Yogyakarta

Dienstag, 13.10.2019 im Zug von Jakarta nach Yogyakarta

Fast eine Stunde brauchen wir mit dem Zug, bis das Stadtgebiet und die Vororte Jakartas hinter uns liegen. Mein Sitzgegenüber, ein sehr freundlicher und kontaktsuchender Mann namens Farid hält mich auf Trab. Er spricht zwar kaum Englisch, ist aber trotzdem sehr gesprächig. Ich bekomme mit, dass er ein Imam ist und sich sehr für die Verbreitung des Islam einsetzt. Gerade kommt er von einer Studienreise aus Pakistan zurück. Erst als wir gemeinsam fotografiert sind, Lebens- und Familiengeschichten ausgetauscht sind, kehrt Ruhe ein und ich kann lesen oder schreiben. Befremdlich dabei: Andrea ignoriert er vollkommen. In Cirebon steigt der Imam aus, bekehrt hat er mich nicht.

Die Landschaft ist weitgehend flach. Den Pflanzen auf den Feldern sowie den Bäumen ist anzusehen, dass hier die Regenzeit bereits dringend erwartet wird. Hellbraun und Ocker sind die vorherrschenden Farben, inmitten der riesigen Reisfelder immer wieder schwarze Brandflächen, wo das Stroh verbrannt wurde. In der Ferne sind erst einzelne Berge, dann eine hohe Bergkette erkennbar. Die Landschaft ändert sich, als wir nach Zentraljava kommen und die Schienen eher Richtung Süden führen: Immer hügeliger wird es, vor Trockenheit fast kahle Wälder wechseln mit landwirtschaftlichen Flächen. Mehrfach überqueren wir fast komplett ausgetrocknete Flüsse. Hinter dem Gebirge wird es wieder flacher. Nach über acht Stunden Zugfahrt rollen wir in Yogyakarta ein.

Yogyakarta ist ein Zentrum der Batik- und Handwerkskunst, außerdem gibt es viele junge zeitgenössische Künstler und Kulturschaffende. Galerien stellen traditionelle und moderne Kunst aus, die Straßen sind voll mit Streetart. Es gibt aber auch viele Nepper und Schlepper: Jeder Taxifahrer scheint es, ist im Nebenberuf Künstler und Galerist, jeder will uns gleich in seine Galerie abschleppen, die angeblich nur noch heute geöffnet hat und in einer halben Stunde schließt. Die 3,5 Millionen-Stadt ist viel übersichtlicher als Jakarta. Wir geraten wieder mitten hinein in einen Riesenrummel: Eine Art Karnevalsumzug lähmt den kompletten Verkehr: Tausende stehen entlang der Strecke, um den Wägen, Sängern, Trommlern und Tänzern zuzusehen.

Wir quetschen uns mit unseren Riesenrucksäcken hindurch. Was gibt es besseres als hungrig, durstig, total verschwitzt und müde dringend ein Klo zu brauchen und sich gleichzeitig durch eine feiernde Menschenmenge zu kämpfen? Ein Taxi zu nehmen, ergibt wenig Sinn – die Autos sind langsamer als wir zu Fuß. Mehrfach bieten sich Fahrradrikschafahrer an, aber wie soll das gehen? Zwei Leute, zwei große Rucksäcke, dazu noch zwei kleine? Unmöglich. Es sind nur fünf Kilometer, aber am Ende sind wir am Ende.

Im ViaVia kommen wir gut unter: Es ist ein Hostelprojekt, welches ethisch korrekte, soziale und ökologische Ziele verfolgt. Mit dem Mietroller steuern wir die Feuertaufe im indonesischen Verkehr an. Es gibt nur eine Verkehrsregel: Keine Regeln! Was die Sache noch interessanter macht, ist der extrem dichte Verkehr. Ich bin inzwischen vollkommen abgestumpft. Wer in Deutschland so fährt, wie es hier alle tun – ich eingeschlossen – würde sofort zurecht aus dem Verkehr gezogen. Rote Ampeln sind eine Art völlig unverbindliche Dekoration des öffentlichen Verkehrsraumes. Überholt wird, wo Platz ist. Wenn zwischen zwei Autos mehr als 50 Zentimeter Raum bleibt, muss man die Lücke nutzen, bevor es andere tun. Geblinkt wird NIE. Der Rückspiegel dient ausschließlich zum Aufhängen des Schutzhelms. Nein, im Ernst: Ich bin „mit Abstand“ der defensivste Fahrer weit und breit.

Der Tempel Prambanan ist zusammen mit dem Borobodur der größte und bedeutendste antike Tempel Indonesiens. Erbaut im 9. Jahrhundert ist er bald nach seiner Fertigstellung verfallen und in Vergessenheit geraten. Er ist eins der wenigen Relikte der hinduistischen und buddhistischen Ära des Landes. Uns gefallen die vielen wunderschönen Tempel durchaus, aber mit Angkor Wat können diese in unseren Augen keineswegs mithalten. Die Steintürme liegen in einem recht sterilen weitläufigen Park – der wilde Dschungel Angkors war eher nach unserem Geschmack.

Auch den Borodbodur haben wir angeschaut, er hat uns noch weniger umgehauen. Vielleicht sind wir einfach abgestumpft nach all der Pracht, die wir bisher schon gesehen haben. Die gut einstündige Rollerfahrt zum Borobodur war sehr anstrengend, aber beeindruckender als der Tempel selbst. Zuerst durch die Vorstädte Yogyas, dann zwischen Feldern und entlang an Kanälen, schließlich über Bergstraßen und entlang reißender Flüsse. Der Borobodur ist groß und steinern, die Andenkenläden und Souvenirverkäufer sind zahlreich und aufdringlich. Zurück fahren wir über die „Autobahn“ und geraten in einen Regenschauer.

Yogyakarta, Donnerstag, 17.10.2019