Bye bye Penang

Nach drei Tagen in Georgetown sind wir ziemlich entnervt. Andreas Husten ist immer noch nicht besser und jetzt geht es bei mir auch los. Die Klimaanlage unseres Mini-Mansardenzimmers läuft nur unter gutem Zureden und sobald man die Kammer verlässt, meint man, einen Glutofen zu betreten. Der Versuch, ein Busticket zur Weiterfahrt online zu reservieren ist gescheitert, weil die Seite des Onlineticketportals unser Fahrtziel nicht annimmt. Nach endlosen Versuchen klappt es doch, aber ich kann nicht bezahlen. Paypal hat mich ausgesperrt und ich empfange keine Verifikations-SMS, um das Konto wieder zu aktivieren. Manchmal ist es nicht leicht, auf Reisen zu sein. Wir brauchen dringend etwas Schönes, um auf andere Gedanken zu kommen. Der Kek Lok Si Tempel soll sehenswert sein. Wir machen uns auf und fahren wieder mit dem Stadtbus etwa eine Stunde durch die Riesenstadt.

Unterwegs fragen wir uns, wie man so eine Stadt planen, bauen, bewohnen kann. Hier wird ein wunderbares Naturparadies sukzessive zubetoniert. Auch der Tempel begrüßt uns mit einer üblen Baustelle: Stahlbeton statt Spiritualität.

Kaum zu glauben, hier steht Malaysias erster und einziger Schrägaufzug am Berghang; fußfaule Pilger und Touristen benutzen ihn, um sich der Heiligkeit zu nähern. Als wir uns im Gewirr der Andenken-, Devotionalien- und Opferläden verlaufen, geben auch wir auf und steigen ein. Es ist wie im Tempel zu Jerusalem: Händler und Geldwechsler belagern den gesamten Ort. In dicken Bündeln verbrennen Räucherstäbchen, dutzendweise kokeln Opferkerzen vor sich hin.

Wir spenden ein paar Ringit und dürfen dafür jeder ein kleines Bändchen an einen Holzständer hängen; man kann sich für jeden Anlass oder Wunsch ein passend beschriftetes Band aussuchen. Wenn der Baum voll ist, können die Bänder einfach wieder zurück in die Fächer einsortiert werden. Wie praktisch und umweltfreundlich, denke ich mir.

Irgendwo zwischendrin finden wir rein zufällig eine Oase der Ruhe. Ein kleiner Pavillon auf einer hohen Terrasse, umgeben von blühenden Pflanzen und Hunderten stehenden Buddhas. Jede der Steinfiguren trägt ein linksläufiges Hakenkreuz, Symbole des Lebens. Wir lesen uns ein: Der größte buddhistische Tempel Malaysias entstand vor rund 120 Jahren – wie muss die Gegend damals schön gewesen sein. Der Mönch, der Tempel und Kloster gründete und später Abt wurde, hat den Platz wegen seiner besonderen geomantischen und Feng-Shui-Eigenschaften gewählt. Was würde er wohl sagen, wenn er die Stelle heute sähe. Die Stadt mit ihren lauten Straßen und hässlichen Hochhäusern hat das Idyll wie ein Krebsgeschwür von allen Seiten fest umschlossen.

Zwar sind wir immer noch nicht ganz auskuriert, Andrea hüstelt und schnupft und ich habe Probleme mit meinen Gelenken; aber wir haben jetzt die Nase voll von Penang. Außerdem müssen wir uns langsam in Richtung Süden aufmachen, denn am 25.11. geht unser Flieger von Singapur ab – die gut 700 Kilometer wollen wir in erträglichen Etappen auf dem Landweg zurücklegen. Endlose Palmölplantagen ziehen sich entlang der Autobahn, unser Fahrer telefoniert pausenlos. Bei allem Fortschritt: Das ist hier scheinbar noch nicht verboten.

19.11.2019, auf der Weiterreise nach Lumut und Pulau Pankor

P.S. Ja, ich weiß, dass die Seite nicht korrekt dargestellt wird. Ich habe das Problem seit dem letzten Update und arbeite daran.

Streetart und Streetfood

15.11.2019 Georgetown, Penang

Irgendwie werden wir nicht wirklich warm mit Malaysia. Den Lieblingsort haben wir noch nicht gefunden, uns ist es überall viel zu belebt, viel zu voll und viel zu laut. Das megatouristische Tanah Rata in den Highlands haben wir nach zwei Tagen fluchtartig wieder verlassen, der Bus brachte uns zurück über Ipoh nach Butterworth, wo wir in eine Fähre umgestiegen sind und auf die Insel Penang übergesetzt haben. Die Busfahrt führte uns zur Hälfte über bewaldete Gebirge, zur anderen Hälfte fuhren wir stundenlang durch Palmölplantagen. Hier sind wirklich gigantische Flächen mit Ölpalmen bepflanzt. Auch wenn sich malaysische Offizielle Mühe geben, ein ökologisches und nachhaltiges Feigenblatt herumzutragen – in der Kritik steht die Palmölindustrie wegen ihres Flächenverbrauchs auf jeden Fall.

Auch Penang scheint zunächst so gar nicht unseren Geschmack zu treffen: Von Inselidylle ist nichts zu spüren, vielmehr handelt es sich um eine weitere Großstadt. Zwar hat diese einen netten historischen Kern, den wir später erforschen wollen. Beide sind wir gesundheitlich etwas angeschlagen und brauchen erstmal etwas Ruhe.

16.11.2019

In einem foodstall beim Morning Market in Chinatown gibt es eine feine Suppe – am besten isst man immer da, wo viele Einheimische sitzen. Hier an einer Straßenecke wurde eine Art Eckkneipe eingerichtet, allerdings nach einem völlig anderen Konzept als bei uns: Die kahle, mit Plastikmöbeln bestuhlte Halle mit den etwa 40 Tischen wird umgeben von rund einem Dutzend mobiler Garküchen, die jeweils ein anderes Gericht anbieten: Verschiedene Suppen, Gemüse, gebratene Teigtaschen, Reis, Fisch, Schwein, Ente – eigentlich alles, außer das, was unsereins daheim so morgens isst. Wir sind aber schon längst akklimatisiert und würden bei Marmeladesemmeln inzwischen die Nase rümpfen. Man geht einfach zu einem der kleinen Wägelchen, fragt, was es gibt oder guckt in die Kochtöpfe hinein – das ist völlig in Ordnung. Wenn es sprachlich nicht klappen sollte, kann man immer deuten, was man essen will. Die Qualität der Speisen ist stets exzellent, alles wird super frisch zubereitet und die Preise sind lächerlich günstig. Wenn man sitzt, kommt meist noch jemand daher, der ein Getränk verkaufen möchte. Manchmal ist eine Getränkebestellung sogar obligatorisch, weil der Kaffee- und Teeausschank gleichzeitig für das Mobiliar sorgt. Übrigens ist es bei den Chinesen hier üblich, zum Essen lauwarmes Wasser zu trinken.

Ein Spaziergang durch die historische Altstadt führt uns nicht nur an schönen alten Gebäuden, Tempeln und Moscheen vorbei – Georgetown ist UNESCO Weltkulturerbe! – sondern auch mehr oder weniger unweigerlich zu allen möglichen Wandgemälden. Allerdings hat man hier bei weitem nicht das Exklusivrecht auf die direkte Fotoperspektive, vielmehr stehen teilweise bei den Bildern Schlangen von Touristen an.

Wir schlendern weiter, besichtigen noch das antike Klanhaus Cheah Kongsi und den Chew Jetty am Hafen, eng verbaut durch kleine Geschäfte mit großen Preisen. Im Hafenviertel gönne ich mir in einem Straßenlokal einen Fangschreckenkrebs, direkt aus dem Aquarium in die Pfanne. Mit reichlich Chili und Knoblauch ist das Tier wirklich sehr schmackhaft, auch wenn es mir leid tut. Ich muss an den Kollegen denken, den ich vor wenigen Tagen erst vor Flores beim Tauchen in seinem natürlichen Habitat beobachten konnte. Fangschreckenkrebse können ihre Fangzangen explosionsartig schnell „abschießen“, um damit Beutetiere, zum Beispiel kleinere Krebse zu betäuben. Die Wirkung ist wie bei einem Pistolenschuss, dabei werden Beschleunigungen von bis zu 8000g (Erdbeschleunigung) erreicht; ein menschlicher Lidschlag dauert etwa 40mal so lang wie ein solcher Beinschlag. Diesem Burschen hier auf dem Teller hat es nichts genutzt, in der Pfanne hat er dennoch sein Leben gelassen.