Negombo, per Tuktuk nach Veyangoda, von dort per Zug nach Norden zur alten Königsstadt Anuradhapura
Wie in Trance schaukeln wir in der Hitze. Beiderseits der Gleise zieht eine exotische Landschaft vorbei: Lichte Wälder, Felder, Palmen. Auf klapprigen Brücken, die nur aus Rost und Farbe zu bestehen scheinen überquert der Zug im Schritttempo kleinere Flüsse. Am Ufer sehen wir Büffel und Wasservögel im Schlamm stehen. Die Ansiedlungen hier bestehen seit Stunden nur noch aus ein paar verstreuten Hütten, einigen Bananenstauden und kleinen Gemüsefeldern. Dazwischen brennen manchmal noch kleinere Feuer, die man zur Düngung des Bodens oder zur Bekämpfung des Unkrauts und der Schlangen angelegt hat. Die Monsunzeit steht hier kurz bevor: In den großen, flachen Ebenen erkenne ich bei näherem Hinsehen ausgetrocknete Reisfelder.
Abgeerntete Halme stehen in rechteckigen Terrassen, umgeben von wenig höheren Dämmen aus hartgetrockneter Erde. Selbst auf der entlegensten Dschungelhaltestelle hält unser Bummelzug unter den kritischen Augen eines Bahnhofsvorstehers in schmucker Uniform, komplett mit Mütze und blankpolierten Messingknöpfen.
Alle paar Minuten tragen mobile Imbissverkäufer ihre Körbe durch die Abteile, lautstark ihre Ware anpreisend: Gefüllte Teigtaschen, Obst, frittierte Teilchen, Nüsse, Nudeln, Wasser, Tee, sogar Bilderbücher. Diese sind hier sehr beliebt zum Selbststudium in Englisch. Unermüdlich laufen die Händler von einem Ende des Zuges zum anderen, nur um dann wieder von neuen zu beginnen; solange bis sie ihre Ware soweit verkauft haben, dass das Tageseinkommen verdient ist.
Durch das Rütteln und Stoßen der Waggons lassen wir uns in einen angenehmen Halbschlaf wiegen. Oder ist es noch der Jetlag? Gestern sind wir von München über Muskat nach Colombo geflogen. Viel Schlaf hatten wir nicht. Die Nacht am Strand im Dephanie Guest House war dank Ventilator und AC angenehm, aber kurz. Heute früh standen wir keine Minute am Straßenrand bis ein Tuktuk für uns hielt. Eine knappe Stunde später durch den gewöhnungsbedürftigen singhalesischen Verkehr Richtung Osten waren wir in Veyangoda an der Railway Station.
Abends im Garten von Lievi‘s Guest House kreisen in der Dämmerung Fledermäuse und Flughunde dicht über unseren Köpfen.
Den ganzen Tag über radeln wir bei Gluthitze mit geliehenen
Rädern viele Kilometer kreuz und quer durch die antike Ruinenstadt Anuradhapura.
In einem fast ausgetrockneten Lotosblumensee steht noch ein Schlammtümpel,
darin ein meterlanger Waran, der die letzten verbliebenen Fische jagt.
Zusammen mit hunderten Pilgern umrunden wir mit brennenden
Füßen den heiligen Bodhi-Baum in der Nähe. Natürlich muss man hier barfuß gehen
und lange Hosen tragen, auch Kopfbedeckungen sind nicht erlaubt – anderes wäre
nicht der Heiligkeit des Ortes angemessen. Der Baum soll über 2300 Jahre alt
sein und ist ein Ableger des Baumes, unter dem Buddha erleuchtet wurde. Inmitten
der Mönche und Pilger, die Blumen, Essen und Räucherwerk opfern ist die Stimmung
sehr ergreifend.
Als wir die jahrtausendealten Ruinen von Klöstern und Palästen bestaunen, fühlen wir uns ins Dschungelbuch versetzt. Zwischen den historischen Mauern stehen überall riesige Bäume herum, Horden von Affen bevölkern das Areal. Mit „Schubidu, ich wär so gern wie du-u-huh“ umrunden wir wenig würdevoll den Jetavanaramaya Stupa. Als er im 2. Jahrhundert vor Christus errichtet wurde, war er mit 122 Metern eines der höchsten von Menschen errichteten Bauwerke, übertroffen nur von den ägyptischen Pyramiden. Seither ist der Stupa mehrfach zusammengebrochen, vom Dschungel überwuchert worden, vom Bewuchs wieder befreit, neu errichtet und wieder verfallen.
Doch was ist eigentlich ein Stupa (=Dagoba, Pagoda, Tschörten)? Es handelt sich um ein kreisförmiges Bauwerk, welches Buddha selbst bzw. seine Lehre symbolisiert. Früher wurden darin auch Reliquien Buddhas oder herausragender Mönche verwahrt.