Die Busfahrt ins nahegelegene Argentinien ist wieder eine einzige Schau. Die tiefstehende Sonne beleuchtet die Berge spektakulär, wieder sehen wir mehrere Kondore über den Gipfeln kreisen. Das Land ist so unglaublich weit. Solche Weite habe ich bisher nur in der Wüste oder am Meer erlebt. Doch hier ist es wieder ganz anders. Die langgestreckten Wolken unterstreichen die Weite noch, auf der riesigen Ebene ist nichts außer Grasbüscheln, Zäunen, ein paar Felsen und Sand. Immer wieder sind kleine Herden Guanakos zu sehen, ab und zu auch ein Nandu. Ein oder zweimal pro Stunde taucht eine Estancia naben der Straße auf; stets mit einem Windrad für die Wasserpumpe und ein paar Bäumen als Windschutz. Als wir aus der Hochebene ins Tal des Rio Santa Cruz herunter fahren, ist die Fernsicht überwältigend. Bis weit hinein in die Anden sind die Berge sichtbar, das sind etwa 200 Kilometer.
Doch schon kurz drauf sind wir angekommen in El Calafate, einer Kleinstadt mit riesiger Ausdehnung. An der hoch über der Stadt gelegenen Busstation gibt es auch keinen Geldautomaten. Wacker treten wir den Fußweg zu unserem Hostal an. Etwas anderes bleibt uns auch nicht übrig, denn wir haben kein argentinisches Geld und kein Internet, um einen Uber zu bestellen. Der Wind fegt uns beinahe davon. In Puerto Natales wurden wir schon gewarnt, dass man an gewissen Stellen sein Auto nicht abstellen sollte, immer wieder werden Pkws vom Wind umgeworfen und davongefegt. Unser Weg endet in einer Sackgasse, wir laufen zurück.
Auf dem anderen Weg endet der Asphalt nach ein paar hundert Metern und wir bauen unsere Trolleys zum Rucksack um. Im Kies leiden die Rollen sehr durch den Staub, so leiden nur unsere Bandscheiben und unsere Bindehäute. Die vorbei brausenden Pickups und Geländewägen wirbeln davon ausreichend Material in die Luft. Die Adresse, zu der uns unsere Offline-Satelliten-Navigationsapp leitet, erweist sich als vollkommen falsch. Wir landen an einem Campingplatz. Wer will bei nächtlichen Temperaturen um den Gefrierpunkt schon zelten? Der freundliche Wirt weist uns den Weg, nur verstehen tun wir nicht viel davon. Wir irren weiter über Schotterpfade, wieder tragen wir unsere Packen auf dem Rücken, bei mir verkrampft sich alles. Da vorn, ein Taxistand! Trotz aller Vorbehalte bin ich jetzt soweit, ein Taxi zu nehmen. Da stellt sich heraus, dass der Taxistand genau gegenüber von unserem Hotel ist. Nach dem Einchecken läuft es wie von selbst: Geldautomat (sauteuer!), Einkaufen, lecker Essen… ein Traum.
Perito Moreno Gletscher und Lago Argentino
Der Ausflug zum Gletscher ist der Hammer. Wir haben das bestmögliche Wetter erwischt, die Fernsicht und der wolkenlose Himmel sind überwältigend. Der Gletscher gehört zum großen patagonischen Inlandeisfeld zwischen Chile und Argentinien, nach der Antarktis das größte zusammenhängende eisbedeckte Gebiet auf der Südhalbkugel. Eine riesige Wand aus Eis erstreckt sich etwa fünf Kilometer breit in die südwestliche Flanke des Lago Argentina. Obwohl der See hier rund 160 Meter tief ist, ragt der Eispanzer noch bis zu 70 Meter über die Wasseroberfläche hinauf. Winzig kommen wir uns angesichts dieses Naturwunders vor.
Wir nehmen das Gletscherboot, um über den eisigen See bis kurz vor die Eiswand zu fahren. Durch den immensen Druck, der auf dem Eis lastet, kracht und knallt es alle paar Minuten. Wie riesige Zähne ragen die Eissäulen dicht gepackt nebeneinander auf, immer wieder brechen große Eisblöcke vom Gletscher ab. Mit lautem Getöse donnern sie ins Wasser, das Echo hallt mehrfach nach. Ich stelle mir unsere Stadtpfarrkirche daneben vor. Die Kirchturmspitze würde nicht mal über den Rand emporragen. Nach der Schiffstour wandern wir noch über die sehr gut ausgebauten Wege des Nationalparks um die Gletscherzunge herum. Zurück in der Stadt lernen wir beim Abendessen in der Pizzeria nicht nur eine chilenische, sondern außerdem eine französische und eine argentinische Familie kennen. Sehr unterhaltsam!