Zurück nach Chiang Mai

Die Plätze im Minibus haben wir uns bereits gestern gesichert. Eine halbe Stunde vor Abfahrt sind wir da, denn ich möchte mir einen der zwei Plätze sichern, wo ich meine langen Beine ausstrecken kann. Die Fahrt von gut 130 Kilometern dauert rund dreieinhalb Stunden zum Preis von 150 Baht pro Person. Diesmal teilen wir uns den vierzehnsitzigen Toyota Lanna mit einer thailändischen Großfamilie. Zunächst erschrecke ich ein wenig, als ich die schreienden Kinder und die laut schnatternden Frauen sehe. Sobald sich der Bus in Bewegung setzt, wird es rasch ruhiger und bald schlummern alle brav. Der Fahrer ist ein Könner seiner Zunft, ein echter Kurvenoptimierer. Auf den schlängeligen Bergstraßen holt er vor jeder Haarnadelkurve weit aus und nutzt die gesamte Straßenbreite inklusive Gegenfahrbahn aus, um auf der Ideallinie zu fahren. Zum Glück ist Sonntagmorgens noch nicht viel Verkehr. Die Straßenhunde sind hier wirkliche Straßenhunde, sie liegen schlafend mitten auf der Fahrbahn. Da ein echter Buddhist keinem Tier gern wehtut, werden die Tiere großräumig umfahren. Mir scheint, dass es in den letzten Jahren viel mehr dieser Straßenhunde geworden sind. Vor vier Jahren bei unserer letzten Reise hierher haben wir zwar auch welche gesehen, aber es waren bei weitem nicht so viele.  

Nachmittags schlendern wir durch Chiang Mai, das wir schon von unserer letzten Thailandreise kennen. Uns scheint, dass alles viel touristischer geworden ist. An jeder Ecke gibt es Hostels und Kneipen, die sich auf die Bedürfnisse der überwiegend jungen Backpacker eingestellt haben. Im Schlafsaal bekommt man teilweise ein Bett unter 100 Baht (~3€). Ich frage mich, ob da die Bettwanzen schon dabei sind. Auf dem Sonntagsmarkt in der Rachadamnoen Road reiht sich kilometerweit ein Stand an den anderen. Wir sind noch sehr zeitig dran und beobachten, wie die Verkäufer ihre Stände aufbauen. Dabei wird das ganze Viertel über Lautsprecher, die an den Laternen hängen mit einer Art Weihnachtsmusik in Endlosschleife beschallt.

Die meisten Ständler verfügen über faltbare Pavillons oder Sonnenschirme. Darüber breiten sie große Plastikplanen, denn auch hier kann es jederzeit einen kräftigen Schauer geben. Aber es gibt auch Verkäuferinnen, die nur eine kleine Decke am Boden ausgebreitet haben auf der sie inmitten ihrer Ware sitzen. Von Kokosnusslampen und -schalen über Kleidung aller Art, Holz- Porzellan-, Glas-, Stoff- und Plastikelefanten, Schmuck, Gemälden, Kunsthandwerk, Gewürzen, Obst und Gemüse gibt es alles erdenkliche an Krimskrams und typischen Andenken. Eigentlich wiederholt sich das Angebot alle dreißig Meter. Mich interessieren da schon eher die auch hier reichlich vertretenen Imbissstände mit ihren Leckereien. So kann man sich zum Beispiel Meerestiere am Spieß aussuchen, die dann gleich gegrillt werden. Schweinshaxen warten auf hungrige Esser, alle Sorten von Dumplings, Teigtäschchen dümpeln in riesigen Suppentöpfen, gegrillte Käfer, Heuschrecken, Skorpione und Taranteln gibt es auch – aber eher als Kuriosität. So richtig essen sehe ich die Leute das nicht. Als der Markt so richtig in Gang kommt, endet die Lautsprecherbeschallung. Dafür sorgen nun viele verschiedene Gruppen, Solisten und Chöre für das musikalische Rahmenprogramm. Einige der Sänger sind blind. Für Blinde ist es eine der wenigen Möglichkeiten, sich als Sänger den Lebensunterhalt zu verdienen.

Höhlenflop

Auch heute sind wir wieder mit unserem kleinen Leihroller unterwegs. In Richtung Norden gibt es noch einen Wasserfall und ein mehrheitlich von Chinesen bewohntes Bergdorf. Die Straße ist wirklich extrem kurvig und steil. Ein wenig bedaure ich, dass wir kein richtiges Motorrad unterm Hintern haben. Aber es macht auch mit dem kleinen 120ccm Roller viel Spaß, durch die Kurven zu flitzen. Ich bemühe mich sehr, den größten Schlaglöchern und Längsrillen auszuweichen. Wir haben nämlich kein großes Verlangen nach dem speziellen Tattoo, welches bei intensivem Kontakt zwischen Haut und Straßenbelag fast kostenlos entsteht. In den Straßen von Pai sind uns schon einige junge Leute mit Verbänden an den Ellbogen und Knien oder mit Gipsbeinen aufgefallen, die das offenbar schon ausprobiert haben. Gerade rechtzeitig mit den ersten Schauern kommen wir wieder daheim in unserer Stelzenhütte an. Während ich diese Zeilen schreibe, geht ein wahrer Wasserfall von Monsunregen nieder. Da möchte ich nicht unbedingt per Zweirad unterwegs sein, insbesondere nicht mit zweifelhaftem Reifenprofil.

Nachmittags gönnen wir uns noch einen Ausflug zur Höhle Lod. Den Roller haben wir schon zurückgegeben, es wäre auch ein wenig weit dorthin. Mit dem Sammeltaxi, einem Isuzu Spacecab Pickup brauchen wir fast eineinhalb Stunden. Die Sitzbänke auf der Ladefläche sind nur marginal gepolstert, Gurte nicht vorhanden. Zum Glück regnet es wieder einmal, so dass sich der Raum unter der Plane nicht besonders aufheizt. Mit der Höhle haben wir leider nicht das große Los gezogen. Durch die vielen Regenfälle in letzter Zeit stehen zwei der drei Höhlenbereiche unter Wasser und können nicht besichtigt werden. Offenbar ist die Nationalparkverwaltung  bei der Genehmigung von Höhlentouren seit dem Vorfall im Juli 2018 restriktiver, was ja auch nicht schadet. Auch wir wollen nur ungern vom Wasser eingeschlossen werden, wie die Gruppe Jugendlicher damals. Angeblich kann man hier abends zigtausende Mauersegler und Fledermäuse beobachten, die sozusagen bei Schichtwechsel in die Höhle rein beziehungsweise hinaus fliegen. Heute allerdings ist ziemlich Flaute.

Entweder es ist noch nicht die rechte Tageszeit, oder die Saison stimmt nicht. Jedenfalls sehen wir nur ein paar Vögel und keine Fledermaus. Dafür schlängelt sich am Geländer des Höhleneinganges eine wunderschön giftgrüne Schlange. Es ist spannend zuzusehen, wie sie über die Hälfte ihrer Körperlänge frei in die Luft erhebt, um dann in der Felswand Halt zu suchen. Irgendein kleiner Riss oder Vorsprung genügt ihr, um dann den Rest ihres Körpers nachzuziehen.

Die Höhlenführerin mit ihrer Gaslaterne kriegt jedenfalls beinahe einen Schreikrampf und rennt geduckt an dem Tier vorbei, an die gegenüber liegende Seite des Weges gedrückt. Als ich das Tierchen fotografiere, regt sie sich furchtbar auf und winkt herüber. Später lese ich nach: Die Nasen-Peitschennatter, auch bekannt als Baumschnüffler (kein Witz!) ist nur mäßig giftig. Die Begegnung mit der Schlange am Eingang war jedenfalls um Längen besser als die Höhle dahinter.

Mit einem kleinen Bambusfloß staken uns die Höhlenführer über eine kleine Wasserfläche, das ist Teil der Show. In der Höhle selbst ist es extrem stickig, heiß und stinkt. Die Tropfsteine sind groß und mächtig, von den Chinesinnen werden sie natürlich gebührend betastet. Für jemanden, der bereits andere Höhlen besichtigt hat, ist das Ganze nicht so beeindruckend und kaum die anstrengende Anfahrt wert. Allein, dass es hier keine elektrische Beleuchtung gibt, macht einen gewissen Reiz aus. Die ängstliche Führerin, die zunächst ihre Laterne nicht zum Brennen brachte, uns dauernd vor den Gefahren warnte und später gleich mal selbst auf dem unebenen Untergrund gestolpert ist, hatte auch Unterhaltungswert.