Freunde haben sich für uns verwendet und alle möglichen Stellen angeschrieben. Ich war von dieser Idee zunächst nicht begeistert, weil ich befürchtete, dass dies die ohnehin knappen Kapazitäten der Behörden zusätzlich belastet. Außerdem wollen wir keine Bevorzugung gegenüber anderen Gestrandeten. Auf die Mailaktion hin hat sich bei mir die Honorarkonsulin in Eldorado, etwa 100 Kilometer südlich von hier gemeldet. Das war ein großer Lichtblick und ein Hoffnungsschimmer. Die Konsulin klang sehr engagiert. Danke, das habt ihr geschafft! Nach unseren schlechten Erfahrungen mit dem Konsulat in Posadas hatten wir es nicht in Betracht gezogen, uns an sie zu wenden, zumal laut Botschaft alle Konsulate geschlossen sind. Ich habe ihr geschrieben, wo wir genau sind und alle Kontaktmöglichkeiten.
Nun möchte ich euch alle bitten, von weiteren Interventionen abzusehen und die zuständigen Stellen ihre Arbeit tun zu lassen, insbesondere die deutsche Botschaft in Buenos Aires.
Was tun wir? Die elektronische Kommunikation und das Durchecken der verschiedenen Internetseiten braucht eine Menge Zeit, macht uns aber gleichzeitig nervös. Lieber beschäftige ich mich damit, verschiedene Dinge in unserem Apartment zu reparieren. Der Anschluss der Gasflasche und der Abfluss vom Waschbecken sind mit kleinen Streifen Klarsichtolie abgedichtet, das abgerissene Sat-Kabel neu verdrahtet, die Klimaanlage im Schlafzimmer und die Zündung vom Gasherd repariert. Zum Glück ist das Haus ein rechte Bruchbude und die Handwerker hier echte Pfuscher, so geht ständig etwas anderes kaputt und ich habe bis jetzt immer etwas zu tun. Ansonsten spielen wir Stadt-Land-Fluss beziehungsweise Krankheit-historische Person-alkoholisches Getränk auf Kassenzetteln vom Supermarkt. Auch Teekesselchen und heiteres Beruferaten sind sehr beliebt, alles was das Hirn flott hält und ein wenig ablenkt. Außerdem haben wir jetzt drei Avokadokerne, mit denen wir jonglieren üben.
Wie geht es uns? Jeden Morgen wache ich auf und zögere zunächst, den Tag zu begrüßen, aufzustehen und ans Handy zu gehen. In den paar Stunden Schlaf können wir wenigstens die Situation vergessen, wenngleich der Schlaf lückenhaft und zerrissen ist. Irgendwo in der Nachbarschaft ist praktisch durchgehend zwischen einem und ein paar Dutzend der unzähligen Straßen- und Wachhunde am Bellen. Zudem liegen wir oft wach und grübeln. Ist es die richtige Entscheidung, nach Buenos Aires zu fliegen? Für Mittwoch, den 1. April haben wir einen Inlandsflug gebucht. Onlinebuchen ist jetzt wieder möglich. Ob der auch wieder gecancelt wird wie der letzte, stellt sich bald heraus. Andererseits soll die Situation am Flughafen mies sein: Am Montag ist der erste Rückholflug aus Buenos Aires nach Deutschland abgeflogen. Rund 100 Deutsche haben ihn nicht erreicht, die Plätze wurden an andere Europäer vergeben. Nun campieren Gestrandete dort ohne Versorgung auf den Gängen. Wer es wagt, in die Stadt zu fahren, wird von bewachten Bussen in eins der wenigen Hotels gebracht, die noch für Ausländer geöffnet sind. Link zum Weltspiegel Podcast: „So schnell wie möglich nach Hause“. So betrachtet, haben wir echt Glück mit unserem Vermieter und diesem Apartment. Im Übrigen spricht man davon, dass der Flughafen BA bald geschlossen werden soll und außerdem die Ausgangssperre bis Ostern verlängert wird.