Gestern mussten wir kurz nach 22 Uhr unsere Bleibe verlassen. Wir kommen uns vor wie in einem schlechten Film, es wirkt alles so surreal auf uns. Ein paar kurze Zeilen von Fede, unserem Vermieter, Blitzpacken unserer Siebensachen und eine Viertelstunde später standen wir auf der Straße. Nachbarn in der Wohnanlage hatten sich bei unserem Vermieter beschwert, weil Pia gehustet hat. Sie hat sich beim Wechsel zwischen eiskalter Klimaanlage und schwülheißem Wetter draußen erkältet. Nein, sie hat bestimmt kein Corona, typische Anzeichen wie Fieber fehlen, dafür hat sie Schnupfen, was auch dagegen spricht.
Zum Glück hatte Fede eine andere Unterkunft für uns. Nach langem
und bangem Warten kam endlich ein Taxi. Die neue Ferienwohnung ist sogar noch
größer, dafür sehr hellhörig. Dank Ausgangssperre fährt nur sehr wenig Verkehr,
aber die Mopeds und Lastwagen, die alle paar Minuten vorbeikommen, scheinen
direkt durchs Wohnzimmer zu brausen. Der Gasherd funktionierte erstmal nicht
und der Kühlschrank fiel auseinander, aber beides habe ich noch in der Nacht
repariert, ich habe ja sonst nicht viel zu tun. Diese Nacht habe ich kaum ein
Auge zugetan. Die Nachbarschaft ist ärmlicher als die vorherige. Es gibt
reichlich Straßenhunde, die ständig im Clinch liegen mit den Wach- und Kettenhunden
der Einwohner. Wir bemühen uns, sehr leise zu sein und überhaupt nicht
aufzufallen.
Gestern haben wir erfahren,
dass nach dem schlimmen Regen das Denguefieber umgeht. Corona ist hier bisher
noch nicht, aber Dengue. Diese Erfahrung möchte ich uns unbedingt ersparen.
Viele Menschen leben hier von einem Tag auf den anderen, sie hatten insbesondere in der Rezession der letzten Jahre keine Chance, finanzielle Reserven zu bilden. Wir befürchten, dass Teile der Bevölkerung irgendwann Probleme bekommen, sich mit dem Nötigsten zu versorgen. Dann wird nicht mehr gehamstert, sondern geplündert.
Es ist schwer, unter den gegebenen Umständen gefasst und ruhig zu bleiben, zumal wir hier sehr wenige Dinge haben, um uns zu beschäftigen. Die Versuchung ist groß, ständig am Handy zu hängen und nach neuen Informationen zu suchen, aber das macht einen auf die Dauer irr.
Wir haben uns ein Tagesprogramm überlegt, damit wir geistig klar bleiben: Aktuelle Info, Gymnastik, Frühstück, Putzen, Spiele, Spanisch lernen, Geschichten erzählen, nochmal Gymnastik, wieder Info, Kochplan überlegen, Einkaufsliste, Einkaufen (falls möglich, sehr beliebt), wieder Gymnastik, gemeinsam kochen, Essen, nochmal Info.
Wir denken viel an unsere Lieben daheim, Verwandte und Freunde; Menschen, denen es vielleicht noch schlechter geht. Nach der Pandemie wird die Welt nicht mehr dieselbe sein. Wie immer bringt die Krise die besten und die schlechtesten Charakterzüge in den Menschen hervor. Wir haben heute Nacht beides erlebt, aber bestimmt kann da jeder von euch seine eigene Geschichte erzählen in diesen Tagen.