Strandleben und Poor Knights

Die Strände hier sind gigantisch: Schön und riesenhaft. Locker 200 Meter zwischen Dünen und Brandungszone. Die Wellen sind so mächtig, wir trauen uns nur dort ins Wasser, wo ein Rettungsschwimmer Wache hält. Meist ist es ein kleiner Bereich, den die gelb-rot gekleideten Lebensretter mit Fahnen markiert haben. Sie haben einen kleinen Beachbuggy, ein Motorboot und ein paar Bojen und Leinen dabei.

Mit der Brandung und vor allem mit der Strömung ist nicht zu spaßen! Ein paar Mal reißt es mich derart gewaltig von den Füßen, dass ich momentan nicht mehr weiß, wo oben und wo unten ist. Zum Glück habe ich dabei keinen Schürfkontakt zum Sandboden – das kann blutig ausgehen. Heute verbringen wir die Nacht in Tutukaka, benahe so schön wie im Takatukaland. Morgen wollen wir auf den Poor Knights tauchen gehen!

Die zwei Tauchgänge sind kein billiger Spaß, 319NZ$ pro Nase. Dafür sehen wir einen der besten Tauchplätze weltweit! Schon auf der 45minütigen Überfahrt sehen wir eine Gruppe riesiger Tümmler: Ein Anblick, der verzaubert. James Cook kam hier 1769 vorbei und entdeckte die Poor Knight Inseln, kartografierte und benannte sie. Angeblich erinnerte ihn die Silhouette an einen gefallenen Krieger auf dem Schlachtfeld, bedeckt von seinem Schild – zu arm für ein Begräbnis.

Ursprünglich war hier ein riesiger Vulkan mit 24 Kilometer Durchmesser, doch das ist schon 150 Millionen Jahre her. Die Fauna ist fantastisch. Schon vom Boot aus sehen wir riesige Schwärme blauer Maomaos im glasklaren Wasser. Unter Wasser begegnen uns nicht nur nicht enden wollende Schwärme von Demoiselles, neugierige Zackenbarsche, gähnende Muränen, schlafende Papageifische, wunderhübsche Nacktschnecken und vieles mehr. Das Tauchen im Kelp ist eine ganz andere Sache als alles, was wir bisher erlebt haben. Die riesigen Wasserpflanzen sind mit stabilen tentakelartigen Greifwurzeln auf den Felsen verankert. Die Stängel sind derb und extrem stabil – das müssen sie auch sein, um Brandung und Stürmen zu trotzen. Wenn unter dir beim Tauchen ganze Felder von Blättern in der Dünung schwanken, kann es dir leicht übel werden. Trotzdem ist es ein wunderbarer Anblick. Unser Skipper erzählt uns in der Oberflächenpause zwischen den beiden Tauchgängen von dem Stamm, der einst hier lebte. Da einst Cook auf den Inseln Schweine aussetzte, gab es hier jagbares Wild, während auf dem Festland seit der Ausrottung der Moas die einzigen größeren Tiere Ratten und Fledermäuse waren. Der Stammeshäuptling der ansässigen Maori war recht geschäftstüchtig und verkaufte das Schweinefleisch gewinnbringend an die Stämme am Festland. Eines Tages beschloss einer der Häuptlinge an der Westküste, dass diese Schweine eine große Bereicherung für seine Speisekarte wäre und er gern selber welche haben wollte. Also durchwanderte er mit seinen Leuten das ganze Land, baute sich an der Küste ein Kanu, ruderte hinüber zu den Poor Knight Inseln und fragte nach lebendigen Schweinen. Der Inselhäuptling aber wollte keineswegs sein Monopol aufgeben und sagte nein. Unverrichteter Dinge zog der Mann heimwärts, übel grollend und tief in seinem Stolz verletzt. 14 Jahre später kam er zurück, um sich zu rächen. Nunmehr mit Feuerwaffen ausgerüstet, die er von den weißen Siedlern eingetauscht hatte, setzte er abermals über und richtete ein Massaker an unter den Inselbewohnern. Kaum jemand überlebte, seither sind die Felsen tabu, ein Ort, wo man nicht hingehen darf. Die Natur ist dankbar! Hier gibt es halbmeterlange Skolopender, 120 Jahre alte Flaxschnecken und über handtellergroße Riesen-Weta, eine Art Grille oder Schabe.

25.01.2020 Sandy Beach, Whangaumu Beach, Wellington Bay

Gestern noch haben wir neben der Maorifamilie am Sandy Beach gecampt und Seeigel (urchins) zu essen bekommen. Man bricht sie mit zwei Löffeln auf und isst sie lebendig. Uns genügt ein kleiner Probierhappen, die Dinger sind schlabbrig und schmecken extrem salzig. Mit unserer Parkplatznachbarin und ihrer kleinen Tochter frühstücken wir am anderen Morgen. Die beiden leben in diesem Auto, nur im Winter ziehen sie zu Verwandten in ein richtiges Haus. Aber ganz glücklich scheint uns die Frau nicht. Ihr Partner und Vater des Kindes stammt von einer Südseeinsel und ist viel unterwegs. Seine Leute wohnen in der Nähe, aber es ist nicht einfach mit ihnen zusammenzuleben. Immer, wenn sie sich durch ihren Jadeschmuck etwas erarbeitet oder gekauft hat, kommt jemand aus dem Clan, findet es schön oder praktisch und nimmt es sich. Das sei ganz normal, so leben die eben, meint sie. Aber sie hat sich noch nicht so ganz daran gewöhnt.

Wir genießen die letzten Tage unseres Vagabundenlebens, besuchen keinerlei Sehenswürdigkeiten, sondern suchen uns ein weiteres schönes Strandplätzchen. Länger als eine Nacht dürfen wir nicht auf einem Parkplatz bleiben, allabendlich kommen die Ranger zur Kontrolle. Wenigstens sind sie freundlich, solange alles passt: Self-contained muss das Auto sein und natürlich muss man seinen Müll wieder mitnehmen.