Paradies mit Schattenseiten

05.10.2019 Koh Rong, Kaoh Touch

Nun sind wir schon fünf Tage auf Koh Rong. Man könnte sich an das Leben auf der Insel gewöhnen. Die Sonne scheint jeden Tag, nachts gibt es einen ausgiebigen Regenschauer. Das Meer ist so lau, dass das Schwimmen kaum Abkühlung bringt.

Dieses Paradies wäre wirklich unfassbar paradiesisch, gäbe es den Menschen nicht. Wir wandern wunderbare Strände entlang, die Sonne und das Meer sind warm, die Laune gut, aber…

Es ist erschreckend, überall die Plastikmüllberge zu sehen. Freilich hat uns der Anblick bisher bereits durch ganz Südostasien begleitet, vielleicht sind wir zwischendrin sogar schon ein wenig abgestumpft? Hier, auf der Trauminsel ist der Kontrast zwischen der natürlichen Schönheit und dem menschgemachten Dreckhaufen aber so krass, dass es mich betroffen, traurig und wütend macht. Egal, wo wir langgehen, treten wir auf Plastikmüll. Am Strand findet sich kein Meter ohne Plastikflaschen, Tüten, Verschlüsse, Trinkhalme, Kunststoffbruchstücke, Fragmente von Plastikseilen und -netzen, unendlich viel Mist dergleichen. Freilich gibt es Strandabschnitte, wo kein Plastik liegt. An diesen Stellen hat nämlich der Restaurant- oder Resortbesitzer vor kurzem erst saubermachen lassen. Doch das Meer spült unermüdlich Nachschub an.

Vom Schwimmen bringe ich einen großen Gewebesack mit und wir sammeln los, bis wir diesen und einen zweiten voll haben. An Säcken herrscht kein Mangel, sie werden zwischen all dem andern Kram mit angespült. Als ich kurz vor einem üblen Sonnenbrand stehe, muss ich aufhören. Etwa zwanzig Meter des Strandes haben wir gereinigt. Das ist nichts angesichts des mehrere Kilometer langen Strandes. Schon gar nicht, wenn ich mir ausmale welcher Bruchteil der Küstenline Koh Rongs, Kambodschas, Südostasiens, der Welt das ausmacht. Egal, wenn wir damit einer einzigen Meeresschildkröte, einem Fisch oder einem Seevogel das Leben gerettet haben, war es das wert. Ein Hoffnungsschimmer kommt zum Schluss noch auf: Gerade als ich genug habe, beginnen zwei junge Frauen und ein Mann, mitzumachen. Ich freue mich und bin gerührt, dass sie meinem Beispiel gefolgt sind. Ja, ich darf ein Foto machen, dann sehe ich zu, dass ich in den Schatten komme.

Übrigens: Der Mist stammt nicht nur aus den Ländern Asiens! Deutschland verschifft über eine Million Tonnen Plastikmüll pro Jahr ins Ausland. Dort landet unser Müll zu großen Teilen in der Umwelt oder wird illegal verbrannt. Jährlich exportieren wir Tausende Tonnen Plastik unter anderem nach Südostasien: Industriemüll, Joghurtbecher, alles was im gelben Sack ist. Was bei uns strafbar ist, gehört hier zur Normalität. Näheres zum Thema sowie Quellenangaben erfährst du unter: Petition „Müll – Made in Germany“ von WeAct.
Für uns gibt es nur eine Konsequenz aus dieser Erfahrung: Nichts anderes als ein weltweites Verbot von Einwegartikeln und Verpackungen aus Plastik ist die einzige Hoffnung für unseren geschundenen Planeten. Mikroplastik ist bekanntlich bereits jetzt weltweit in den Meeren zu finden, egal ob Südostasien, Nord- oder Südpolarmeer. Sobald wir zurück sind, wollen wir uns einen plastikfreien Haushalt aufbauen.
Für alle, die jetzt denken: „Du armseliger Spinner, willst andere belehren und selber machst du eine Weltreise!“: Ja, wir haben selbstverständlich ein schlechtes Gewissen, aber wir tun unser Bestes und bemühen uns um Ausgleich. Weiteres bitte im Menü oben unter „Klimaneutral Reisen“ nachlesen.

08.10.2019 Koh Touch, 21.30 Uhr

Koh Rong

Eine Plastiktüte tanzt im Wind, die Benzinverkäuferin sitzt dick vermummt mit Jacke, Schal und breitkrempigem Hut hinter dem Gestell mit Glasflaschen. Hier gibt es Benzin aus Cola-, Schnaps- und Limoflaschen. Mir läuft der Schweiß herunter. Der Bus steht in der staubigen Glut neben der Straße. Der Fahrer ist, wie bei jedem Halt bisher mit zwei großen Gabelschlüsseln unter das Fahrzeug gekrochen, um etwas festzuschrauben, das sich bald darauf wieder löst. Für die Reise von Kampot zur Fähre hinter Sihanoukville müssen wir hundert Kilometer der schlechtesten Sorte überwinden. Der alte Seelenverkäufer bockt und springt, beim Schalten hört man Knirschen und Kreischen von Metall aus dem Getriebe. Hoffentlich hält die Kiste bis zum Ziel.

Sie hält! Sihanoukville muss früher ein netter Ort gewesen sein. Jetzt ist es das Letzte! Die Stadt ist dabei, komplett von rechts auf links umgekrempelt zu werden, oder andersherum. Jedenfalls stecken die Chinesen hier unglaublich viel Geld herein. Natürlich nicht ohne Hintergedanken. Bescheiden wie sie sind, beschriften sie ihre Geschäfte überwiegend nur in chinesisch – Neokolonialismus pur. Glückspiel, Baumafia und viel, viel Geld sind eine ungute Mischung. Jeder, den wir zuletzt trafen, hat von einem Besuch der Stadt abgeraten. Alles ist eine Baustelle, die Straßen sind unglaublich: Achs- und Federbruch sind programmiert. Mehr als Schritttempo ist nicht drin, die Schlaglöcher sind so groß, dass deutsche Kleinwägen darin Platz hätten. Es stinkt bestialisch, riesige Müllhaufen türmen sich übermannshoch überall, wo ein bisschen Platz ist. Augen zu und durch!

Leider müssen wir hier noch einen Zwischenstopp einlegen, werden dann Richtung Hafen gekarrt und müssen schließlich noch einen Kilometer durch die brütende Hitze laufen, mit den schweren Rucksäcken auf dem Kreuz. Die Fähre nach Koh Rong braucht eine knappe Stunde, endlich sind wir angekommen im Paradies.

Die Kinder haben uns bereits einen Bungalow herausgesucht und reserviert. Wir sind dankbar nach der Tortur. Paradise heißt unser Resort, und wir fühlen uns auch so. Die grüne Insel ist bewaldet mit Dschungel, außen rum Puderzuckerstrand, aber es gibt ausreichend Zivilisation in der Nähe. Was will  man mehr? Da noch Nebensaison ist, sind die Preise akzeptabel: Für 24 Dollar haben wir eine schöne strohgedeckte Hütte am Waldrand mit Meerblick. Es gibt einen Ventilator, ein Moskitonetz, eine Hängematte und ein paar Sitzbänke auf der Veranda, aber das beste ist das Naturbadezimmer im Freien. Den ersten Tag verbringen wir mit relaxen, easy-going und chillen. Von mir aus kann es morgen noch so weitergehen.

Koh Rong, 04.10.2019 18:25