Der Taranaki oder Mount Egmont ist ein imposanter Vulkan. Rund 30 Kilometer von der Küste entfernt hebt er sich extrem prominent in die Höhe von 2510 Metern. Seine fast perfekte Kegelform erinnert an den Fujijama. Bloß hier gibt es Rosellapapageien und kaum Japaner! Auf dem Weg zum Parkplatz im Nationalpark sehen wir eine Gruppe der grellgrünen Vogel mit dem roten Kopf. Den Rest des Abends gehen wir noch eine kurze Runde zu den Dawson Wasserfällen und haben Gelegenheit mitzuerleben, wie hier das Wetter innerhalb von Minuten umschlägt: Eben noch haben wir den Schatten gesucht, weil die Sonne so stark herunterbrät, dann kommt ein eisiger Wind und treibt dichten Nebel heran, Sichtweite unter zehn Meter. Die Leute haben uns schon gewarnt vor diesem Berg, er soll extrem launisch sein. Tramper Vince aus Kanada verpflegen wir abends noch mit den restlichen Nudeln. Der arme Kerl kommt schon fast im Dämmerlicht mit kurzen Hosen und einem riesigen Rucksack daher, stellt sein Zelt neben uns am Parkplatz auf und sieht allzu hungrig aus. Der Bursche ist Anfang zwanzig und sommers Baumpfleger, winters Dachschneeschipper.
Nach einer eisigen Nacht am Visitor Center und einigem Hin und Her bezüglich Wetter und Wanderlust brechen wir doch noch auf. Anfangs bin ich noch traurig, weil wir den Gipfel natürlich nicht in Angriff nehmen. Rund 1600 Höhenmeter und die Aussicht auf -14°C am Gipfel, das trauen wir beide unseren morschen Knochen nicht zu. Immerhin haben bereits 86 Wanderer auf diesem Berg ihr Leben gelassen: Im Nebel verirrt und dann in der eisigen Nacht erfroren oder irgendwo abgestürzt. Wer den Gipfel bezwingen möchte, sollte sich unbedingt bei den Rangern an der Parkstation anmelden und aktuelle Wetterinformationen einholen. Wir lassen es für diesmal und gehen stattdessen zum Stratford Plateau, machen dort ausführlich Pause, unterhalten uns mit den zwei Lufthansajungs, die wir gestern schon kennengelernt haben und genießen den Blick zum Gipfel: Tatsächlich lüftet der Taranaki für uns ein paar Minuten sein Wolkenkleid. Ob es Vince wohl geschafft hat? Morgens haben wir ihn noch losmarschieren gesehen, als wir den Kopf aus dem Dachzelt steckten. Unser Rückweg führt uns bei den Wilkie Pools vorbei, nette kleine Steinbecken, die der Fluss direkt in einen alten Lavastrom hineingespült hat. Der größte Teil des Weges führt durch einen urtümlichen Wald, wo jeder Baum von einem dicken Mantel aus Flechten und Moos umwoben ist. Tolkiens Fangorn stelle ich mir genauso vor.
Stratford ist eine komische Stadt: Hier heißen die meisten Straßen nach irgendwelchen Figuren in Shakespeares Werken, die größte Sehenswürdigkeit ist der moderne Uhrenturm mit einem Glockenspiel. Zur vollen Stunde erscheinen hier Romeo und Julie in Lebensgröße. Wir kaufen wieder mal ein, tanken und füllen den Wassertank, denn auf dem Highway 43 gibt es für die nächsten 150 Kilometer gar nichts außer Landschaft. Er wird auch „Forgotten World Highway“ genannt, denn die Siedlungen, die es hier früher gab, sind allesamt aufgegeben worden, außer Whangamomona, das aussieht wie eine Siedlerstadt im wilden Westen. Die zehn Einwohner haben ihr Dorf 1989 zu einer unabhängigen Republik erklärt, was auf beträchtlichen Starrsinn und/oder Humor schließen lässt. Der Grund war, dass die Distriktgrenzen geändert worden sind, womit die Leute dort nicht einverstanden waren.
Unweit davon treffen wir auf dem Pass eine Gruppe Reiter. Einer davon stellt sich auf den Sattel seines Pferdes und fängt an, mit seiner Peitsche laut zu knallen. Ich frage natürlich nach, was das soll: So werden hier die Pferde schussfest gemacht, denn er gehe gern auf Jagd und schieße ab und zu auch auf Touristen. Kiwiwitz.
Ziemlich genau in der Mitte des Weges von Stratford nach Taumarunui liegt die Geisterstadt Tangarakau. Bis in die 1930er Jahre lebten hier über tausend Menschen, um die Eisenbahnstrecke zu bauen, Tunnel zu graben und eine Kohlemine zu betreiben. Jetzt gibt es noch drei oder vier bewohnte Häuser. Jimmy hat sein Auskommen als Bienen- und Campingplatzwirt. Viele Leute verirren sich hierhin jedoch nicht, denn die enge, gewundene Schotterstraße ins Raekohuatal ist nochmal sechs Kilometer lang und anstrengend zu fahren. Wir sind uns einig: Dieses Idyll ist einer der schönsten Plätze, wo wir in Neuseeland gecampt haben. Ein kleiner Fluss, ein Tal mit wilden Pferden, auf dem Platz laufen liebenswerte Schafe herum, alles ist urgemütlich und sehr sympathisch. Auf die Rosellapapageien angesprochen, reagiert Jimmy allerdings mit dem trockenen Kommentar, er würde die hübschen Vögel bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit einem Schuss aus seiner Schrotflinte erledigen. Die gehören hier nämlich nicht her, sind aus Australien zugewandert und müssen deshalb weg, genau wie die Possums, Igel, Hermeline und Ratten. Da ist er nicht pingelig, der Kiwi. Mit roher Gewalt versucht er, sein verkorkstes Ökosystem wieder in Gang zu bringen. Alles, was die einheimische überwiegend bodenbrütende Vogelwelt in Gefahr bringt, möchte man am liebsten ausrotten.
hei ihr, alles gute für die weitere reise. bis irgendwann. wann? gruss klaus und manu
Hei, danke, euch auch! Geplant ist Ende Juli 2020. LG Jo und Andrea