Jaffna – der Norden

Heute haben wir Sitze im Abteil erster Klasse reserviert. Für 600 Rupien (~3€) fahren wir in drei Stunden per „Express“ die 160 km von Anaradhupura in den Norden. Jaffna ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Räumlich Indien am nächsten gelegen, sind auch Kultur, Lebensart und Küche der indischen viel ähnlicher sein als im Rest der Insel. Die Bevölkerung ist überwiegend tamilisch und so war der Norden in den Jahren des Bürgerkrieges (1983-2009) Operationsbasis der Tamil Tigers. Dementsprechend waren die Verwüstungen in dieser Region am schlimmsten. Seit der Niederschlagung der Aufständischen und insbesondere in den letzten Jahren wurde hier viel wieder aufgebaut; angeblich auch die Bahnstrecke, auf der wir gerade unterwegs sind. Falls das so ist, haben die Leute sich sehr viel Mühe gegeben, die Schienen so zu verlegen wie im Rest des Landes: Der Zug ist zwar neu, er springt aber so wild hin und her, dass es schwer ist, die Tasten zu treffen.

Die Eindrücke prasseln in einem Stakkato auf uns ein. Wir sind jetzt in Jaffna – die Tamilenmetropole hat um die 100 000 Einwohner und erinnert sehr an Indien: Laut und bizarr, voller Gegensätze, wohlriechend und stinkend, anziehend und abstoßend in sekündlichem Wechsel. Auf der Straße zwischen den Marktständen, hunderten Mopeds und hupenden Lanka Ashok Leyland Bussen ist zu Fuß kaum voranzukommen. Wir suchen Ruhe und laufen Richtung Meer. Ein Straßenhund folgt kilometerweit, in der Hoffnung auf Futter. Zum Glück kommen wir an einem Abfallhaufen vorbei, der für ihn noch interessanter ist als wir. Am Markt nehmen wir fremde Gerüche wahr, unbekannte Gewürze und Früchte werden verlockend angeboten. Jede Straße beherbergt viele gleiche oder ähnliche Läden: Mode, Schuhe, Mopedteile, Juweliere, Reifenhändler, Schlosser: Konkurrenz belebt offenbar das Geschäft. Als uns das Gewimmel fast schon zu viel wird, beschließen wir, einer der frei herumlaufenden Kühe zu folgen. Schon nach wenigen Minuten führt uns diese in ein Juweliergeschäft. Der Besitzer füttert die Kuh mit ein paar Bananen, um sie dann sanft an den Hörnern zu packen und aus dem Laden zu leiten. Abendessen im Hotel: Das BESTE Crab Curry, das ich jemals gegessen habe! Die Küche Sri Lankas ist super, aber die tamilische (indische) noch ein paar Klassen besser!

06.08.2019 Mit dem Motorroller erkunden wir die Halbinsel Jaffna, wobei wir rund 70 km zurücklegen und mindestens ein Dutzend Hindutempel besichtigen. Die Fahrerei ist wegen des Linksverkehrs etwas ungewohnt, der Roller fährt sich aber ganz gut. In der Stadt ist der regellose Verkehr eine echte Herausforderung; außerorts ist wenig los, dafür sind die Straßen fast überall erbärmlich schlecht und so gut wie nie beschildert. Immer wieder suchen wir einen schattigen Platz, um uns zu orientieren, steuern dann den nächsten Tempel an und schon heißt es wieder Schuhe aus, in diesem Fall für mich auch Hemd aus. Im Hindutempel müssen Männer oben ohne gehen. Auch ans Meer fahren wir ein paar Mal. An der Westküste, etwas nördlich von Jaffna bläst uns der Wind beinahe um. Wir beobachten Fischer, die ihr Boot an Land bringen. Ihr Fang besteht aus kleinen Garnelen, etwa ein 20-Liter-Eimer voll. Später  probieren wir einen anderen kleinen Feldweg Richtung Küste und landen in einer größeren Gruppe Einheimischer, die uns sofort umringen. Wir sind offenbar die größte Attraktion des Tages. Leider können wir uns nicht mit den Leuten unterhalten, außer „Hello“ und „How are you?“ gibt es keinen gemeinsamen Wortschatz. Dennoch gelingt es uns, mit Händen und Füßen nach einer Tankstelle zu fragen und bekommen dort nicht nur Benzin, sondern auch die leckersten Teilchen bisher. Neben uns sitzt ein Mann, der sehr gut Deutsch spricht. Er lebt in Deutschland und ist jetzt hier auf Urlaub.

Zum Schluss fahren wir mit dem Roller noch zum Hafen. Die vielen kleinen Fischerboote lassen eine nachhaltige Fischerei vermuten. Als wir den Strand sehen, wird uns ganz anders: Dicht gepackte Schichten Plastikmüll, wo man Sand oder Kies erwartet hätte. Infernalischer Gestank liegt über der Gegend. Wir haben uns in eine Wohngegend der allerärmsten Bewohner verirrt. Sie hausen in Hütten aus Wellblech und Plastikplanen, Wasser gibt es nur am öffentlichen Hahn auf der Straße. Nichtsdestoweniger wird auch hier für ein offenbar bevorstehendes Fest die Straße mit Girlanden und Lichterketten geschmückt.