur Wiese an der Aussetzstelle in der Laufenau vor Altenmarkt in rekordverdächtigen zwei Stunden. Anschließend schwingen wir uns auf unsere Drahtesel, die wir bereits auf dem Hinweg in Altenmarkt abgestellt hatten, radeln zurück nach Seebruck zum Auto und fahren damit dann das Kanu in Altenmarkt holen. Ein schöner Tag!
In Würzburg treffen wir unsere Tochter Pia, die uns aus Erlangen per Zug entgegen gereist kam. Ein Spaziergang führt uns einmal um die Residenz, durch die Altstadt und hinunter zur Mainbrücke.
Leider haben wir die Parkuhr nur sehr knapp gefüttert, deshalb verweilen wir nicht länger, nur ein Frozen Joghurt muss es noch sein. Doch es ist so heiß in der Stadt, dass wir uns lieber an den Erlabrunner Badesee begeben. Hier kann man es gut aushalten! Aber das beste ist unser heutiges Nachtlager: Zwischen Kiefernwäldern und Weinbergen finden wir einen wunderschönen Platz nahe Dertingen. Hier springen in der Abendwärme unzählige Heuschrecken herum; später in der Dämmerung fliegen uns die Fledermäuse um die Köpfe und als es ganz dunkel wird, leuchten uns einige Glühwürmchen. Eine wunderbar ruhige Nacht in der Natur!
Die Landschaft zwischen Main und Tauber an der Grenze von Württemberg und Franken ist lieblich, Burgen thronen über romantischen Flusschleifen und entzückenden Dörfern; Kopfsteinpflaster überall und Fachwerkhäuser wie aus der Modelleisenbahn. Wir erklimmen den Burgberg zu Wertheim, streifen durch die Residenz des Deutschritterordens Bad Mergentheim und vertilgen schließlich noch Pizza in Igersheim.
Wieder haben wir für die Nacht einen Platz erster Klasse gefunden: Ein Parkplatz hoch über dem Dorf bietet Aussicht aufs Abendrot, eine Grillstelle und Spielplatz (beides brauchen wir nicht) sowie schöne Bäume, an denen wir unsere Campingdusche befestigen können.
Der romantische Höhepunkt unserer Fachwerk-Rundreise ist dann eindeutig Rothenburg ob der Tauber. Heuer, im Coronajahr soll es ja hier recht ruhig zugehen – normalerweise ist die ganze Stadt verstopft von asiatischen Touristen. Man sagt sich, die Chinesen würden gern hierher reisen, um all den Souvenirschrott zu kaufen, der zuvor in China hergestellt wurde. Tatsächlich genießen wir einen ruhigen Tag in dem wunderhübschen Ort, die anderen Besucher sind überwiegend Deutsche.
Abends kommen wir in Erlangen an, wo wir noch eine Nacht bei unserer Tochter verbringen; genauer gesagt chillen wir noch gemeinsam in ihrem Zimmer im Studentenwohnheim, schlafen tun wir dann wieder getrennt; sie bei sich und wir in unserem Bus im Wäldchen um die Ecke. Am letzten Tag kaufen wir noch gemeinsam ein für das Wochenende, dann ist es Zeit für den Abschied.
Auf der letzten Etappe unserer Deutschlandreise besichtigen wir noch die Walhalla bei Regensburg. Seit Jahren schon haben wir uns vorgenommen, hier vorbei zu schauen. Nun haben wir es endlich gesehen und gut. Eindeutig zu viel Ehrengedöns und Vaterlandsstolz für unseren Geschmack. Ein riesiger Prachtbau, einem griechischen Tempel nachempfunden, steht monumental am Berghang. Darin befindet sich eine Sammlung von 131 Büsten und 65 Gedenktafeln, die an Personen, Taten und Gruppen, allesamt „teutscher Zunge“ erinnern. Nur 13 der Geehrten sind Frauen. Uns beeindrucken Protz und Prunk wenig. Trotzig ehre ich unsere Reisemaskottchen Nosi Nashorn und Hasi Häschen mit einem Platz in der Ehrenhalle, wenn auch nur ganz kurz. Die beiden wollten da eh nicht bleiben, das haben sie mir gesagt. Unser persönlicher Höhepunkt des Tages ist dann doch das Abendschwimmen im Reischacher Badesee.
Die Rückreise ist schon wieder beinahe gehetzt – inzwischen haben wir Treffen mit Freunden in Unterfranken und mit unserer Tochter in Würzburg verabredet. Ja, so eine Deutschlandreise ist kein Spaß! Immerhin bleibt noch Zeit für einen Spaziergang am Hohen Hagen bei Dransfeld zwischen Hannover und Kassel. Der berühmte Mathematiker Karl-Friedrich Gauß vermaß von hier aus das Königreich Hannover; später war die Gegend berühmt für ihren Basaltabbau; aber auch Goethe hat den Hügel schon erklommen. Wo war der eigentlich nicht?
Das nächste Highlight ist die spätmittelalterliche Fachwerk Hannoversch Münden. „Wo Werra sich und Fulda küssen, sie ihren Namen büßen müssen – und hier entsteht durch diesen Kuss – deutsch bis zum Meer – der Weser-Fluss.“ Also klardeutsch: Fulda und Werra fließen hier zusammen; ab hier heißt das Gewässer Weser. Die Altstadt ist bezaubernd; sie beseht aus über siebenhundert wundervoll restaurierten Fachwerkhäusern. In der städtischen Pfarrkirche ruht der aus Spottliedern bekannte Doktor Eisenbart – den gab es nämlich wirklich. „Ich bin der Doktor Eisenbart, kurier die Leut‘ nach meiner Art. Kann machen, dass die Blinden gehn, und dass die Lahmen wieder sehn…“ Doch auch hier gibt es ein grausiges geschichtliches Ereignis zu berichten: Einst ließ der katholische Feldherr Tilly im Namen der Gegenreformation 1626 fast die gesamte Bevölkerung hinmetzeln. Wir fahren weiter nach Witzenhausen zum Craftbierbrauer Schinkel und schlagen uns den Bauch voll mit Weckewerk und Bratkartoffeln. Diese nordhessische Spezialität ist sehr lecker, aber äußerst fettig. Es handelt sich um gekochtes Hackfleisch, das anschließend in viel Fett kross angebraten wird. Ein naher Wanderparkplatz im Kaufunger Wald ist unser Nachtquartier.
Die Städte Bad Brückenau und Bad Kissingen liegen auf dem Weg; unseren Geschmack treffen sie eher nicht. Gastronomie und Shoppingangebot richten sich offenbar auf die Zielgruppe Ü70 aus, wir fühlen uns jedoch noch zu jung für Diabetikernahrung und Stützstrumpfhosen, nicht einmal das Spielkasino kann uns locken. Dafür genießen wir den Besuch bei unseren Freunden in Elfershausen umso mehr. Bis spät sitzen wir gemeinsam auf der Terrasse, denn es gibt viel zu erzählen.
Morgens schwimmen wir eine Runde im See und machen uns dann auf den Weg nach Nord-West. Die kleinen Dörfer sind wunderhübsch, aber es scheint, dass in den meisten davon der tote Hund begraben ist: Reine Schlafgemeinden. Wenn es Geschäfte gibt, dann üblicherweise am Ortsrand die übliche Parade: Netto, Kik, Tedi und manchmal noch ein Sonderposten-Baumarkt.
Duderstadt haben wir schon fast umrundet, da erhaschen wir einen Blick auf die wunderschönen spätmittelalterlichen und Renaissance Fachwerksfassaden. Kurzentschlossen legen wir eine kleine Rast ein und bestaunen die entzückende Altstadt. Der nächste Stopp ist dann in Hildesheim, wo wir die romanische Michaelikirche und das Knochenhauerhaus bewundern. Welch eine Architektur und Handwerkskunst!
Jetzt müssen wir noch eine kurze Rast einlegen, denn wir sind platt. Leider ist nun eine größere Etappe zu bewältigen: Nach all der Trödelei haben wir nun bis zum Abend doch noch 239 km vor uns.
Das Wochenende bei unseren Freunden in Glückstadt verbringen wir fröhlich plaudernd, auf schönen Fahrradtouren, bei Kaffee, leckerem Kuchen, frischen Torten und Bier. Während coronabedingt halb Deutschland an Nord- und Ostsee urlaubt, radeln wir an den Elbstrand von Krautsand (Modder bis zum Knie!) und umrunden das Atomkraftwerk Brokdorf (am Kühlwasserauslauf zur Elbe wird’s uns warm!). Den Abend lassen wir im Glückstädter Ratskeller bei lecker Matjes und Kutterscholle ausklingen.