Die Magellanpinguine auf der Isla de Magdalena haben ihre ganze Insel für sich. Besucher dürfen nur auf einem abgesteckten Pfad einen etwa zwei Kilometer langen Rundweg gehen, aber sobald ein Pinguin über den Weg will, hat dieser „Vorfahrt“. Die Ranger und Guides passen sehr gut auf, dass sich alle Touristen daran halten. Uns gefällt der Besuch bei den putzigen Vögeln sehr, auch wenn der Wind extrem kalt ist und von allen Seiten zugleich zu blasen scheint.
Magellanpinguine werden bis zu 25 Jahre alt, sind etwa vier Kilogramm schwer und bis zu 70 Zentimeter groß. Sie tauchen etwa 12 Minuten lang und bis zu 100 Meter tief nach ihrer Nahrung, Sardinen und ähnlichen kleinen Fischen. Wenn sich ein Paar gefunden hat, graben sie flache Erdhöhlen und das Weibchen legt nach nur zwei bis drei Tagen zwei Eier. Beide Eltern wechseln sich beim Brüten und später beim Großziehen der Küken ab. Da hier in der Magellanstraße das Nahrungsangebot so reichhaltig ist, kann ein Alttier schon nach sechs bis acht Stunden genug Fisch für sich und den Nachwuchs fangen. In anderen Kolonien, etwa auf den Falklands dauert dasselbe zwei Tage – dort überleben selten beide Küken, während das hier auf Magdalena die Regel ist. Sobald die Kleinen ihren Federflaum verloren haben und das wasserdichte Federkleid der Erwachsenen tragen, ziehen alle Tiere der Familie ihrer getrennten Wege. Die Jungen wandern vier Jahre auf der Südhalbkugel mit den Meeresströmungen über Argentinien bis Brasilien den Atlantik hoch, andere wählen die Pazifikseite und kommen bis Nordchile oder weiter. Viele tausende Kilometer schwimmen sie, ohne jemals festes Land zu betreten. Die Jungen suchen sich zur Paarungszeit und Brut nach vier Jahren einen Partner, der dann lebenslang der gleiche bleibt. Erstaunlich, wie die Tiere nicht nur genau zurück zu dieser winzigen Insel, sondern auch zu ihrem Partner und zur alten Bruthöhle finden.
Der Friedhof von Punta Arenas ist nicht nur einer der südlichsten Chiles, sondern es soll auch der schönste ganz Südamerikas sein. Uns beeindrucken die aufwendigen Gruften reicher Großgrundbesitzer kaum mehr als die einfachen Grabstellen armer Leute. Egal wie viel Geld einer gehabt haben mag, von den meisten bleibt nur ein Name und vielleicht ein paar Zahlen auf einem Grabstein. Viele der Grabstellen sind verfallen, die wenigsten scheinen regelmäßig gepflegt zu werden. Offenbar werden die Gräber hier nicht bloß für ein paar Jahre vermietet. Plastikblumenschmuck oder wilde Ringelblumen und Mohn? Geschmackssache. Kilometerlang sind die Wände mit den Urnenfächern. Viele davon haben die bizarr mit Nippes dekoriert. Plastikschafe, Winkekatzen und Schneemänner lassen auf Vorlieben der Verstorbenen oder der Hinterbliebenen schließen.
Am Denkmal des unbekannten Indiojungen hängen viele Danktafeln für erfüllte Wünsche. Aufgestellt wurde es hier um an die zahllosen Menschen der indigenen Völker zu erinnern, die von den weißen Siedlern umgebracht wurden. Es soll Glück bringen, der bronzenen Staue des Indianers die Hand zu schütteln, jedenfalls ist das Metall dort ganz blank. Genauso der glänzende Fuß des Indianers am Denkmal Hernando Magellans: Ich sehe zu, wie ein Mann seinen kleinen Sohn hochhebt, damit dieser sich an den Fuß hängen und diesen küssen kann. Warum frage ich mich, mussten die Völker der Selk‘nam und Yaghan erst ausgerottet werden?
Wir laufen rund vier Kilometer an der Autobahn entlang. Der eisige Wind bläst uns zum Glück in den Rücken. Nur wenn wir uns umdrehen, bläst er uns ins Gesicht. Warum müssen wir uns überhaupt umdrehen? Um zu schauen, ob nicht vielleicht doch ein Collectivo, ein Sammeltaxi in unserer Richtung unterwegs ist. Für 500 CLP (60 Cent) kann man einsteigen und so weit mitfahren, wie man möchte. Aber nur, wenn gerade ein Collectivo da ist. Unserem Fall eben leider gerade nicht. Eigentlich sind wir heute schon genug gewandert. Erst waren wir im Nationalpark. Etwa acht Kilometer sind wir durch einen wunderbaren Wald südlicher Buchen und über Hochmoor- und Heidelandschaften gelaufen, leider die meiste Zeit im Regen und schneidenden Wind.
Am nordöstlichen Ende der Stadt gibt es ein Schiffsmuseum. Zwischen Werftgeländen und Freihafen hat dort ein Mann seine Mission gefunden: Er baut historische Schiffe nach. Die Victoria, mit der Magellan 1519 die Welt umsegelte, sowie Darwins Beagle. Auch Shackletons Ruderboot liegt hier im originalgetreuen Nachbau, Maßstab 1:1. Unfassbar, dass Menschen mit diesen vergleichsweise winzigen Wasserfahrzeugen riesige Ozeane überquert haben.
Kennt ihr die Geschichte von Ernest Shackleton? Ein echter Held und verhinderter Entdecker. Bei einer gescheiterten Südpolexpedition (1914-17) wurde sein Schiff, die Endurance im Packeis festgefroren und nach fast einjähriger Drift zerquetscht. Die Männer campierten monatelang auf einer Eisscholle, bis sie mit den drei Rettungsbooten viele Kilometer durchs Treibeis der Antarktis zur unbewohnte Insel Elephant Island manövrierten. Da diese jedoch öde und weitab aller Schiffahrtsrouten lag, machte sich Shackleton mit fünf seiner Leute auf, Hilfe zu holen. Mit einem winzigen Ruderboot segelten sie mit dem Mut der Verzweiflung 15 Tage lang bis Südgeorgien, wo sie schließlich auf Walfänger trafen. Doch es dauerte noch Monate und mehrere Versuche, bis Shackleton auch die zurückgebliebenen Männer von Elephant Island holen konnte. Ironie der Geschichte: Alle Mitglieder überlebten diese unglückliche Expedition in Kameradschaft und Fürsorge ihres Leiters. Wenige Monate später ließen die meisten ihr Leben auf den Schlachtfeldern des ersten Weltkrieges. Wir können in die Schiffe klettern und uns fühlen, wie damals die Entdecker. Und das am historischen Ort, direkt an der Magellanstraße! Am meisten berührt hat mich die Geschichte von Jemmie Button. Der junge Feuerlandindianer wurde wohl von Kapitän Robert FitzRoy, dem Kapitän der Beagle im Jahr 1830 entführt – oder nach anderer Lesart für einen Knopf gekauft und nach England mitgenommen. Im Jahr darauf, auf der zweiten Fahrt der Beagle brachte man ihn zurück in seine Heimat. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat er wieder bei seinem Volk Fuß gefasst und wollte auch später nicht mehr nach England zurück. Angeblich war Jemmy im Jahr 1859 am Wulaia Massaker beteiligt, als eine Gruppe Missionare von Yaghan Indianern getötet wurden. Michael Ende inspirierte die Geschichte Jemmy Buttons zu seinem Buch Jim Knopf.