Ayutthaya war von 1350 bis 1767 die zweite siamesische Hauptstadt. Sowohl die Kultur als auch insbesondere der Handel boomten damals hier. Kaufleute aus aller Welt – ob europäisch, asiatisch oder chinesisch – ließen sich nieder und gegen Ende des 17. Jahrhunderts zählte die Stadt rund eine Million Einwohner. Ayutthaya war zu dieser Zeit eine der glanzvollsten Städte der Welt. Mitte des 18. Jahrhunderts kam es zu verheerenden Konflikten mit Birma und die gesamte Stadt wurde von den angreifenden Armeen niedergerissen. Die Schätze wurden geplündert, die Mitglieder der königlichen Familien versklavt. Das war ein Tiefpunkt für die gerade im Aufschwung befindliche Thai-Nation. General Taksin ließ drei Jahre später eine neue Hauptstadt ganz in der Nähe des heutigen Bangkok erbauen. Das war der Gnadenstoß für Ayutthaya, es wurde zu einer provinziellen Handelsstadt degradiert, die prachtvollen Bauten von einst verfielen mit der Zeit immer mehr. Heute ist die Stadt Weltkulturerbe und ein Anziehungspunkt für kulturinteressierte Touristen.
Wir sind zwei davon. Heute leihen wir uns mit die miesesten Fahrräder aus, die wir bisher auf der Reise überhaupt hatten. Bei meinem eiert das Tretlager sehr. Bei jeder Umdrehung der Kurbel rutscht mein Fuß fast vom Pedal. Durch die Achter in den Reifen schlingern die Drahtesel arg hin und her. Ich habe das Gefühl, als ob je ein dicker Mitfahrer auf dem Gepäckträger und auf dem Lenker sitzen und hin und her schaukeln würde. Trotz der Hitze fahren wir in rund sieben Stunden den Großteil der Altstadt ab. Die Ruinen der alten Prachtbauten sind verteilt über ein großes Areal von etwa drei mal zehn Kilometern, dazwischen ist eine moderne Stadt gewachsen. Antike Bauten stehen teils mitten in einem Wohngebiet oder zwischen Geschäftsstraßen. Größere zusammenhängende Areale sind zu Geschichtsparks zusammengefasst, für die man auch Eintritt bezahlen muss. Die Wats (Tempel), Stupas, Klöster und königlichen Paläste waren allesamt aus Backsteinen errichtet. Vielfach stehen nur noch Grundmauern, doch einige Wats sind noch fast vollständig. Manchmal gibt es noch Reste von kunstvoll verziertem Putz und Stuck mit Ornamenten und Figuren. Allgegenwärtig sind die Bruchstücke hunderter, besser tausender Buddhastatuen. Meist sitzen bloß noch die Beine im Lotussitz auf einem Sockel, oft wurden Teile der Torsi wieder aufgerichtet, ganz selten sind noch Kopf und Arme vorhanden.
Berühmt ist der Sandsteinkopf eines Buddha, der von den Wurzeln einer Würgefeige umschlossen die Besucher nachsichtig anzublicken scheint. Leider ist die Wandmalerei im Wat Ratchaburana zur Zeit nicht zu besichtigen, da sie renoviert wird. Trotzdem sind wir nicht vergeblich die steilen Stufen auf den pyramidenartigen Turm hinaufgeklettert. Oben treten wir durch eine dunkle Öffnung und gelangen in einen hohen, sehr engen Gang, dessen Wände sich einander zuneigen. Der Raum verjüngt sich dadurch nach oben hin und es ist fast vollständig dunkel. Die schwül-feuchte Luft hier drin ist so dicht, dass wir sofort klatschnass sind. Im Licht meines Mobiltelefons erkenne ich über mir ziemlich stattliche Fledermäuse, die in Trauben an der Decke hängen, einige fliegen auf und flattern um unsere Köpfe.
Per Zug fahren wir weiter nach Chiang Mai: zehn Stunden Reisedauer, doch dies ist nur ein Zwischenstopp, wir suchen uns ein günstiges Zimmer und fahren am nächsten Morgen weiter nach Pai.
Per Minibus von Chiang Mai nach Pai – schon beim Einsteigen fragen wir uns, wie das funktionieren soll. Der Toyota hat 14 Sitzplätze inklusive Fahrer. Ein Kofferraum ist so gut wie nicht vorhanden. Am Bus sind wir mit die ersten, bald kommt eine Gruppe mit sechs Amerikanern, dann eine Japanerin und eine Thai, schließlich noch zwei Briten und zwei weitere Amis. Beim Einladen des Gepäcks beginnt das Hauen und Stechen. Jeder Passagier hat mindestens einen Rucksack dabei, die meisten davon liegen in der Klasse zwischen 70 und 80 Liter, also Riesengeräte. Keiner möchte gern, dass sein Gepäck zuunterst liegt. Wer kennt noch Tetris? Das Einschichten von Menschen und Material wird zu einer Art Drück- und Schiebespiel. Als endlich alle sitzen, machen wir noch Witze über die vier roten Nothämmer, die über unseren Köpfen am Dach befestigt sind. Kein Mensch möchte in einem derartig voll besetzten Fahrzeug in eine Notsituation kommen – wir sind ja so schon komplett eingeklemmt. Zum Glück fährt der Chauffeur ziemlich vernünftig. Zuerst geht es eine Stunde über recht gerade Fernstraßen, dann weitere zweieinhalb Stunden über Serpentinen bergauf, bergab, dann wieder bergauf, eine Kurve nach der anderen, ohne Unterbrechung. Ich bin froh, dass es niemandem schlecht wird. Auch wir haben auf ein Frühstück verzichtet und auch bisher nichts getrunken. Die Landschaft ist schön, wir sind im immergrünen tropischen Regenwald unterwegs und durch die steilen Berge gibt es immer wieder grandiose Ausblicke in die Täler, die wir bereits durchfahren haben. Ab und zu ist ein Stück Straße wegen Hangabbrüchen weggerutscht, aber alle Gefahrenstellen sind vorbildlich markiert: Jeweils genau an der Abbruchkante stehen ein paar kleine orange Warnhütchen herum. Ein Glück, dass sie noch nicht vom Wind in den Abgrund geweht wurden. Wir passieren eine Unfallstelle. Ein Pickup hat sich hier erst vor ein paar Minuten überschlagen und liegt auf dem plattgedrückten Dach eingeklemmt zwischen Felswand und Straßengraben. Eine aufgeregte Frau läuft auf der Straße herum, die Polizei ist vor Ort. Für die Insassen sehe ich wenig Überlebenschancen.
Wir kommen zum Glück gut in Pai an. Die überwiegend junge Reise- und Partygemeinde findet in der netten Kleinstadt die besten Gegebenheiten. Pai liegt in einem lieblichen Tal, man kann von hier aus sehr gut Ausflüge in die Natur rundherum unternehmen. Für heute begnügen wir uns aber damit, eine kleine Hütte in einem dschungelartigen Garten am Stadtrand zu mieten und von da in eins der besseren Hotels zu flanieren, wo eine Liveband exzellenten Jazz spielt sowie Reggae und Rock von Marley bis Santana interpretiert.
Gleich unterhalb unseres Gärtchens liegt der Fluss. Als wir über die Brücke spazieren wollen, stellen wir fest, dass das Wasser dieselbe anscheinend vor kurzem weggespült hat. Bei der nächsten Brücke, ein paar hundert Meter weiter ist es das selbe.
Am nächsten Tag erfahren wir, dass der Fluss in diesem Jahr bereits vier mal so starkes Hochwasser geführt hat. Zum Glück steht unsere Hütte auf Stelzen.