Pollonaruwa

Nach ein wenig Herumfragen finden wir den richtigen Bus, der Fahrer öffnet für unsere Rucksäcke eine Klappe auf der linken Außenseite des Fahrzeugs. Ich hoffe bloß, dass das Gepäck nicht total verdreckt und zerschlissen wieder heraus kommt. Werkzeug und Ersatzschläuche liegen auch in diesem staubigen Gelass. Ich frage noch vor dem Einsteigen, wann die Fahrt losgeht. Darauf blickt der Mann nachdenklich auf sein nacktes Handgelenk und meint nach ein paar Sekunden: twenty minutes. Also Zeit genug, etwas Obst und ein Gebäck zum Frühstück zu besorgen. Wieder kostet der Bus lächerliche 200 Lkr, (~1€) für 140 Kilometer, dafür sind wir abermals von 7:30 bis 12:00 unterwegs. Am Bus Stand in Pollonaruwa werden wir diesmal nur von einer kleinen Traube TukTukfahrern erwartet. Einer davon gewinnt unser Vertrauen.

Er bringt uns in sein Guesthouse am äußersten Rand der Siedlung zwischen einem Wäldchen aus Mango- und Papayabäumen, Kokospalmen, Bananenstauden und einem großen Reisfeld, das sich bis zum Damm des großen Stausees Bendiwewa erstreckt. Die Lodge hat nur vier Gästezimmer und wir sind die einzigen Gäste. Die Ruhe hier bietet eine angenehme Abwechslung zu der sonstigen lärmigen Betriebsamkeit überall. Der Familienbetrieb wird von Onkel und Neffe geführt, beide fahren TukTuk und sichern sich so ab und zu Gäste. Daneben gibt es noch den guten Hausgeist, trotz seiner eher mäßigen englischen Sprachkenntnisse ein sehr gesprächsfreudiger junger Mann, der hier putzt, kehrt und auf der Terrasse Bollywoodmovies anschaut. Er ist nicht der hellste Stern am Firmament, aber sehr freundlich und tierlieb. Schließlich gibt es noch Hinkebein, einen großen blonden Hund mit verkrüppelten Vorderbeinen, der stets mit einem Stupser seiner Schnauze Streicheleinheiten fordert.

Den Nachmittag verbringen wir mit einer längeren Radltour entlang des Sees und der Bewässerungskanäle, wo die Menschen Wäsche waschen und sich baden. Die Stadt ist so weitläufig, dass wir uns ein wenig verfahren und erst in der Dämmerung wieder nach Hause finden. Unser Hauswirt fragt uns schon auf der Fahrt, was wir essen möchten. Es gibt nämlich ein Restaurant, wo Fried Rice gemacht wird, eines wo es Rice Curry gibt und schließlich Pizza Hut. Letzteres kommt für uns nicht in Frage, obwohl wir mittlerweile die singalesische Speisekarte schon mehrfach rauf und runter gegessen haben. Generell kann man die hiesigen Restaurants nicht mit unseren vergleichen. Zumindest nicht die in unserer Preisklasse. Mit riesigen knallbunten Leuchtreklamen wird der zur Straße offene Laden beworben. Meist gibt seitlich einen (wegen der Fliegen) mit Glasscheiben abgetrennten Küchenbereich, wo man den armen Köchen bei der Arbeit zuschauen kann. Show Cooking in der Sauna, sozusagen. Der Gastraum ist wenig gastlich, man sitzt meist auf Plastikstühlen unter Leuchtstoffröhren. Wer will da schon länger sitzen bleiben? Bezahlt wird gleich nach dem Essen beim Chef, der wiederum abgesondert hinter seiner Kasse auf einem erhöhten Sessel thront. Mag sein, dass die Lokale in den exklusiven Hotels wohnlicher gestaltet sind. In Touristengegenden entlang der Hauptstraßen speisten wir auch schon in etwas gemütlicheren Kneipen; meist waren dies aber Ein-Frau-Betriebe und der Service entsprechend schleppend. Gestern erst hatte ich in so einem Laden ausgezeichneten Prawn Fried Rice, also gebratenen Reis mit Gemüse und Garnelen. Die Bedienung verschwand gleich nach Aufnahme der Bestellung nach hinten zum Kochen und tauchte auch nicht mehr auf, bevor das Essen fertig war. Andere Gäste hätten solange Pech gehabt. Bier gibt es übrigens nur auf Nachfrage; auf der Karte steht es nie. In überwiegend christlich bewohnten Gegenden hat man gute Chancen auf ein Lion Lager, an touristisch entwickelten Stränden ist es sowieso kein Problem, da gibt es sogar Cocktails. Als ich in Jaffna nach einem Bier zum Abendessen fragte, meinte der Kellner das sei kein Problem, er würde schnell eines besorgen. Ich weiß nicht, ob er sich wirklich auf sein Moped gesetzt hat und zum nächsten Wine & Liquor Shop gedüst ist oder vielleicht doch irgendwo einen kleinen Vorrat im Kühlschrank hatte. Das Bier kam jedenfalls nach ein paar Minuten und war gut gekühlt recht genießbar.

Polonnaruwa ist die letzte wichtige Stätte im kulturellen Dreieck. Hier war im 11. Und 12. Jahrhundert der Königshof, nachdem Anaradhapura von den Herrschern aufgegeben wurde. Ähnlich wie dort erstrecken sich die Ausgrabungsstätten über etliche Kilometer, am besten lassen sie sich per Fahrrad erkunden. Schon früh radeln wir los und versorgen uns noch mit eisgekühltem Wasser. Der Eintritt ist mit 4000 LKR (~20€) ziemlich gesalzen, doch die Ruinen sind wirklich sehenswert. Königspaläste, Bäder, Ratshallen, Mönchskloster, Stupas, sitzende, stehende und liegende Buddhas sowie Hinduschreine verteilen sich auf einer großen lichten Waldfläche. Der Tag ist flirrend heiß und wir sind dankbar, die meiste Zeit im Schatten gehen oder radeln zu können. An jeder Sehenswürdigkeit lauern lästige Andenkenverkäufer und diebische Affen – einer klaut mir tatsächlich eine Tüte mit Rotis (kleine Fladenbrote) aus der Außentasche meines Rucksacks.
Am besten gefallen mir die kunstvollen Steinreliefs an den Ruinen: Löwen, Elefanten, Büffel und Mataras, das sind krokodilartige Fabelwesen mit Stoßzähnen und Rüsseln, die oftmals Treppenläufe säumen und aus deren weitaufgerissenem Maul eine riesige, aufgerollte Zunge quillt, die als Balustrade für die Treppe dient.

Die historischen Stätten waren jahrhundertelang in Vergessenheit geraten und vom Dschungel überwuchert. Erst im 19. Jahrhundert stolperte ein britischer Offizier über die Relikte, später wurden die Stätten vom Bewuchs freigelegt, später archäologisch gesichert und restauriert. Ständig müssen Arbeiterinnen die Flächen mit Besen kehren und junge Pflanzen entfernen, sonst würde die Vegetation binnen Monaten die historischen Reste wieder verschlingen. Wir beobachten, wie die Wurzeln der Würgefeige Mauern sprengen, Termitenbaue wachsen in Bäume, Terassen, Treppen hinein.