Te Pua ist ein Erlebnispark der besonderen Art: Auf dem weitläufigen Gelände gibt es viele Fumarolen, also Löcher in der Erdkruste, aus denen Dampf aufsteigt. Darüber hinaus kocht in einigen Kuhlen blubbernder Schlamm. Es gibt ein Nachthaus mit Kiwis sowie einen riesigen Geysir, der beinahe pünktlich jede Stunde eine 30 Meter hohe Dampf- und Wasserfontäne ausspeit. Ausstellungen und Darbietungen zur Kultur der Maori komplettieren das Angebot.
Rotorua dagegen finde ich schrecklich, weil voller Touris. Es sind so viele Menschen hier, dass wir keinen Platz auf einem Camperer ergattern können. Dabei wollten wir unbedingt duschen! Also fahren wir zurück zum Okere Wasserfall und baden uns dort im Fluss – statt duschen, aber natürlich ohne Seife. Die Nacht bleiben wir auf dem freeCamping Parkplatz. Mit Giada und Ettore, unseren italienischen Nachbarn unterhalten wir uns noch sehr gut und lange.
Der weltweit höchste Wasserfall, der von kommerziellen Raftingtouranbietern befahren wird, ist der sieben Meter hohe Okere Fall. Der glasklare Fluss Kaituna schlängelt sich hier durch schroffe Felsen. Gestern Abend hatten wir noch beobachtet, wie ein paar Rafts den Wasserfall herabgestürzt sind, heute sind wir mit dabei. Eine Riesengaudi! Sechs Leute, ein Guide und ein Gummiboot, das sind die Zutaten. Vierzehn Wasserfälle und zahllose Stromschnellen durchfahren wir in einer guten Stunde.
Lisa ist 58. Vor acht Jahren hat sie sich ihr Moki, das traditionelle Gesichtstattoo stechen lassen. Eigentlich, finden wir, sieht sie gar nicht so Maori-like aus, aber die Oma und die Uroma waren Maorifrauen. Ich frage sie, ob das nicht wahnsinnig weh getan hat: Ihr ganzes Kinn und die Unterlippe sind mit geschwungenen, schwarz ausgefüllten dicken Linien bedeckt. Die Oberlippe ist komplett gefärbt. Darüber hinaus trägt sie ein Emblem in der Mitte der Stirn und weitere Tattoos auf Hals, Händen und Oberarmen. Ja, sagt sie, der Schmerz sei fast unerträglich gewesen, besonders an den Lippen. Aber sie fand es einfach wichtig, zu den Traditionen und der Kultur ihrer Ahninnen zu stehen. Sie führt die Awhi Farm, ein Zentrum für nachhaltiges Leben. Wir haben die Gelegenheit, hier zu übernachten und genießen die positive Atmosphäre des Ortes. Nachhaltigkeit praktiziert Lisa hier schon seit rund zehn Jahren: Solarduschen, ökologischer Gemüseanbau, Komposttoiletten und Unabhängigkeit vom Stromnetz gehören dazu. Das Ganze wird durch junges WooF-Personal (Working on organic Farms) aus aller Herren Länder unterstützt. Eine wilde kleine Kommune, die versucht ein bisschen Etwas zur Rettung des Planeten beizutragen. Wir freunden uns mit Honey, der Farmhündin und Künney, der Haussau an. Beide wohnen ganz dicht neben der Küche, eigentlich schon fast in der Küche, denn da fallen wohl die besten Leckerbissen ab. Alle Facilities sind in kleinen offenen Hütten untergebracht, die sehr fantasievoll ausgebaut und angemalt sind. Ein wunderbarer Platz!
Taupo sticht dagegen total durchgestylt und tourimäßig ab. Alles
ist voll mit Motorbooten, Campervans und Heerscharen von Menschen. Die Stadt
ist voll auf Fremdenverkehr eingestellt. Überall geht es rund, die Straßen sind
voller Autos, die Gehsteige voller Menschen. Mir wird schon ganz anders. Endlich
finden wir das i-Site, eine Art Tourismusbüro. Ich bin enttäuscht, als die Dame
am Empfang es ablehnt, unser Tablet zu
laden. Nach zwei Tagen im Outback sind die Akkus erschöpft – eigentlich hatte
ich auf mehr Freundlichkeit gehofft. Aber der Tourismus ist inzwischen eine
respektable Geldquelle für Neuseeland geworden, und so lässt man eben nichts
aus. Ich könne das Gerät schon hier laden, aber dafür müsste ich dann soundsoviel
bezahlen. Ich lehne dankend ab und verlasse den Ort des Grauens. So lange, wie
das Laden dauert, kann ich es hier nicht aushalten.
Ein kurzer Abstecher zum Huka-Fall bestätigt mir dieses
Gefühl: Auf der kleinen Brücke über den Wasserfällen drängeln sich etwa 30
Personen, meine Laune rauscht schneller
talwärts als das Wasser hier. Wir fliehen Richtung Nordost in die Nähe der
Thermalquellen und der seismisch aktiven Zone von Rotorua. Ein kurzer Besuch
bei den „Craters of the Moon“ stimmt uns ein: Hier gibt es Fumarolen und kleine
kochende Schlammtümpel zu sehen. Über der gesamten Gegend liegt ein dezenter
Duft von fauligen Eiern – Schwefeldampf.
Abgesehen davon nimmt die allgemeine Verlotterung nun
wirklich drastische Formen an. Statt zu duschen, gehen wir kurz in einem
eiskalten See schwimmen – das ist ja noch akzeptabel. Socken in Sandalen sind
zugegebenermaßen stiltechnisch inakzeptabel, kältebedingt jedoch normal. Die
Steigerung: lange Hosenbeine in den Socken (die in Sandalen stehen) – ein
ModeGAU, aber: Wenn doch die Sandfliegen jeden unbedeckten Millimeter Haut
gnadenlos attackieren! Der Superlativ: All die vorher genannten Verfehlungen,
und dazu noch ein offener Hosenstall. Hier schaut keiner, niemand nimmt Anstoß,
es ist schlichtweg egal. Hier laufen so viele Leute derart lässig-schlabbrig
rum, es ist unglaublich. Sobald man eine der Schiebetüren öffnet, steigt
sowieso irgendein Kleidungsstück aus. Bevorzugt die schwarzen langen Unterhosen,
die wir beinahe jede Nacht anhaben, fliehen aus dem Auto und suhlen sich im
Dreck… entsprechend hängen sie voller trockener Grashalme, das sieht sehr
hübsch aus.