Auf der Suche nach einer Bleibe sprechen wir mit vielen Hotel- und Hostelwirten, die uns allesamt ablehnen. Einer davon ist sehr mitfühlend, umarmt uns sogar herzlich, aber aufnehmen könne er uns nicht. Er riskiere seine Existenz, wenn er das täte. Als wir ihm erzählen, dass wir auch schon bei der Polizei (erfolglos) nachgefragt haben, reagiert er entsetzt. Geht bloß nicht zur Polizei, rät er uns in aufgeregtem und schwer verständlichem Spanisch. Mit Gesten zeigt er Handfesseln und Kopf-ab. Er fürchtet, dass man uns dann die Pässe abnehmen und irgendwohin bringen könne.
Letztlich haben wir ein kleines Apartment gefunden. Der Vermieter wusste offenbar noch nichts von den Restriktionen und übersieht auch offenbar noch nicht die bevorstehenden Folgen. Hoffentlich bleibt er bei seiner Zusicherung, dass wir hier bis auf Weiteres bleiben können. Wir haben jetzt erstmal für eine Woche gebucht und bezahlt. Das Apartment hat drei Betten, einen Tisch und eine Spüle, einen Kühlschrank und eine winzige Kochplatte. Wenn hier die Restaurants schließen, können wir uns selbst versorgen, ein Wasserkocher ist da, wir können das Trinkwasser abkochen. Noch kann man einkaufen, wir hoffen bloß, dass die Leute hier nicht zu hamstern anfangen. Mit unseren dürftigen Sprachkenntnissen und der schwierigen Informationslage sind wir sicher die Letzten, die davon etwas mit- und etwas abbekommen.
Wir haben hier zwar kein WLAN, aber gestern immerhin noch daran gedacht, unsere argentinischen SIMkarten aufzuladen. Bis auf weiteres sind wir also noch online. Wir haben noch Bargeld, wenn auch zu horrenden Gebühren abgehoben. Egal.
Wir haben uns mehrfach bei den deutschen Auslandvertretungen gemeldet, allerdings kommen von der Botschaft und vom Auswärtigen Amt lediglich allgemeine Infomails zu uns, verständlicherweise sind die Mitarbeiter wahrscheinlich mit wichtigeren Fällen befasst. Die Onlineseite der Krisenliste „Elefand“ ist zuletzt sporadisch erreichbar, offenbar total überlastet. Die Informationen des Auswärtigen Amtes und der Botschaft in Buenos Aires verfolgen wir natürlich.
Heute gibt es zwar noch letzte Busverbindungen aus Iguacu heraus, aber die Busse sind sämtlich ausgebucht. Flüge gibt es ebenfalls keine mehr. Ab morgen schließen alle Restaurants, Hotels und Geschäfte, die Quarantäne gilt landesweit. Die Grenzen zu den Nachbarländern sind bereits geschlossen. Iguacu ist eine Kleinstadt in Grenznähe zu Brasilien, es gibt sogar einen Flugplatz. Meine Einschätzung ist: Solange wir kein Flugticket haben, ist es besser hierzubleiben, als panisch irgendwohin zu fahren, wo wir dann möglicherweise ohne Unterkunft schlechter dastehen als hier. Schon gar nicht in einer Millionenstadt wie Rio, Buenos Aires oder noch schlimmer Sao Paulo. Ich stelle es mir wenig reizvoll vor, in einem relativ armen, von Rezession und Pandemie gebeutelten Land auf der Straße zu leben, wenn hier der Horror erst so richtig losgeht. Im Übrigen ist es jetzt generell wenig sinnvoll, herumzureisen. Kontakte einschränken, das ist ja wohl der Sinn einer Quarantäne, oder?
Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen dieser Krise sind nicht absehbar, zweifellos wird unsere Welt nicht mehr dieselbe sein. Vielleicht will der Planet uns zeigen, dass es genug ist? Gewiss hat Corona bereits jetzt mehr für das Weltklima getan als alle Klimaschutzpakete und Freitagsdemonstranten zusammen.
Wir danken den vielen lieben Freunden, die an uns denken und uns schreiben. Das tut gut. Wir denken auch an euch und wünschen euch mit ganzem Herzen, dass es euch gut geht.