Die Läden im Viertel heißen Supermercado, Minimarket, Maxikiosco oder Dispensa. Wer meint, aus diesen Bezeichnungen Rückschlüsse auf die Größe des Ladens ziehen zu können, irrt sich aber gewaltig. Die meisten sind winzig. Mit einigen Metern Abstand wartet man in der prallen Sonne auf der staubigen Straße, bis der Platz vor dem Türgitter frei wird. Dann gibt man seine Bestellung auf, der Verkäufer sucht alles zusammen, was er da hat. Man bezahlt und bekommt die Waren durchs Gitter oder über den Stacheldrahtzaun gereicht. Ich besuche die verschiedenen Geschäfte im Wechsel, um möglichst viele Leute kennenzulernen und an Informationen zur Lage hier zu kommen. Bisher sind fast alle freundlich zu mir, nur wenige wollen nicht mit uns reden. Heute geht Andrea zum ersten Mal zum Einkaufen.
Wir haben den Grund der Wasserknappheit erfahren: Brasilien hat seine Staudämme geschlossen, es kommt fast kein Wasser mehr in den Iguazufluss. Die Wasserfälle liegen praktisch trocken. Die Ansaugrohre des Wasserwerks ragen aus der Wasseroberfläche. Momentan speist ein kleiner Nebenfluss, der Mboca-i die Wasseraufbereitungsanlage, der liefert jedoch nur 300 Kubikmeter pro Stunde, das bedeutet eine Reduzierung um 75 Prozent. Dies führt nicht nur zu Wasserknappheit, sondern betrifft darüber hinaus die fünf Wasserkraftwerke der Region. So erklären sich auch die immer häufiger auftretenden Stromausfälle.
Wir verwenden Grauwasser für die Toilettenspülung und dies auch nur noch für große Geschäfte, verwenden Frischwasser nur abgekocht zum Trinken und waschen uns mit dem Waschlappen, statt zu duschen. Blöd, dass man sich ständig die Hände waschen soll… ohne Wasser wird das schwierig. Wir achten darauf, dass unsere Geräte stets vollgeladen sind, um den nächsten Stromausfall auf Akku zu überbrücken.
Heute tauen wir unseren Kühlschrank ab; im Eisfach liegt bereits ein kleiner Gletscher. Das Eis legen wir in unseren Kochtopf, um es zum Abspülen zu verwenden.
Die Stimmung ist schlecht. Wir haben eine Whatsappgruppe gegründet für Gestrandete in Iguazu, insgesamt sind wir sieben Schicksalsgefährten. So ist es leichter, an Informationen zu kommen und diese zu verteilen. Außerdem sind wir in mehreren Facebookgruppen. Es scheint, dass die Verteilung der Plätze im Rückholflieger völlig willkürlich erfolgt. Wir wissen von Leuten mit kleinen Kindern oder Babys, die nicht für den Flug am 1.4. benachrichtigt wurden. Andererseits wurden aber junge allein reisende gesunde Leute gefragt, ob sie den Flug wahrnehmen möchten. Offenbar gibt es Kompetenzgerangel zwischen Botschaft und Konsulat. Die Informationen, die wir erhalten, sind nicht konsistent. Außerdem sind die Aktionen der einzelnen europäischen Länder bei weitem nicht aufeinander abgestimmt: So haben wir erfahren, dass ein Bus kommen soll, um die Franzosen aus den nördlichen Provinzen abzuholen. Weder die französische noch unsere Honorarkonsulin wussten davon allerdings etwas! Von einer Weißrussin haben wir den Link zu einem Formular erhalten, wo man sich für diesen Bus eintragen kann. Jetzt muss unsere Konsulin noch einen förmlichen Antrag beim französischen Konsulat/Botschaft stellen, damit man uns auch mitnimmt. Der Konsul von Weißrussland hat das offenbar viel schneller hinbekommen als die deutsche Bürokratie.
Es gibt auch etwas Erfreuliches zu berichten: Eine nette Frau, die wir persönlich nicht kennen, hat uns ihre Wohnung in Buenos Aires zum Übernachten angeboten – falls wir es irgendwann dorthin schaffen sollten. Sie ist die Bekannte von Freunden.